Von der letzten in die erste Reihe

Musik

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Marlou Bolg, die seit kurzem in Unterägeri lebt, sang sich bei einer Castingshow in die erste Runde.

  • Das Birkenwäldli in Unterägeri am See: Marlou Bolgs Lieblingsplatz. (Bild Stefan Kaiser)
    Das Birkenwäldli in Unterägeri am See: Marlou Bolgs Lieblingsplatz. (Bild Stefan Kaiser)

Unterägeri – Bahnhof Zürich, Dezember 2018. Im Rahmen des «Night Shopping» tritt die Gruppe Mixed Flames, bei der auch die heute 23-Jährige Marlou Bolg mitwirkt, auf. In der Pause ihres Sets wechselt sie wie immer ein paar Worte mit Leuten aus dem Publikum. Zufälligerweise (wer weiss?) befindet sich unter ihnen auch ein Mitarbeiter des Schweizer Fernsehsenders 3+, der privat unterwegs ist. Er spricht Bolg an und meint, sie würde ganz gut in ein «gewisses Format» passen. Gemeint war die dritte Staffel von «The Voice of Switzerland» – die bisher von SRF produziert wurde. Heute Abend, etwas mehr als ein Jahr später, wird die erste Folge ausgestrahlt.

Wenige Tage zuvor treffen wir Bolg im Café Maple in Unterägeri zu einem Tee. Sie erzählt, wie sie als Kind deutscher und niederländischer Eltern in Thalwil aufwuchs. Erst vor zirka einem Jahr zog sie des Jobs wegen in die Zuger Berggemeinde, an der sie vor allem den See mag. Wenn Bolg nicht gerade singt, nimmt sie morgens mit ihrem E-Bike den Höhenweg zur Sprachheilschule in Angriff. Dort trat sie eine Stelle als Logopädin an, in der sie beispielsweise Kinder unterrichtet, die Mühe mit der Aussprache von «s» haben oder Legastheniker sind. Der Job sei fordernd, aber besonders die ehrliche Art der jungen Menschen schätze sie sehr.

Lange vor dem Job war aber die Musik: Neben Gitarre und Klavier vor allem das Singen, was Bolg früher eher im Kollektiv tat, wie etwa im Kinder- und Jugendchor Thalwil. «Damals war ich eher scheu und versteckte mich», sagt die heute knapp 1,80 Meter grosse Frau. Ihre Gesangslehrerin habe ihr Mut gemacht, öfters einen Solo-Part zu übernehmen und sich bei Zürcher Musikakademien zu bewerben. Schliesslich gelingt ihr nach einem Vorsingen der Sprung in ihre aktuelle Gruppe Mixed Flames. Währenddessen begann Bolg in den letzten Jahren, nebenbei alleine aufzutreten. Auch wenn die Nachfrage nach Musikerinnen und Musikern in der Schweiz kleiner als in grösseren Ländern sei: «Hochzeiten gibt es überall», sagt sie mit einem Schmunzeln.

Mit 16 begann sie ihr Studium

Da sie nicht Gesangslehrerin werden wollte, entschied sich Marlou Bolg dafür, ein mit der Stimme verwandtes Fach zu studieren: Logopädie. Mit einem Sek-Abschluss bewarb sie sich an einer medizinischen Akademie in Deutschland, wo sie, nach erfolgreichem Bestehen der Prüfung, einen Studienplatz erhielt – mit 16 Jahren. Mit ihrem 60-Prozent-Job sei sie heute sehr zufrieden. So müsse sie nicht wie andere Kandidatinnen und Kandidaten extra Ferien für die Show nehmen. Denn die Aufzeichnungen finden jeweils in Köln statt, die Gesangscoachings teilweise auch in der Schweiz.

Zu den Vorrunden, bei denen aus den zahlreichen Anmeldungen die besten herausgefiltert wurden, lässt sich Bolg wegen der strengen Auflagen des Fernsehsenders nur wenige Worte entlocken. Aber: Die Show habe ihr schon jetzt eine enorme Bestätigung gegeben – denn früher sei sie teilweise unsicher gewesen, ob gewisse Komplimente ihrer Stimme oder ihrem Äusseren galten. Gleichzeitig sagt Bolg, die gerne fotografiert und auch beim Fototermin Wert auf ihr Äusseres legt: «Ästhetik begeistert mich.» So mache es ihr Spass, ihren Instagram-Account zu führen, wo man vor allem Bilder von ihr selbst findet. Ausserdem sei sie eine Hobby-Aufräumerin, sagt Bolg selbstironisch: «Die Kleider in meinem Schrank sind alle nach Farbe sortiert».

Beruflich möchte Bolg bald auf das Singen setzen, unabhängig von ihrem Erfolg bei «The Voice of Switzerland». Dieses Jahr noch möchte Bolg ihren ersten eigenen Song veröffentlichen. «Mein grösster Wunsch ist, dass das Publikum ein selbstgeschriebenes Stück mitsingen würde!» Wer schon andere Sing-Castingshows gesehen hat, weiss, dass die Jury genau dies hören möchte. Der Tee ist mittlerweile ausgetrunken. Marlou Bolg macht sich auf den Weg zum Einkaufen. Wenn sie auch die erste Folge übersteht, wird sie bald wieder vor Tausenden von Fernsehzuschauern im Kölner Studio auftreten – und ihrem Traum ein Stück näher kommen. (Fabian Gubser)