Eine Leidenschaft für Kammermusik

Musik

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Seit 30 Jahren prägt das Ensemble Chamäleon die Zuger Musikszene mit Selbsttreue und beachtenswerter Konstanz. Madeleine Nussbaumer, Luzius Gartmann und Tobias Steymans werfen nun einen Blick auf ihr gemeinsames Wirken.

  • Ein eingespieltes Trio, auch wenn Tasten und Saiten einmal ruhen: Cellist Luzius Gartmann, Pianistin und Ensemblegründerin Madeleine Nussbaumer und Violinist Tobias Steymans gönnen sich eine Probenpause (Bild Christian H. Hildebrand)
    Ein eingespieltes Trio, auch wenn Tasten und Saiten einmal ruhen: Cellist Luzius Gartmann, Pianistin und Ensemblegründerin Madeleine Nussbaumer und Violinist Tobias Steymans gönnen sich eine Probenpause (Bild Christian H. Hildebrand)

Cham – Dass solo Rezital nicht der Inhalt ihrer Musikkarriere sein würde, hatte Madeleine Nussbaumer bereits zu Studienzeiten gewusst. Kammermusik lag der Zuger Pianistin vielmehr, was schliesslich ihre künstlerische Tätigkeit im In- und Ausland massgeblich prägte. Ein Konzert zum Neujahr in der Chamer Villette führte anno 1990 zum Entschluss, ein eigenständiges Ensemble ins Leben zu rufen. «Und da war die Form eines Klaviertrios die naheliegendste», sagt Madeleine Nussbaumer rückblickend.

Das erste offizielle Konzert des frisch aus der Taufe gehobenen Ensembles war für den April 1990 angesetzt, doch musste auf die Schnelle noch ein Name für das Trio her, welchem neben der Gründerin zu Beginn der Violinist Jonathan Allen und der Cellist Gerhard Pawlica angehörten. Die Zugerin wollte ihr Trio in kein stilistisches Korsett zwängen, sondern musikalische und formelle Vielfalt leben. Flexibilität und Wandelbarkeit waren die Quintessenz – so wie bei einem Chamäleon. Der Name, er war gefunden.

Jeder hat das Vetorecht

Das Ensemble Chamäleon ist seit Jahren eine der führenden und am längsten bestehenden professionellen Musikformationen ihrer Art in der Region. Fast so lange wie das Ensemble besteht, ist der Cellist Luzius Gartmann, gebürtiger Bündner, mit dabei. 2004 stiess der deutsche Violinist Tobias Steymans hinzu. Die drei Profimusiker sind auf allen Ebenen ein eingespieltes Team, davon zeugen nicht nur ihre Konzertdarbietungen auf top Niveau – auch wenn sie die Tasten und Saiten mal ruhen lassen, herrschen Konsens und Harmonie. Für Diskussionen sorgt höchstens ab und an die Werkwahl. «Jeder von uns hat da ein Vetorecht», sagt Luzius Gartmann und lacht. Unmut aber entsteht kaum, «es gibt eine derart grosse Fülle an Musikliteratur für Klaviertrio, dass wir bisher noch immer Alternativen gefunden haben», führt Tobias Steymans hierzu aus.

Das Ensemble Chamäleon erarbeitet jährlich drei neue Programme, das Repertoire listet über 200 Werke. Um die Programme noch farbiger zu gestalten, wandelt sich das Trio – wiederum dem Namen getreu – ab und an unter Beizug von weiteren Musikern wie Streichern, Bläsern oder Sängerinnen und Sängern zu einem Quartett oder Quintett, was die Möglichkeiten der Programmgestaltung exponentiell erhöht. «Mit Gastmusikerinnen oder -musikern entsteht jeweils eine ganz andere Dynamik», sagt Madeleine Nussbaumer.

Der naturgegebenen Wandelbarkeit eines Chamäleons entspricht auch die Werkliste des Zuger Ensembles – kaum Grenzen sind gesetzt, «solange die Stücke unsere qualitativen Ansprüche erfüllen», betont Madeleine Nussbaumer. Die Musik dürfe das Publikum jedoch weder über- noch unterfordern. Und was das Publikum erwartet und schätzt, haben die drei in all den Jahren intensiv ausgelotet. Die Konzertprogramme zeichnen sich jeweils durch eine grosse Ausgewogenheit aus. Neues, Ungewohntes erhält mit populäreren Beiträgen stets ein Gegengewicht.

Bezüglich Musikliteratur gibt sich Madeleine Nussbaumer als stetig Suchende. Sie spürt verborgene Perlen auf, selten Gehörtes, Unerwartetes... Dass das Ensemble Chamäleon in all den Jahren eine Menge Musik nach Zug gebracht und die Szene belebt und bereichert hat, darüber sind die Musiker mit Fug und Recht stolz. Und Madeleine Nussbaumers Faible für das Besondere sind mehrere Schweizer Uraufführungen durch das Zuger Ensemble zu verdanken. Darunter zwei Trios des US-Komponisten Stanley Silverman (*1938). Diese haben die drei gleich ab den handschriftlich abgefassten original Notenblättern gespielt. «Das hat uns wahrlich gefordert», erinnern sie sich. Und bei der Aufführung sass der beeindruckte Komponist gleich höchstpersönlich im Publikum. Eine von vielen bleibenden Episoden in der Geschichte des Ensembles.

Die wenigen Proben sind intensiv und ausgiebig

Die grösste Herausforderung für das Ensemble jedoch besteht nicht primär in der Auswahl und Schwierigkeit der Musikliteratur, sondern in der Koordination der Proben. Diese finden hauptsächlich in Madeleine Nussbaumers Zuhause in Cham statt. Luzius Gartmann wohnt am Zürichsee, das ist so weit gut planbar, Tobias Steymans aber reist jeweils aus München an, wodurch sich die Terminierung nicht einfach gestaltet. «Deshalb sind unsere Proben nicht viele an der Zahl, dafür umso intensiver und ausgiebiger», sagt Luzius Gartmann. Noch schwieriger wird es, wenn Gastmusiker von auswärts dazu stossen, aber man findet stets Wege.

Waren es früher wechselnde Auftrittsorte wie unter anderem das Zuger Rathaus, die Villette oder der Lorzensaal in Cham, so hat das Ensemble vor Jahren die Gewürzmühle als geeignetsten Raum für sich entdeckt, welcher in Grösse und akustischer Eigenheit gute Voraussetzungen bietet. «Leider gibt es in Zug bislang keinen Raum, der sich explizit für das Aufführen von Kammermusik eignet», bedauert Madeleine Nussbaumer. Ohnehin sei es für kleine Formationen wie das Ensemble Chamäleon generell eine fordernde Aufgabe, langfristig zu existieren. «Eine Konzertveranstaltung auf eigene Faust auf die Beine zu stellen, bedarf viel mehr, als man von aussen wahrnimmt», erklärt die Musikerin, welche zudem auch für das traditionelle Zuger Sommerklänge-Festival verantwortlich zeichnet. Da läppere sich an Kosten allerhand zusammen; für ein einziges Konzert sei mit Auslagen in fünfstelliger Höhe zu rechnen.

Schlussspurt fürs Jubiläumskonzert

Und doch klappt es seit drei Jahrzehnten ohne nennenswerten Unterbruch, was vor allem dem ungebremsten Fleiss, der grossen Spiellust und einer grundlegenden Freude an der Musik der drei Profimusiker zu verdanken ist.

So steht auch das Jubiläumskonzert am kommenden Sonntag, 1. März, in der Gewürzmühle in der Tradition der Ausgewogenheit: Ab 17 Uhr spielt das Trio Werke von Claude Debussy, Jean Françaix, Paul Schönfeld und Antonín Dvořák. (Andreas Faessler)

Hinweis
www.ensemblechamaeleon.ch