In Stein gemeisselte Geschichte
Dies & Das
Bei Bauarbeiten am Lorzenufer wurden zwei alte Inschriftensteine freigelegt. Sie mögen historisch nicht wertvoll sein von Bedeutung sind sie trotzdem.
Unterägeri – Eine freudige Überraschung brachte die Neugestaltung des Seeufers in Unterägeri zutage. Bei den Abbrucharbeiten kamen im Frühling zwei Inschriftensteine zum Vorschein. Sie geben Zeugnis davon ab, von welcher Bedeutung die gewerbliche und industrielle Nutzung der Lorze in den vergangenen Jahrhunderten war. Einige Jahreszahlen, die besondere Ereignisse markieren, sind auf dem einen Stein vermerkt. Am Anfang stand der «Lorzenbrief» anno 1479, der das Nutzungsrecht der Lorze erstmals festhielt. Der Müller im Müliloch und die Gemeinde hatten sich zuvor bezüglich Nutzung des Flusses nicht einigen können, der «Lorzenbrief» schaffte Frieden. Ein fortwährender Rechtsstreit ähnlicher Natur zwischen Müller und Gemeinde wurde 1640 geschlichtet und dem Müller sein Nutzungsrecht gerichtlich bestätigt. Die nächste Zahl nennt bereits das Jahr 1820. Auch hier wurde dem Müller ein besonderes Wassernutzungsrecht eingeräumt, nämlich, nach Bedarf die Lorze aufstauen zu dürfen.
Die Jahreszahl 1857 schliesslich bezeichnet ein besonders wichtiges Ereignis. Der Zuger Historiker und Unterägerer Gemeindearchivar Renato Morosoli führt aus: «Mit dem Ausbau der Spinnerei und durch die neue Spinnerei in Unterägeri (ab 1846) benötigten diese mehr Wasserkraft, die sie mit dem Seevertrag von 1857 erhielten. Es handelte sich um einen Vertrag zwischen den beiden Spinnereien mit den Ägerisee- und Lorzenanstössern betreffend Vertiefung des Lorzenlaufes, Absenkung des Seespiegels und Regulierung der Lorze durch eine Schwelle. Dies erlaubte den Spinnereien, die Wasserkraft durch Aufstau des Sees besser zu nutzen. Der Nutzen für die Anstösser war die Entwässerung ihrer Grundstücke. Es war ein rascher Entscheid: Zwischen dem ersten Vertragsvorschlag der Spinnereien und der Unterzeichnung des Vertrages vergingen gerade mal elf Tage.»
Die Zahl 1885 weist auf eine Einigung bezüglich Lorzennutzung zwischen den beiden Spinnereien Ägeri und Baar hin. 1887 steht für die Flussbetterweiterung von der Oberen Brücke bis zur Euschwelli. Wofür das Jahr 1893 steht, ist ungewiss. «Hierzu liess sich kein besonderes Ereignis finden, das eindeutig mit der Lorzennutzung in Zusammenhang steht», räumt Renato Morosoli ein. 1904 schliesslich die letzte Zahl auf dem einen Stein – markiert den Abschluss der Lorzenkorrektion durch die Verbauung zwischen dem Seeausfluss und der Schwelle bei der Oberen Brücke. Mit Vollendung dieser Arbeiten waren die Voraussetzungen für die weitere Gestaltung geschaffen, namentlich die Anlegung der Parkanlage Birkenwäldli gleich beim Flussaustritt sowie der Bau des schmucken Bogenbrüggli. Dieses wurde 1908 fertiggestellt. Der grosse Steinquader mit der Chronologie wurde – so wird vermutet – beim Abschluss der Lorzenverbauung anno 1904 um den zweiten Stein vergleichbarer Grösse ergänzt. Dieser weist drei Wappen auf: dasjenige von Unterägeri, das Wappen der Fabrikantenfamilie Henggeler sowie dasjenige der Gemeinde Baar. Nach ihrer Entdeckung wurden die beiden Steinquader von der Gemeinde Unterägeri für die Öffentlichkeit beim Bogenbrüggli aufgestellt. Sie ruhen je auf einem Betonsockel, eine Infotafel erklärt die Hintergründe der beiden Zeitzeugen.
Obschon die gefundenen Inschriften aus historischer Sicht kaum Bedeutung haben alles, was darauf vermerkt ist, war ja bekannt –, sind sie jedoch «eine attraktive Erinnerung an die Geschichte der Lorzennutzung und -verbauung seit dem Mittelalter», erklärt Renato Morosoli würdigend. (Andreas Faessler)
HinweisMit «Hingeschaut!» gehen wir wöchentlich mehr oder weniger auffälligen Details mit kulturellem Hintergrund im Kanton Zug nach.