Falsche Kunst und echte Töne

Literatur & Gesellschaft, Musik

,

David Weber inszenierte sein neues Buch im Zuger Rathaus.

  • David Meyer griff zum Saxofon während der Lesung. (Bild Matthias Jurt)
    David Meyer griff zum Saxofon während der Lesung. (Bild Matthias Jurt)

Zug – David Webers Buch beginnt mit einem rasanten Prolog und endet mit einem spektakulären Finale. Genau so war auch seine «Lesung» am gestrigen Vormittag im Rathaus Zug aufgebaut: Spektakulär. Aber beginnen wir– um im Buchjargon zu bleiben – chronologisch.

David Weber, ehemaliger Architekt, schreibt seit einigen Jahren Bücher. Der Zuger Autor tut das mit grosser Passion, noch grösserer Liebe zur Recherche und absolut wortgewaltig, ohne geschwätzig zu werden. Im neuesten Buch «Im Schwarzlicht» geht es um ein teures Gemälde, eine verwegene Malerin und einen zwielichtigen Kunstmarkt. Alles Zutaten, die es für einen richtigen Thriller braucht. David Weber lässt den Protagonisten über ein Geheimnis stolpern und lässt die Lesenden daran teilhaben und schwupp! – ist man mittendrin im Buch. Wie aber soll dieses Fesselnde, welches das Buch so stark macht, nun an einer Lesung transportiert werden? David Weber weiss, wie es geht: Er inszeniert.

Ein Autor, der lesen kann

Szenische Lesungen sind so eine Sache: Oft sehr bemüht und wahnsinnig gewollt. Weber aber schaffte es, zusammen mit der Zugerin Jasmin Lötscher etwas Neues zu kreieren. Ganz in schwarz gekleidet – also typischer Architekten-Look – begrüsst er das zahlreiche Publikum im gotischen Saal des Rathaus Zug in seiner normalen Sprechstimme… und dann passiert es: Kaum beginnt der Autor zu lesen, klingt seine Stimme völlig anders. Ganz so, als ob er eine andere Identität annehmen würde. Rauchiger, tiefer, in Bühnenhochdeutsch. Der Autor tönt wie ein Synchronsprecher. Das ist faszinierend und macht akustisch grossen Spass. Endlich ein Autor, der auch lesen kann! Es wird aber noch besser. Das Buch spielt an verschiedenen Orten, und die Stimmungslage des Protagonisten variiert ständig. Auftritt Jasmin Lötscher mit ihrer Loop-Station und mit diversen Instrumenten. Sie schaffte es, musikalisch jede Stimmung so zu transportieren, wie es vom Autor gewollt war. Faszinierend dabei, wie sie die Sample-Technik anwendet; haut sie beispielsweise mit der Hand auf ihre Gitarre, wird das erzeugte «Bag – Bag – Bag» eingebunden in die Klangcollage, die vor den Ohren der Zuschauer entsteht. Grandios wird es dann, wenn sie zu ihren Loop-Station-Samples ein weiteres Instrument spielt und David Weber selbst auch noch zum Saxofon greift. Das ist grosses Kino.

David Weber hatte sich bewusst für die aufwendige Inszenierung entschieden. Die Frage nach dem «Warum» lässt sich dennoch nicht ganz verkneifen, denn er selbst hätte mit seiner Stimme, seinem Musikinstrument und dem Plot des Buches problemlos den Raum füllen können. Aber: «Ich habe so viele langweilige Lesungen erlebt, dass ich dieses Muster nicht kopieren will. Ich finde, die Zuhörer und Zuschauer haben mehr verdient als einfach nur Vorlesen», erklärt er.

Und dass er für diese Zusammenarbeit Jasmin Lötscher wählte, lag für ihn auf der Hand: «Wir haben uns an einem Musikworkshop kennen gelernt. Jasmin ist unheimlich vielseitig und kreativ, es macht Spass, mit ihr zusammen musikalische Ideen für die Buchpräsentationen zu entwickeln. Für «Im Schwarzlicht» haben wir eigens kleine Stücke komponiert, eine Art Filmmusik», führt der Autor weiter aus. Und genau das war es auch: Ein Film; denn David Weber wählte seine Passagen so aus, dass sich jede, ohne das Buch gelesen zu haben, trotzdem zurechtfinden konnte.

Wie kommt aber ein ehemaliger Architekt auf die Idee, sich mit den düsteren Seiten des internationalen Kunsthandels auseinanderzusetzen? «Es begann mit einem Zufall, ähnlich wie ihn Andy Heim, der Hauptprotagonist, erlebt. In einem menschenleeren Atelier traf ich auf ein Gemälde, das mich faszinierte. Davor lag ein Ausstellungskatalog mit dem Porträt einer Frau. Ich nahm an, dass es die Künstlerin sein müsse. Diese zwei Dinge haben eine Gedankenspirale ausgelöst. Am nächsten Tag wusste ich, dass ich über eine verrückte Liebe und ein magisches Gemälde schreiben würde». Dass daraus dann ein unglaublich spannendes Werk entstehen würde, war dem Autor ziemlich sicher zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Und wahrscheinlich auch nicht, dass die Buchpräsentation – Pardon: Buch-Performance – zu «im Schwarzlicht» derart aussergewöhnlich werden würde. (Haymo Empl)

Hinweis
David Weber «Im Schwarzlicht», Knapp Verlag, 2021, 390 Seiten, CHF 29.00. Weitere Termine unter www.davidweber.ink.