Moderator auf «Umwegen»

Literatur & Gesellschaft

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Der SRF-Moderator Röbi Koller (60) wuchs zu grossen Teilen in Zug auf. Er erinnert sich gerne an diese Zeit. Auch wenn er damals regelmässig Angst hatte.

  • SRF-Moderator und Buchautor Röbi Koller. (Bild PD)
    SRF-Moderator und Buchautor Röbi Koller. (Bild PD)

Zug – Sie sind in Zug aufgewachsen, diese Jahre beschreiben Sie auch in Ihrem Buch. Erzählen Sie uns von dieser Zeit.

Wir wohnten zuerst in Cham, dann lebte ich mit meinen Eltern ab 1970 in Zug. Gewohnt haben wir an der Steinhauserstrasse, kurz vor der Abzweigung zur Schochenmühle. Das war damals noch am Stadtrand, auf dem Schulweg roch es bei der Gewürzmühle nach Anis oder Curry. Ich habe sehr gute Erinnerungen an diese Zeit. Es ist ja so, dass der Ort, an dem man seine Jugend verbringt, sich zum Beispiel zum ersten Mal verliebt oder zum ersten Mal einen über den Durst trinkt, ein ganzes Leben lang in spezieller Erinnerung bleibt. Ich komme also immer gerne hierher zurück. Meine Eltern, meine Geschwister und einige Freunde leben ja auch noch in Zug.

Sie berichten auch ausführlich über Ihre Zeit als Taxifahrer im Zug der Siebzigerjahre. Gibt es unvergessliche Anekdoten aus dieser Zeit?

Ja, da gab es diesen einen Stallknecht aus Walchwil, der sich nach seiner Beizentour immer wieder nach Hause fahren liess, völlig betrunken. Er drohte mir oft und spielte mit den Muskeln. Dass ich Angst bekommen habe, fand er lustig. Wenn wir – irgendwo zwischen Zug und Arth – beim Feldweg angekommen waren, der zum Hof führte, stieg er aus und rüttelte wie wild am Auto. Ich mag mich auch gut daran erinnern, wenn man am Abend in eine Beiz kam, um jemanden abzuholen und alle gut angeheitert waren, nur ich war nüchtern. Da zeigen sich die verschiedensten Ausprägungen: Die einen werden liebenswürdig und die anderen werden oder bleiben arrogant. Kurz: Man lernt das Nachtleben mal von der anderen Seite kennen.

Wie hat sich Zug seit dieser Zeit für Sie verändert?

Zug ist seither stark gewachsen und hat etwas Grossspuriges bekommen. Eine Veränderung, die sicherlich nicht gut ist, ist die Preisexplosion: Wohnungen sind für Einheimische zum Teil nicht mehr bezahlbar. Doch der Kern ist stabil geblieben, konnte sich bewahren. Einige der Menschen, die hier aufgewachsen sind, engagieren sich noch immer, sei es in Sport- oder Kulturvereinen. Viele der ausländischen Arbeitnehmer, die auch zur Veränderung der Stadt beitragen, bleiben meist nicht so lange und tun nicht viel für die Gemeinschaft.

 

Was gefällt Ihnen sonst noch an der Stadt und am Kanton?

Nach wie vor sehr gut gefällt mir die Altstadt oder die Seepromenade, hier hat Zug etwas Liebliches. Auch der Zugerberg ist toll, etwa für Ausflüge oder Velotouren.

Sie leben und arbeiten in Zürich. Wie oft sind Sie noch in Zug anzutreffen?

In letzter Zeit oft: Ich gehe jeden Freitag zu meinen Eltern und koche «Zmittag». Sie wohnen immer noch an der Steinhauser­strasse. Ausserdem bin ich auch im Vorstand des Vereins Zuger Übersetzer. Auch darum bin ich regelmässig hier.

In Ihrem Leben gab es aber auch immer den Drang, die Welt zu bereisen. Sie schreiben in Ihrem Buch: «Ich war an Orten auf dieser Welt, wo kaum je ein Tourist hinkommt.» Wo zum Beispiel?

Ich bin seit zwölf Jahren Botschafter von Comundo. Das ist die frühere Bethlehem-Mission in Immensee. So habe ich Projekte auf der ganzen Welt besucht, etwa in Slums, wo Touristen nichts verloren haben. Eindrücklich waren die Besuche von Projekten in Kolumbien, Ecuador oder Kenia. 

Kommen wir noch zu einem aktuellen Thema in der Schweiz: Was sagen Sie zur No-Billag-Initiative?

Für mich ist das die fundamentalste Abstimmung, die ich erlebe, seit ich stimmberechtigt bin. Ich bin nicht nervös wegen meiner Sendung, es geht auch nicht um einzelne Sendungen, sondern um einen unabhängigen, nicht von Werbekunden beeinflussten Journalismus. Es geht um die Solidarität mit den anderen Sprachregionen, um Sportberichterstattung, Kulturförderung und um einiges mehr. Ich denke, die Leute müssen informiert werden, damit sie wissen, was auf dem Spiel steht. Bei einer Annahme gäbe es etwa SRF1 nicht mehr – dessen sind sich viele gar nicht bewusst! Darum sollte man diese Initiative deutlich ablehnen. (Livio Brandenberg)

Hinweis
Morgen Sonntag um 18 Uhr liest Röbi Koller in der Chollerhalle aus seinem neuen Buch «Um­wege». Willkommen sei auch jeder, der mit ihm auf seinen 60. Geburtstag von dieser Woche anstossen möchte.