Mit WC-Rollen & Co. die Routine im Alltag durchbrechen

Kunst & Baukultur

,

Die Künstlerin Elvira Meierhans-Sax gibt Haushaltsobjekten eine neue Bedeutung. Ihre Ausstellung ist im Kunst Kiosk Baar zu sehen.

  • Elvira Meierhans-Sax liess sich für ihre Kunstwerke vom Leben inspirieren. (Bild Stefan Kaiser)
    Elvira Meierhans-Sax liess sich für ihre Kunstwerke vom Leben inspirieren. (Bild Stefan Kaiser)

Baar – Was zunächst wie ein technischer Entwurf aus einem pharmazeutischen Labor aussieht, sind in Wahrheit rund aneinandergereihte, grüne Zahnbürsten, die in mehreren Variationen verschiedene Muster annehmen. So werden sie zur «Rennstrecke», zum «Blumenstern» oder zur «Feder» arrangiert. Gleich gegenüber, auf dunklem Hintergrund verknüpfte, silbrig-schimmernde Stahldrähte.

Das Material? Stahlknäuel aus dem täglichen Haushalt, die zum Reinigen verwendet werden. Als Ganzes bilden sie mit Holznadeln, Styropor und Holz die «Vernetzung grenzüberschreitend». Was auf den ersten Blick wie fremde Objekte erscheint, sind in Wahrheit kaum wegzudenkende Gegenstände des täglichen Lebens. Elvira Meierhans-Sax will mit ihrer Ausstellung die Wiederholung, das Gewohnte auf den Kopf stellen, durch das Weglassen von Gegenständen deren Wichtigkeit hervorheben. Und vielleicht auch das Publikum dazu anregen, mehr über Enthaltsamkeit nachzudenken, und das, was wir haben, wieder zu schätzen lernen.

Angeregt durch eine Wende in ihrem Leben

Die im Jahre 1954 geborene Künstlerin sammelte während ihrer Abschlüsse an der Kunstgewerbeschule Luzern und der Hochschule der Künste in Zürich bereits Erfahrung in textiler Gestaltung und Modellieren. Mit Farben und Formen beschäftigte sie sich auch während ihrer Zeit als Ausstatterin am Gastspieltheater Zürich. «Die grosse Wende kam Mitte 40. Ich war lange Zeit alleinstehend und begann dann ein Leben als dreifache Mutter und Ehefrau», erinnert sie sich. Diese Umstellung verleitete sie dazu, über ihren neuen Alltag nachzudenken, auch die klassische Rolle der Frau unter die Lupe zu nehmen. «Die neuen Kunstobjekte sind Früchte aus dieser Zeit. Ich habe mich damals auch sehr mit der Rollenverteilung auseinandergesetzt», sagt sie.

Die Familie habe sie während ihrer künstlerischen Entfaltung stets unterstützt. Einen besonderen Einblick in ihr privates sowie seelisches Leben wirft das «Bildertagebuch», eine Reihe von Zeichnungen und Gedanken auf Küchenrollen, die 2013 während einer Krankheitsphase entstand. Die Botschaften von Elvira Meierhans-Sax über den Alltag sind auf eine spielerische Art symbolisierte Gegenstände, in denen sich jeder von uns wiederfindet. So erinnern die «Schlagzeilen» zur Pandemie, eine Zusammenfassung verschiedener Zeitungstitel, an die beklemmende und teilweise bizarre Zeit während des Lockdowns. Die Schlagzeilen sind eine nüchterne Erinnerung daran, wie der Alltag auf den Kopf gestellt wurde, und die Pandemie das normale Leben destabilisierte und die Freiheit einschränkte. Ein Leben, das man bis dahin als selbstverständlich empfanden. Kaum wegzudenken waren während des Lockdowns auch WC-Rollen. Obwohl die Skulptur «Sisyphus» damit in Zusammenhang gebracht werden könnte, so kann sie auch vielmehr auf unseren Konsum anspielen. Auf einer Eisenplatte peilen sich hier nämlich zahlreiche, leere Toilettenrollen, verfestigt mit Mörtel. Auch der «Schutzhelm» ist eine Hommage an die Freiheit, ein aus Stahlknäuel, Draht und Leder verarbeiteter Kopfschutz. Der Helm entstand als Symbol des Schutzes, als der Krieg in der Ukraine ausbrach. Tatsächlich sind in der Ausstellung Botschaften zu erkennen, die zum Nachdenken über unser tägliches Leben anregen. «Wem das Brot des Alltags nicht schmeckt, der hat eine verdorbene Zunge», zitiert Meierhans-Sax einen Spruch. Lernen wir also das zu schätzen, was wir als selbstverständlich empfinden, solange wir es haben. (Text von Katarina Lancaster)