«Wunderkind» im Theater Casino

Musik

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Der Kanadier Jan Lisiecki, bekannt für sein poetisches und reifes Spiel, hat viele renommierte Auszeichnungen erhalten, beispielsweise einige der wichtigen kanadischen Preise und natürlich hat der Starpianist auch bereits international für Furore gesorgt.

Zug – Bei so viel Vorschusslorbeeren waren die Erwartungen des Publikums am vergangenen Sonntag beim «Klavierrezital» im vollen Festsaal des Theater Casinos entsprechend hoch.

Mit gut zehnminütiger Verspätung begann der Kanadier noch etwas introvertiert mit Chopins «Zwei Nocturnes» (op. 55). Eine solide Leistung, Chopin ist immer ideal für Klavier – denn der Komponist verstand es wie kaum sonst jemand, äusserst vielschichtig für Klavier zu schreiben.

Keine Experimente bei Chopins Nocturnes

Entsprechend bleibt dem Künstler an den Tasten genügend Raum, diese von Frédéric Chopin bewusst gewollte Vielschichtigkeit nach Gusto auszudrücken. Manche Pianisten versuchen sich bei Chopins Nocturnes regelrecht selbst zu verwirklichen, Jan Lisiecki ging hier keine Experimente ein. Was schade war, denn noch hätte er das Alter dazu – man würde ihm problemlos sein «Grenzen ausloten» verzeihen. Denn bei so viel Potenzial und Können wären kleinere Experimente im Rahmen der Komposition sicher eine Bereicherung; der musikalische Fingerabdruck von Jan Lisiecki war an anderen Konzerten auch schon persönlicher als am Sonntag in Zug.

Auch bei Robert Schumanns «Nachtstücke» (op. 23) gab es keine Überraschungen, der Kanadier spielte wie gehabt solide, geradlinig und ohne spektakuläre Sensationen. Die Interaktion mit dem Publikum war wenig vorhanden, er schien sich ganz seiner Musik hingegeben zu haben. Das wirkte sich wohl positiv auf das Spiel aus, dieses hätte man in dieser Form aber auch zu Hause geniessen können. Erst bei Ravels «Gaspard de la Nuit» taute der junge Musiker auf. Woran dies gelegen hat, ist schwer zu sagen.

Lisiecki polarisiert nicht nur, er schafft es auch, die Jungen für die alten Klassiker zu begeistern. Nach gut einer Stunde dann die Pause, die Gespräche drehten sich selbstverständlich primär um das «Wunderkind» Lisiecki, ob sein Erwachsenwerden für sein Spiel Fluch oder Segen sei und ob «Kind» überhaupt noch angebracht sei. Danach Rachmaninow und nochmals Chopin – die Mehrheit des Publikums war begeistert und zollte dem Künstler mit Applaus gebührenden Respekt. (he)