Hirschpark, Fasanerie und Voliere

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Ende des 19. Jahrhunderts konzipiert, sind Hirschpark, Fasanerie und Voliere unverhoffte Inseln in der Stadt, die trotz Standortverschiebungen und baulichen Veränderungen nichts von ihrem Charme verloren haben.

  • Das Tiergehege am Alpenquai in Zug erfreut die Flanierenden. Es gehört seit Ende des 19. Jahrhunderts zum Stadtbild. (Bild Stefan Kaiser)
    Das Tiergehege am Alpenquai in Zug erfreut die Flanierenden. Es gehört seit Ende des 19. Jahrhunderts zum Stadtbild. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Wie eh und je überraschen sie und erfreuen durch ihre einheimische und exotische Tierwelt.

Flaniert man von der Altstadt her dem Seeufer entlang in Richtung Hafen, vorbei an Regierungsgebäude, Vorstadtquai und Goldpavillon zum Alpenquai, trifft man überraschend auf ein Tiergehege: den Hirschgarten. Im kleinen Park mit Wiese, Wasserbecken, Bäumen und begrüntem Hügel mit Blockhäuschen lebt ein Rudel Sikahirsche. Die Anlage ist ein Kleinod mit überraschender Geschichte, die auch die Fasanerie und Voliere am Landsgemeindeplatz miteinbezieht.

1890 wurde an der Platzweeri beim Landsgemeindeplatz ein erster Hirschpark angelegt, wo ein Jahr später auch eine Voliere für den Ornithologischen Verein Zug folgte. Initiant war der aus Lichtensteig stammende Ferdinand Wirtii (1820–1907), ein vielseitig engagierter und u.a. in Ornithologie, Bienenzucht und Fischerei sowie der Pflege von Obstbäumen bewanderter Mann. 1878 gründete Wirtii, der erste Redaktor der «Schweizerischen Blätter für Ornithologie», den Ornithologischen Verein Zug. Sowohl Hirschpark als auch Voliere entstanden gleichzeitig mit der 1890 wiedereröffneten Kantonsstrasse Richtung Cham und dem Abschluss der neuen Seepromenade 1891. Christine Kamm-Kyburz, Kunsthistorikerin und Autorin des Inventars der neueren Schweizer Architektur (Insa) der Stadt Zug, erklärt: «Als Blickfang dürften diese Gehege bereits für die erste Seepromenade in Gedanken geplant gewesen sein. Dafür spricht, dass sie aus heutiger Sicht gemeinsam mit der Fertigstellung der Quaibauten errichtet wurden. Für die im 19. Jahrhundert neue Bauaufgabe im Zeitalter des Tourismus, nämlich Seepromenaden und Quaibauten, waren Volieren, Hirschpärke oder Fasanengärten mit ihrem teils exotischen Flair beliebte Attraktionen.» Auch in Zug war der Tourismus Auslöser für den Bau der Quaianlage. 1852 nahm das erste Dampfschiff auf dem Zugersee den Kursbetrieb auf, und 1864 wurde die Bahnlinie Luzern–Zug–Zürich eröffnet. Für die in grosser Zahl angereisten «Sommerfrischler» plante die Stadt daher eine attraktive, mit Schatten spendenden Bäumen gesäumte Flaniermeile vom Regierungsgebäude bis zum Dampfschiffsteg. Doch bekanntlich ereignete sich 1887, noch während der Bauarbeiten, die verheerende Vorstadtkatastrophe. Ein Teil des Ufers samt Häusern rutschte in den See, ein knappes Dutzend Menschen verloren ihr Leben, mehrere hundert ihr Heim.

1898 wurde der Hirschpark auf Wunsch des Stadtrats von der Platzweeri am Landsgemeindeplatz an einen «passenderen Ort» verlegt, nämlich an den Erlenbach beim damaligen Schützenhaus, wo er sich heute noch befindet. An der Platzweeri entstand an Stelle des Hirschparks im selben Jahr – wiederum initiiert von Ferdinand Wirtii – ein «sechshofiger städtischer Fasanengarten». Dieser wurde 1925 zu Gunsten eines Neubaus des Zuger Architekten Theo Hochstrasser aufgegeben. Die etwas weiter nördlich beim Regierungsgebäude gelegene Voliere von 1891 wich 1934 einem Neubau, der 1986 seinerseits durch die moderne Anlage ersetzt wurde. Voliere und Fasanengarten beherbergen heute wie damals teilweise seltene einheimische und exotische Vogelarten.

1917, mitten im Ersten Weltkrieg, verfügte der Stadtrat den Abschuss der augenscheinlich vier Hirsche im Hirschpark. Grund waren die für die Stadt unerschwinglich gewordenen Futterpreise. Erst 1919 dachte man an eine Wiederbelebung des Hirschparks. So wurden die Gehege repariert, doch der vom Ornithologischen Verein der Stadt geforderte Rasenplatz zur Fütterung der Tiere wurde vorerst nicht bewilligt, da «alles Land zu Anpflanzungszwecken vergeben sei». Aus Preisgründen entschied sich der Stadtrat zudem für die vergleichsweise günstigen Sikahirsche – und nicht für die ebenfalls in Betracht gezogenen, aber erheblich teureren Lamas. Sikahirsche stammen ursprünglich aus Ostasien, sind aber, jeweils vom Menschen eingeführt, in verschiedenen Regionen der Welt anzutreffen, so auch in Zug.

Noch heute erfreuen die Tiere im Hirschgarten – dort sind es immer noch Sikahirsche –, in der Fasanerie und der Voliere. Sie tun das, was sie schon früher taten: völlig überraschend Vertrautes und Exotisches in die Stadt bringen und zum Verweilen einladen. Eine feine Hommage an den Hirschgarten übrigens schuf die Künstlerin Nicoletta West 2012/13 mit ihrem Werk «Ich lebe in einer anderen Welt, aber es ist auch Deine Welt» im nahe gelegenen Reformierten Kirchenzentrum. Es thematisiert auf poetische Weise den historischen Hirschgarten, der heute wie eine Insel im Stadtleben aufscheint. (Brigitte Moser, Kunsthistorikerin)

Hinweis
Mit «Hingeschaut!» gehen wir wöchentlich mehr oder weniger auffälligen Details mit kulturellem Hintergrund im Kanton Zug nach. Frühere Beiträge finden Sie unter www.zugerzeitung.ch/hingeschaut