Orgelwerke aus fünf Jahrhunderten

Musik

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Am zweiten Konzert der Internationalen Zuger Orgeltage spielte die estnische Virtuosin Ines Maidre in der Klosterkirche Frauenthal ein abwechslungsreiches Programm – darunter eine spannende Eigenkomposition.

  • Begeisterte in der Klosterkirche Frauenthal ein zahlreiches Publikum: Die estnische Organistin Ines Maidre interpretierte Orgelliteratur aus mehreren Epochen. (Bild Jakob Ineichen)
    Begeisterte in der Klosterkirche Frauenthal ein zahlreiches Publikum: Die estnische Organistin Ines Maidre interpretierte Orgelliteratur aus mehreren Epochen. (Bild Jakob Ineichen)

Zug – Die «Corona-Besetzung» mit leeren Reihen und Zwischenplätzen ist unterdessen schon halb Routine. So füllte ein Publikum von rund 60 Leuten die Klosterkirche Frauenthal fast bis auf den letzten effektiv verfügbaren Platz. Acht verschiedene Komponisten bildeten die lange Brücke von der Frühzeit der Orgelmusik bis in die gemässigte Moderne.

Als ältestes Werk erklang die im Jahre 1512 veröffentlichte Bearbeitung eines Marienliedes von Arnold Schlick. Der lebhafte dreistimmige Satz richtete sich offensichtlich bereits an eine 2-manualige Orgel mit selbstständigen Pedalregistern. Zu Recht vorangestellt wurde aber die Partita von Georg Böhm (1661-1733) über den Choral «Herr Jesu Christ dich zu uns wend». In diesem viel monumentaleren Werk erklang immer gut hörbar die Grundmelodie mit sechs Variationen in verschiedenen Tonhöhen und mit wechselnden Begleitstimmen. Die Registrierung sorgte für ausreichenden Kontrast; sie blieb aber innerhalb der einzelnen Variationen stets unverändert. Wenig durch die Klangfarben hervorgehoben war die Choralbearbeitung von Johann Sebastian Bach «An Wasserflüssen Babylons».

Voller Einsatz der Zungenregister

Trotz relativ kleiner Orgel gelang Ines Maidre mit dem Werk von Dietrich Buxtehude ein klarer Kontrast. Erstmals wurden die Zungenregister voll eingesetzt, was dem Werk zusätzliche Feierlichkeit schenkte. Die drei Teile Präludium, Fuge und Ciacona näherten sich damit über die kompositorischen Gemeinsamkeiten hinaus auch im Klangbild.

Der zweite Teil des Programms brachte ebenfalls vier verschiedene Komponisten: Ralph Vaughan Williams (1872-1958), Alfred Karindi (1901-1969), Reidar Sløgedal (geb. 1963) so wie die Interpretin selbst. Die Kompositionsstile standen sich aber relativ nahe; sie bewegten sich zwischen Spätromantik und Einstieg in die Moderne. Da Olivier Eisenmann, künstlerischer Leiter der Zuger Orgeltage, den ausländischen Organisten immer wieder vorschlägt, auch Komponisten ihrer Heimat zu berücksichtigen, hörten die meisten Besucher wohl die Stücke des zweiten Teils zum ersten Mal. Das Wiegenlied des Estländers Karindi bewegte sich in klarer Tonalität voll im romantischen Bereich. Kurze Sätze des Norwegers Sløgedal bezogen sich als Konzertschluss auf einen bei uns allerdings unbekannten Choral. Damit war aber ein klarer Bezug zu den Variationen des Konzert-Auftakts geschaffen.

Eigenwerk über einen gescheiterten «Helden»

Besonderes Interesse verdiente natürlich die Eigenkomposition von Ines Maidre. Unter dem Titel des lettländischen Volksliedes «Wehe Windchen» entstand durch den ausgiebigen Gebrauch des Schwellers ein richtiger Sturm, welcher aber für den weiteren im Begleitheft abgedruckten Text durchaus angemessen erschien. Dieser handelte nämlich von enttäuschter Liebe, welche nachher in Alkoholexzessen ertränkt wurde. Bei einmaligem Anhören war eine deutliche Zweiteiligkeit festzustellen. In leicht erweiterter Tonalität wurde zeitweise sogar das auf der Orgel unausführbare Glissando zwischen den einzelnen Tönen vermisst. Später dominierten härtere rhythmische Strukturen, welche bei wörtlicher Interpretation die Hochzeitsvorbereitungen des unterdessen mittellosen «Helden» andeuteten. Als Zugabe brachte die Organistin noch eine mehr volkstümliche moderne Bearbeitung des altkirchlichen «Veni creator spiritus».

Vom Virusproblem merkte man während des Konzerts nicht viel; aber es hat zu einem Personalwechsel für das nächste (dritte) Konzert geführt: Weil die US-Bürgerin Gail Archer nicht ausreisen darf, wird sie – mit anderem Programm – durch den Italiener Mario Verdicchio ersetzt. Ort und Zeit unverändert: Sonntag, 18. Oktober, um 19 Uhr in der Pfarrkirche Bruder Klaus in Oberwil. (Jürg Röthlisberger)