Kunst und Wissenschaft im Fluss

Dies & Das

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Wie gehen wir mit Ressourcen um? Wie lassen sich Dürren, Überschwemmungen vermeiden? Mit solchen Fragen beschäftigt sich ein Kunstkollektiv für eine Ausstellung in Cham – und holt dabei auch die Wissenschaft ins Boot.

  • Wissenschaft und Kunst machen sich bei diesem Projekt gerne die Hände schmutzig. (Bild: ZvG)
    Wissenschaft und Kunst machen sich bei diesem Projekt gerne die Hände schmutzig. (Bild: ZvG)

Cham – Dieser Artikel erschien in der Juni-Ausgabe 2025. Hier geht es zu den weiteren Artikeln. 

 

Ein Chamer Spielplatz, der aufgrund zu hoher Werte der «ewigen Chemikalie» PFAS geschlossen werden muss. Ein Zugersee, indem sich die Quaggamuschel auszubreiten beginnt und damit das ökologische Gleichgewicht gefährdet. Ein Hagelsturm, der über den Kanton braust und grosse Schäden verursacht.
Das Ökosystem, in dem wir leben, ist eine fragile Angelegenheit. Zu spüren bekommen wir Menschen das mittlerweile sehr direkt. Wie wir deshalb in Zukunft mit unseren Böden, unserer Luft, unserem Wasser umgehen möchten, ist eine Frage, die nicht nur das Individuum, die Wissenschaft und die Politik beschäftigt. Sondern auch die Kunst. Dass dabei auch Verbindungen zwischen den verschiedenen Sparten sinnvoll sind, zeigt ein Kollektiv von fünf Künstlern und Künstlerinnen, die im kommenden Herbst die Ausstellung «Future Water – Future Soil» in der Papieri Cham gestalten.
Im Ausstellungsraum der Maschine 17 trifft Kunst während eines Monats auf Wissenschaft. Was zunächst abstrakt klingt, wird von den fünf Kunstschaffenden Ursula Palla, Dorothea Rust, Sandro Steudler, Barbara Bietenholz und Jill Scott sicht-, hör-, riech- und fühlbar gemacht.
Kennengelernt haben sich die fünf Kunstschaffenden im Gleis 70, einer Ateliergenossenschaft in Zürich-Altstetten, in dem sie arbeiten. Bereits in der Vergangenheit haben sie gemeinsam zum Thema Ökologie ausgestellt. Zuletzt im SAE Greenhouse der ETH Zürich, wo sich 18 Künstler*innen mit der Zukunft von Pflanzen befassten.

 

Die Spuren im Ökosystem
Die gebürtige Zugerin Dorothea Rust ist in Performance und Kunst beheimatet. Sie befasst sich in ihrer Arbeit mit der Boden-Erde und insbesondere damit, was darin verborgen liegt und von blossem Auge nicht sichtbar ist. Dafür steht sie in Verbindung mit der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Gemeinsam mit Ursula Palla, die sich auf die Libelle konzentriert, Sandro Steudler mit dem Fokus Kalk und Barbara Bietenholz, die sich der Zellulose annimmt, wird durch alle Beteiligten ein anderer Fokus gelegt.
Damit das Konzept, die Verbindung zwischen Kunst und Wissenschaft, greifbarer wird, lässt uns die Kunstschaffende Jill Scott, die Fünfte im Bunde, in ihre Arbeit eintauchen. Quasi wortwörtlich, denn in ihren kommenden Projekten befasst sie sich insbesondere mit dem Thema Wasser.

 

Die grossen Fragen
Dass Kunst und Wissenschaften zusammengehen, ist für Jill Scott schon lange eine Selbstverständlichkeit. Bereits seit den 90ern arbeitet die gebürtige Australierin und emeritierte Professorin mit Neurowissenschaftern, Ökologen und Soziologen. Sie gründete 2002 das «Artists-in-Labs Residency»-Programm an der Zürcher Hochschule der Künste.
«Wir Menschen stecken in einem Dilemma», erklärt sie im Gespräch, «denn wir passen nicht wirklich ins Ökosystem, obwohl wir Teil des grossen Ganzen sind. Wie alle Wesen produzieren und konsumieren wir zwar, doch anders als Tiere zersetzen wir nicht. Stattdessen hinterlassen wir grosse Spuren, die dem Ökosystem mehr Schaden zufügen als Nutzen.»
Scott stellt sich in ihrer Arbeit den ganz grossen Fragen: Wie können sich Wasserzyklen regulieren? Wie kann Wasser gereinigt werden, und wie lassen sich sowohl Hochwasser als auch Dürre vermeiden? Ebenfalls widmet sie sich der Frage, was der Verlust von Biodiversität für den Menschen bedeutet. Diese grossen, schwierigen Themen bricht Scott herunter, zersetzt sie, macht sie greifbar. Wortwörtlich. Denn Jill Scott lässt die Ausstellungsbesucher*innen gerne selber machen. «Es wird damit leichter, mit den Themen in Verbindung zu treten.» 
Ein Beispiel: Eines ihrer Werke besteht aus zwei nebeneinanderstehenden, Arbeitsstationen, an denen die Besucher*nnen Proben wie an einem Mikroskop in Petrischalen untersuchen können. Eine Flosse eines Zugersee-Eglis etwa, oder aber einen Frosch. Sobald die Probe unter der Lupe liegt, erscheinen Informationen auf einem grossen Bildschirm davor. Doch nur wenn sich die beiden Menschen an den einzelnen Arbeitsstationen berühren, erscheinen wertvolle zusätzliche Informationen und Geschichten.
Jill Scott mag solche Metaphern. «Nur durch unser gemeinsames Tun können wir etwas bewegen. Kommt dazu, dass sich der Stromkreis nur deshalb schliessen kann, weil der Mensch zu einem grossen Teil aus Wasser besteht.» Heraus aus dem Labor, und wieder mitten ins Künstler*innenkollektiv, das ab Oktober in Cham ausstellen wird.
Für die Erarbeitung gemeinsamer Projekte hat sich dieses zum Verein ec(h)o/art zusammengetan. «Dieses Format, die Verbindung von Kunst und Wissenschaft, gibt es bisher noch nicht auf diese Art», sagt Vereinspräsident Urs Rust, der Bruder der Künstlerin Dorothea Rust. Für beide ist die kommende Ausstellung umso bedeutsamer, da sie im Kanton Zug aufwuchsen. Urs Rust lebt nach wie vor dort und ist in der hiesigen Kulturszene bestens vernetzt. Fürs kommende Projekt ist das wichtig. «Die Papieri in Cham liegt nicht sonderlich zentral und auch der Ausstellungsraum ist bisher nicht als solcher bekannt», so Dorothea Rust. Doch das gehört zum Konzept des Vereins. «Wir suchen für unser Anliegen dezentrale Orte, von denen aus wir aktiv auf die Bevölkerung zugehen können», erklärt die Kunstschaffende.
Urs Rust betont: «Uns ist es wichtig, dass die Ausstellung kein Fingerzeig wird, sondern dass die Leute auf eine niederschwellige Weise aufs Thema aufmerksam gemacht werden.» Seine Schwester ergänzt: «Das kann auch auf einer anderen Ebene passieren als rein auf der intellektuellen. Mein Hintergrund ist Tanz. Meine Herangehensweise in künstlerischen Arbeiten ist deshalb körperlich-somatisch. Es geht dabei stark auch um Eigenwahrnehmung. Wie riecht, sieht, spürt man?»

 

Kein Anspruch auf Abschluss
Um auf verschiedenen Ebenen wirken zu können, wird die Ausstellung in der Papieri nicht nur aus einem klassischen Ausstellungsteil bestehen. Ein wichtiges Element von «Future Water – Future Soil» sind etwa die geplanten Workshops. «Während der Woche arbeiten wir mit Schulklassen, an den Wochenenden wird es Workshops für Erwachsene geben», sagt Rust. Ebenfalls werden Wissenschafter*innen im Rahmen von sogenannten Lasertalks Inputreferate halten, daneben sprechen die Kunstschaffenden über die Prozesse ihrer künstlerischen Arbeiten. Danach wird es an runden Tischen die Möglichkeit des Austausches mit der Bevölkerung geben. «Dabei geht es auch darum, spekulativ über Lösungen nachzudenken. Denn nicht nur in der Kunst, sondern auch in der Wissenschaft muss man zuweilen spekulieren, um auf Lösungen zu kommen», so Dorothea Rust. «Was dabei entsteht, wissen wir nicht. Wir hoffen jedoch, dass die Leute getriggert und aufmerksam werden auf die ökologischen Probleme unserer Zeit.»
Den Anspruch, abschliessende Antworten liefern zu können, haben die Kunstschaffenden nicht. Urs Rust sagt: «Vielmehr werden Besuchende die Ausstellung wohl mit sehr vielen neuen Fragen verlassen.»

 

Text: Valeria Wieser