Fürs Kafi Kirsch nach Steinhausen

Literatur & Gesellschaft, Brauchtum & Geschichte

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Der eben verstorbene Prinz Philip, der Gatte von Queen Elizabeth, war ein begabter Reiter und Wagenlenker. Dies stellte er 1981 in Zug unter Beweis, als er bei den Europameistermeisterschaften im Viererzugfahren die Bronzemedaille gewann.

  • Prinz Philip auf dem Kutschbock: mehr ein Gentleman als ein Sportler. (Bild FEI)
    Prinz Philip auf dem Kutschbock: mehr ein Gentleman als ein Sportler. (Bild FEI)
  • Prinz Philip in Zug im Einsatz: Er gewann mit seinem Team die Bronzemedaille. (Bild Luzerner Tagblatt)
    Prinz Philip in Zug im Einsatz: Er gewann mit seinem Team die Bronzemedaille. (Bild Luzerner Tagblatt)
  • 1981 im Kanton Zug: Hier legt Prinz Philip einen Zwischenhalt in Niederwil ein. (Bild Josef Grob)
    1981 im Kanton Zug: Hier legt Prinz Philip einen Zwischenhalt in Niederwil ein. (Bild Josef Grob)

Zug – Es ist im Jahre 1981, als Prinz Philip, der Gatte von Queen Elizabeth von Grossbritannien, in den Kanton Zug kommt. Viele Zugerinnen und Zuger wollen ihn sehen – rund 50000 sehen ihn! Einige mögen sich daran erinnern.

Der Anlass des englischen Royals für die Reise in die Schweiz ist die letzte Europameisterschaft im Viererzugfahren im August 1981. (Für nicht Rösseler: Ein Viererzug ist eine Kutsche, die von vier Pferden gezogen wird.) Nun nimmt Prinz Philip in doppelter Funktion am Grossanlass teil: Er ist Präsident der FEI (Fédération Equestre Internationale) und gleichzeitig ist er Spitzensportler; ja der Duke of Edinburgh, damals 60-jährig, reist als Weltmeister im Teamwettbewerb des Viererzugfahren an.

Der königliche Kommentar zu Zug

Am 17. August landet kurz vor Mittag die zweimotorige «Queen’s Flight»-Maschine auf dem Militärflugplatz Emmen. Am Steuer sitzt der Prinz himself! Gleich darauf lenkt der Royal den bereitgestellten Range Rover nach Zug zu seinen fünf Pferden, die im Stierenmarkt-Areal untergebracht sind. Kaum dort angekommen, schwingt sich der blaublütige Pferdenarr auf sein Vierergespann und trabt über die General-Guisan-Strasse in Richtung Lorze. Dabei drängen seine Pferde nach links, weil sie von England her Linksverkehr gewohnt sind, doch der Prinz versteht als routinierter Kutschenführer sie auf die rechte Seite zu lenken. Philip wirkt sehr entspannt und fährt für fünf Viertelstunden über die Lorzenebene. Reporter befragen ihn, wie ihm der Kanton Zug gefallen habe? In seiner typischen, undiplomatischen Direktheit – er hat den Übernamen «Prinz Fettnapf» – meint die königliche Hoheit: «Ein bisschen wenig Platz für meinen Geschmack.» Die Pferde kommen zurück in die Stallungen, wo der Prinz jedem von ihnen ein Zückerchen zusteckt und danach beim Ausschirren und Putzen selber Hand anlegt.

Abends fährt der Prinz ins Schloss Freudenberg zwischen Dersbach und Buonas, in den von der Strasse kaum sichtbaren Landsitz am Zugersee. Er gehört damals Sir Douglas und Lady Eleanor Glover-Hürlimann, die schon zuvor die Premierministerin Margaret Thatcher beherbergt haben, die mit den Glovers befreundet ist.

Dass sich der englische Königingatte so frei im Kanton Zug bewegen kann, ist überhaupt nicht selbstverständlich. Denn zwei Jahre zuvor hatte die irische Separatistenorganisation IRA Philips Onkel Lord Mountbatten bei einem Attentat getötet. Als er ein Jahr zuvor mit seiner Gattin Queen Elizabeth die Schweiz bereiste, zeigten bewegte Jugendliche offen ihren Unmut und sprayten «Queen go home» an Hausfassaden. In Amsterdam protestierten nach der Abdankung von Königin Juliana Anarchisten und Hausbesetzer gegen die Oranje-Monarchie. Der Schah von Persien hatte seinen Thron verloren.

Doch vom Knirschen im Gebälk der jahrhundertealten Monarchien ist in Zug nichts zu vernehmen. An den kommenden Tagen vor dem Wettkampf taucht der Prince of Edinburgh am Morgen als Erster auf dem Festgelände auf, aber er verschwindet regelmässig mit seinem Gefährt Richtung Norden. Viele in Zug rätseln, welch geheimen Trainingsplatz der Prinz gefunden habe? Bald sickert er durch, dass er die Gastwirtschaft Löwen in Steinhausen entdeckt hat, wo er sich jeweils einen Kaffee mit Kirsch genehmigt...!

40 Gefährte aus 13 Nationen nehmen an den Wettkämpfen teil. Sie haben sich in den Disziplinen Dressur, Hindernisfahrt und Marathon zu bewähren. Der Prinz hat mit dem Viererzugfahren angefangen, weil er aufgrund von Beschwerden im Handgelenk mit dem Polospiel aufhören musste. «Ich glaubte, dass Fahren den Platz von Polo einnehmen könnte, und so war es. Es war eine grosse Herausforderung, und es hat mir ausserordentlich viel Vergnügen und Befriedigung gegeben.»

Bei der Eröffnungszeremonie in Zug zucken 5000 Menschen auf den Rängen und viele Pferde zusammen, als die Beresina-Grenadiere mit ihren Vorderladern buchstäblich den Startschuss zu der Europameisterschaft geben. Nur Philips Pferde ertragen die Böllerschüsse mit Gelassenheit, schliesslich waren sie kurz zuvor inmitten von Hunderttausenden im Einsatz, nämlich bei der Heirat von Prinz Charles und Lady Diana, die sich jetzt in Schottland in den Flitterwochen befinden – beide in Röcken!

Eine Welle der Sympathie schlug ihm entgegen

Jetzt aber steht Philip im Stadion Herti bei seinen Pferden, «der ob der Sympathiewelle, die ihm entgegenschlug, seine Rührung kaum unterdrücken konnte», wie der Reporter des «Luzerner Tagblatts» festzustellen meint. Am Samstag steht der Marathon auf dem Programm: die Strecke Zug–Steinhausen–Steinhauserwald–Knonau–Niederwil–Maschwanden–Frauenthal–Zug. Auf den 32 Kilometern sind sieben Hindernisse eingebaut. Nicht weniger als 50000 Menschen säumen die Strassen, die vor allem einen sehen wollen: den englischen Prinzen! Er ist standesgemäss gekleidet, in weissem Hemd, mit Lederhandschuhen, Schiebermütze, dunkler Sonnenbrille und Krawatte. Anders als die wagemutigen Ungaren mit ihren feurigen Pferden lenkt Philip sein Gefährt sehr kontrolliert, sodass ein Journalist notiert: «Man hatte das Gefühl, dass hier nicht ein Sportler, sondern ein Gentleman am Werk war.» In Niederwil kontrollieren Fachleute alle Kutschen. Prinz Philip steigt kurz vom Bock, sodass ein echter britischer Prinz den Niederwiler Boden berührt!

Nach der Fahrt durch die Umgebung von Zug kommt es zu einer heiklen Situation: Der mit Abstand populärste Teilnehmer, der englische Prinz, soll gemogelt und eine Abkürzung gewählt haben. Die Jury gerät in die Zwickmühle: Kann sie es sich leisten, das adlige Publikumsmagnet zu verurteilen? Nach langer Beratung kommt sie zum salomonischen Schluss: Der Prinz habe zwar eine Abkürzung genommen, aber er trage keine Schuld daran, denn die Markierung sei nicht präzis gewesen! Der Schweizer Fahrer Christian Iseli ist erzürnt: «Die Engländer finden immer wieder eine Lücke im Reglement, um sich Vorteile zu verschaffen.»

Damit reicht es dem Gentleman zum 10. Platz bei 40 Teilnehmern, und sein britisches Team gewinnt beim Mannschaftswettbewerb die Bronze-Medaille. Prinz Philip und seine Kollegen feiern ihren Erfolg ausgelassen mit einem spontanen Feuer auf dem Gelände des Stierenmarkts, zu dem sie sich im Schneidersitz auf den Boden setzen und Whiskyflaschen im Kreis herumreichen. Zu später Stunde schwingen die Engländer zur Musik von drei Handörgelern die Tanzbeine, auch Prinz Philip ist «ganz ausgelassen und tanzte fast ununterbrochen», wissen die «Zuger Nachrichten».

Die Zugerinnen und Zuger haben ein Faible für das Royale: Als Königin Wilhelmina der Niederlande 1898 inkognito in Zug ankam, standen Hunderte zum Jubeln bereit. Als sich Erzherzog Leopold von Österreich-Toskana 1905 in Zug einbürgern liess, winkte man ihn unbesehen durch. Und jetzt löst Prinz Philip einen Massenauflauf aus: 50000 Personen erleben den weltbekannten Royal!

Die Anwohner der kleinen Tannstrasse in Steinhausen sind stolz: Weil der Prinz zweimal bei ihnen durchfuhr, sollte das für eine Namensänderung reichen. Deshalb montieren die kecken Steinhauser an einem Telefonmast die Tafel mit der Aufschrift «Prinz Philip Street». (Michael van Orsouw)

Hinweis
Der Zuger Autor und Historiker Dr. phil. Michael van Orsouw hat das Buch «Blaues Blut. Royale Geschichten aus der Schweiz» verfasst. Für eine Serie der «Zuger Zeitung» hat er nun Geschichten mit Zuger Bezügen herausgearbeitet, die im Buch nicht oder nur am Rande vorkommen. Michael van Orsouw hat seine royale Serie der «Zuger Zeitung» als Buch herausgegeben: «Königliches Zug» ist für 25 Franken bei info@hellerdruck.ch erhältlich.