Der Zurlaubenhof erhält seine «Biografie»

Literatur & Gesellschaft, Brauchtum & Geschichte

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Ein Team von Fachleuten hat Zugs einzigem Adelssitz eine umfassende, sorgfältig erarbeitete Monografie gewidmet.

  • Autorin und Projektleiterin Brigitte Moser und Thomas Glauser, Präsident Historischer Verein Zug. (Bild Andreas Faessler)
    Autorin und Projektleiterin Brigitte Moser und Thomas Glauser, Präsident Historischer Verein Zug. (Bild Andreas Faessler)

Zug – Es war eines jener politischen Geschäfte der Stadt Zug mit dem wohl höchsten symbolhaften Wert der vergangenen Jahre: Im Juni 2022 hat die Zuger Bevölkerung mit einer überwältigenden Mehrheit dem Kauf des Zurlaubenhofes durch die Stadt zugestimmt. Die Familie Bossard hatte entschieden, den barocken Landsitz an die Stadt zu veräussern, nachdem sie fast 180 Jahre lang Eigentümerin desselben gewesen war.

2018, noch bevor sich die Bossards zu diesem Schritt entschieden haben, hatte die Zuger Kunsthistorikerin und Bauforscherin Brigitte Moser ein umfassendes Buchprojekt angestossen: Der einzige Adelssitz Zugs soll eine erste, ganzheitliche Gebäudemonografie erhalten. Nach einer intensiven Zeit von Forschung und Aufarbeitung ist das Buch am vergangenen Freitag im Zuger Rathaus einem breiten interessierten Publikum im feierlichen Rahmen vorgestellt worden – mit musikalischer Begleitung von Cellist Jonas Iten und unter anderem in Anwesenheit von Vertretern der Familie Bossard.

Geschichte aufarbeiten und am Leben halten

Stadtpräsident Karl Kobelt ergriff die Gelegenheit, das Gebäudeensemble und dessen Bedeutung für die Stadt Zug selbst zu würdigen und den Erwerb aus politischer Sicht Revue passieren zu lassen. «Eines steht fest», sagte Kobelt, «in Zug besteht Nachholbedarf, was die Aufarbeitung der eigenen Geschichte angeht.»In diesem Zusammenhang verwies er auf einige themenbezogene Projekte, welche anstehen oder bereits im Umsetzungsprozess sind. «Sie alle sollen helfen, dass wir uns mit unserer Heimat auch in Zukunft identifizieren und unsere Herkunft nie vergessen.» Und zum Erwerb des Zurlaubenhofes durch die Stadt hielt Kobelt abschliessend fest: «Ich bin überzeugt, dass auch spätere Generationen für diese wichtige Entscheidung dankbar sein werden.» Die vom Historischen Verein des Kantons Zug herausgegebene Monografie ist breit unterstützt worden: Neben Stadt, Kanton und Bürgergemeinde Zug haben mehrere einheimische Stiftungen, die Kalt Medien AG und auch der Herausgeber selbst finanzielle Mittel bereitgestellt. «Und jetzt ist es endlich da, dieses Buch», sagte Thomas Glauser, Präsident der Historischen Vereins des Kantons Zug, zum Schluss seiner Einleitung. «Nach einem langen und intensiven Arbeitsprozess, bei dem Brigitte Moser vom Anfang bis zum Ende als Drehscheibe wirkte. Es war ihr ein Herzensprojekt.»

Die Kunsthistorikerin erinnerte sich an ihre erste «Begegnung» mit dem Zurlaubenhof, als sie vor rund 15 Jahren nach Zug gekommen war: «Mein Arbeitsweg führte damals am Landsitz vorbei. Es war so etwas wie Liebe auf den ersten Blick, und es gab Fragen über Fragen. Wie ist dieses Herrenhaus zu seinem heutigen Erscheinungsbild gelangt? Was für Geschichten birgt es? Wer waren die Menschen, die es in all den Jahrhunderten bewohnt und gestaltet haben?»

Und nun gibt es Antworten auf diese Fragen und noch viel mehr – anschaulich aufbereitet mit zahlreichen Abbildungen und in einer präzisen, doch leicht verständlichen Sprache. Die insgesamt vier Fachautorinnen und -autoren, die an der Monografie mitgeschrieben haben, fokussieren sich jeweils auf ein Schwerpunktthema. «Eine Hausgeschichte ist unendlich tief», sagte Brigitte Moser an dieser Stelle. Die vom illustren Hofbesitzer Beat Fidel Zurlauben (1720–1799) – letzter männlicher Nachkomme dieses Geschlechts – angelegte Acta Helvetica sei dab­ei die Hauptquelle für die histo­rische Aufarbeitung der Hofgruppe gewesen.

Ein Gemeinschaftswerk von Fachpersonen

«Das Buch sollte letztendlich den Adelssitz in kompakter Form, aber ganzheitlich würdigen und neue Erkenntnisse darlegen.» Und diesen Ansprüchen wird die vorliegende Monografie gerecht. Inhaltlich gliedert sich die aufwendig und sehr ansprechend gestaltete Publikation in vier Hauptschwerpunkte, denen sich jeweils eine Fachautorin respektive ein Fachautor angenommen hat. Natalie Büsser, Historikerin und gebürtige Zugerin, widmete sich dem breiten Themenkreis der Besitzer des Zurlaubenhofes, Brigitte Moser nahm sich der Baugeschichte der Gebäudegruppe an, der als Bewohner des Hauses mit demselben bestvertraute Historiker Heinz Greter schrieb über den Garten, und Josef Grünenfelder, etablierter Zuger Fachmann für Kunstgeschichte, war vor allem für die einzig­ar­tige hofeigene Hauskapelle zuständig.

Die Schwerpunkte wiederum sind in drei Zeitabschnitten jeweils gebündelt, sodass der Wandel vom einstigen Hof Am Schilt zum barocken Zurlaub’schen Adelssitz bis hin zum Hof der Bossards im Spiegel der Jahrhunderte begriffen werden kann. Zahlreiche Illustrationen aus den Archiven werden jetzt zum ersten Mal veröffentlicht. Die in Zug tätige Fotografin Regine Giesecke indes zeichnet für den Grossteil der aufschlussreichen Aufnahmen der Gegenwart verantwortlich. Mit der vorliegenden Publikation sind Stadt und Kanton um ein wertvolles Stück «konservierter» Zuger Geschichte reicher. Und es darf mit Fug und Recht festgehalten werden, dass das Buch in das Regal eines jeden gehört, der sich mit Zug als Heimat- oder Wohnort identifiziert. (Text von Andreas Faessler)

Hinweis
«Der Zurlaubenhof – Herrensitz der einflussreichen Zuger Familie Zurlauben», Verlag Hier und Jetzt, 200 Seiten mit ca. 100 Abbildungen, 49 Franken.