Eine romantische Interpretation

Musik

,

Das Publikum erlebte eine romantisch geprägte Deutung von «Stabat Mater» unter der Leitung von Philipp Schmidlin mit dem Chor Audite Nova, der Philharmonie Südwestfalen und vier Vokalsolisten.

  • Der Chor Audite Nova singt Antonín Dvořáks «Stabat Mater» in der Pfarrkirche Unterägeri. Mit dabei ist die Philharmonie Südwestfalen.Bild: Stefan Kaiser (17. 3. 2024)
    Der Chor Audite Nova singt Antonín Dvořáks «Stabat Mater» in der Pfarrkirche Unterägeri. Mit dabei ist die Philharmonie Südwestfalen.Bild: Stefan Kaiser (17. 3. 2024)

Unterägeri – Seit knapp einem Jahr leitet Philipp Schmidlin nun den Chor Audite Nova Zug; in der am Sonntag vollbesetzten Kirche Unterägeri erklang sein zweites Programm. Schon nach dieser kurzen gemeinsamen Wegstrecke kann man feststellen, dass der neue Dirigent die bekannten Qualitäten des Chores bewahrt und angemessen weiterentwickelt hat. Die gründliche Vorbereitung manifestierte sich nicht nur in der sicheren Beherrschung des stimmtechnisch und musikalisch in gleicher Weise anspruchsvollen Notentexts. Auch in relativ grosser Distanz zum Publikum zuhinterst im Chorraum überzeugten eine klare Diktion und eine tadellose Intonation – in Klangballungen genauso wie bei vielstimmigen unbegleiteten Piano-Stellen, vom ersten Einsatz des zu Beginn solistisch geführten Chortenors bis zu den extremen Spitzentönen, welche vor allem der Sopran immer wieder zu leisten hatte.

Wie schon Lion Gallusser bei der Konzerteinführung erläuterte, entstand das «Stabat Mater», Opus 58 von Antonín Dvořák einesteils aus dem persönlichen Leid durch den Verlust dreier Kinder in nur zwei Jahren, andernteils durch die Hoffnung auf zusätzliches Publikum in der Fastenzeit, als die Opern-Aufführungen in den katholischen Ländern damals noch verboten waren. Tatsächlich fand das «Stabat Mater» sofort Anklang bei breiten Bevölkerungsschichten. Es machte den Namen des Komponisten weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt, was Dvořák später Konzertreisen und Lehraufträge bis nach Amerika ermöglichte.

Die Wahl der Südwestfälischen Philharmonie als ausländisches Orchester führte automatisch zu einer sehr kurzen gemeinsamen Probezeit. Das war ein Stück weit der Schwachpunkt der ganzen Aufführung.

Das Gesamtkonzept war stimmig

Während sich Streicher und Holzbläser mit sauberem Zusammenspiel gut in den Gesamtklang einfügten, hatte man den Effekt der Akustik auf den Klang der Blechbläser etwas unterschätzt. Die Solisten verfügten bestimmt nicht über zu kleine Stimmen für diesen Kirchenraum, aber besonders in den Ensemble-Stellen wurden sie bisweilen übertönt.

Das Gesamtkonzept stimmte in sich. Philipp Schmidlin fand den Mittelweg zwischen der vom liturgischen Text her vorgegebenen Grundstimmung und der oft stark aufbrausenden Dynamik, welche in unterschiedlicher Weise die einzelnen Sätze prägte. Trotz grosser räumlicher Distanz wirkte der Zusammenhalt zwischen den Solisten und dem Chor stets souverän und stilgerecht, selbst an jenen Stellen, wo die Einsätze eng miteinander verflochten waren. Die vier jungen Solisten mussten eigentlich beides leisten: feinen lyrischen Nachvollzug neben dramatischen Einsätzen zu einem fast immer in voller Besetzung mitspielenden Orchester.

Eine anspruchsvolle Aufgabe für die vier Solisten

Mit angenehm timbrierter und auch in extremer Höhe geschmeidiger Stimme gestaltete Goar Badalian den Sopranpart. Die Altistin Freya Apffelstaedt fand alle Ausdrucksebenen von dramatischer Gestaltung auch in der Tiefe bis zu mehr begleitenden Sequenzen. Die kultivierte lyrische Gestaltung des Tenors Luca Bernard liess sich nicht beliebig nach der Höhe fortsetzen; als Heldentenor stiess er auch mit der Intonation gelegentlich an Grenzen. Jonas Jud mit in allen Lagen voluminösem und klarem Einsatz erscheint als Versprechen für die Zukunft. Schade, dass ein forcierter Bläsereinsatz gerade seine schönste Stelle im Quartett des zweiten Satzes überdeckte.

Nach einem Moment der Stille dankte das Publikum mit lang anhaltendem und intensivem Applaus. Das «Stabat Mater» von Dvořák ist eines der geistlichen Werke des 19. Jahrhunderts, das sich auch im Kanton Zug neben den vielen Vertonungen des gleichen Textes vom Gregorianischen Choral bis zu den Experimenten der Gegenwart vollgültig behaupten kann. (Text von Jürg Röthlisberger)