Goldene Zeiten am Ägerisee

Kunst & Baukultur, Brauchtum & Geschichte

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Dörfer im Wandel: Vom Luftkurort zum Anziehungspunkt für Expats – das Ägerital zählt schon lange auf den Fremdenverkehr. Wenn auch im Laufe der Jahre in ganz unterschiedlicher Interpretation.

  • Die Pension Lohmatt (erstes Bild) müsste sich im gleichen Gebiet befunden haben wie heute die Überbauung Lutisbach Park (zweites Bild). (Bilder ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Matthias Jurt)
    Die Pension Lohmatt (erstes Bild) müsste sich im gleichen Gebiet befunden haben wie heute die Überbauung Lutisbach Park (zweites Bild). (Bilder ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Matthias Jurt)

Unterägeri – Die Hotels Waldheim und Seefeld in Unterägeri, die Pension Bernard, dort wo heute das Kinderheim Lutisbach ist, die Pension Naas, die Pension Gulm in Oberägeri und ganz in der Nähe beim Gütsch in Oberägeri eine weitere prächtige Anlage mit Türmchen und Palmen: Um 1900 gab es im Ägerital eine Menge Pensionen, der Fremdenverkehr erlebte eine Blütezeit. Das Ägerital inszenierte sich als «Luftkurort». Da wollten viele mitziehen und ihr Stück vom Kuchen abhaben.

Zur Popularität des Ägeritals als Kur- und Heilort hat wohl auch der Bau der Strassenbahn beigetragen: Ab September 1913 konnte die Bahn von Zug ins Ägerital ihren Betrieb aufnehmen. Dem vorangegangen war der Bau der Lorzentobelbrücke, die 1910 eingeweiht wurde.

Wo früher Pension war, steht heute Überbauung

Die Betreiber der Pension Lohmatt, die auf dem historischen Bild oben zu sehen ist, beherbergten Gäste. Wann die Fotografie gemacht wurde, ist nicht erkennbar. Beschriftet ist die Aufnahme mit «Grand Hotel Lohmatt», dem haftet wohl eine gewisse Ironie an. Denn das Hotel Lohmatt wird nirgends erwähnt. Es gibt praktisch keine Informationen dazu. So mag es neben den grossen, mondänen Unterkünften vielen ergangen sein. Das abgebildete Gebäude stand vermutlich im gleichnamigen Gebiet Lohmatt, auf der Grenze zwischen Ober- und Unterägeri. Die Hanglage bietet eine schöne Aussicht auf den Ägerisee und das Tal. Heute ist in diesem Gebiet von einem Kurbetrieb nichts mehr zu spüren. Vor wenigen Jahren entstand auf der grünen Matte die Überbauung Lutisbach Park. In einer ersten Etappe wurden rund 30 Mietwohnungen mit «erhöhtem Ausbaustandard» realisiert. Rund 13 Mehrfamilien-Neubauten mit 100 Wohnungen sind geplant. Eine Entwicklung, die für das Ägerital und insbesondere Oberägeri bezeichnend ist. Die Hanglagen sind mit teils schmucken, teils protzigen Villen bestückt. Und auch auf Dorfebene sind die Wohnungen mit «erhöhtem Ausbaustandard» fast schon die Regel. Fremdsprachen, vor allem Englisch, sind allgegen­wärtig. Das Ägerital wurde vom beschaulichen Kurort zum beliebten, oft zeitlich begrenzten Wohnort für Expats. Katalysator dieser Entwicklung ist nicht ­zuletzt das attraktive Zuger Steuersystem. Das Wachstum nahm aber schon früher seinen Lauf: Nach dem Zweiten Weltkrieg begann eine starke, bis heute anhaltende Zuwanderung, verbunden mit einer enormen Bautätigkeit. Die Bevölkerung in Unterägeri wuchs seither auf das Dreifache (2021: 9000 Einwohnende).

Ob die Luft immer noch so rein und heilend ist wie vor gut 100 Jahren? Durchatmen und abschalten lässt es sich im Ägerital nach wie vor gut. Beiden Gemeinden ist es gelungen, ihren dörflichen Charakter zu bewahren. Und von der finanziellen Unterstützung – damals von den Kurgästen, heute oftmals von den neuen Bewohnern– lässt es sich auch für die Einheimischen gut leben im Zuger Berggebiet. (Carmen Rogenmoser)

Hinweis
In dieser Serie stellen wir Dorfansichten aus Zuger Gemeinden und ihren Wandel über die Zeit vor. Quellen: Onlineauftritte der Gemeinde Oberägeri und der Korporation Unterägeri, «Sonne, Molke, Parfümwolke.», von Michael van Orsouw.