Von einer Elfjährigen «eingekleidet»

Kunst & Baukultur, Dies & Das, Vermittlung

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«Wie Würmer oder Spaghetti» – die farbliche Gestaltung des Betonturmes mitten in der Baarer Schulanlage Wiesental war vor drei Jahrzehnetn der Kreativität der Schulkinder zu verdanken.

  • Der 1993 von einer Schülerin gestaltete Betonturm steht mitten in der Schulanlage Wiesental. (Bild Matthias Jurt)
    Der 1993 von einer Schülerin gestaltete Betonturm steht mitten in der Schulanlage Wiesental. (Bild Matthias Jurt)

Baar – Die in den Jahren 1967 bis 1970 an der Lorze errichtete Schulanlage Wiesental in Baar ist angelegt wie ein kleines Dorf – die einzelnen Schulbauten und die Turnhalle gruppieren sich um einen rechteckigen Platz. Mitten auf diesem steht ein Abluftturm aus Beton. Wie ein kleines Monument ragt er schätzungsweise acht bis zehn Meter in die Höhe und ist am oberen Ende mit auskragenden Bauteilen gestaltet, welche seine strengen Formen durchbrechen.

Nachdem das Schulareal Anfang der 1990er-Jahre umfassend renoviert worden war, entschloss sich die Schulleitung, diesen frei stehenden Kamin künstlerisch gestalten zu lassen. Private Sponsoren hatten eigens dafür einen Geldbetrag zur Verfügung gestellt. Der damalige Wiesental-Rektor Urban Bossard machte beliebt, einen Wettbewerb für das Kunst-am-Bau-Projekt nicht unter lokalen Kunstschaffenden auszuschreiben. Vielmehr sollten die Schülerinnen und Schüler, die hier täglich ein und aus gehen, gleich selber bestimmen, wie ihr Pausenplatz-Monument aussehen soll.

Einfach und abstrakt

Im Frühsommer 1993 machten sich die Kinder daran, fleissig Entwürfe zu zeichnen. Während der Sommerferien sichtete eine Jury die vielfältig und bunt ausgefallenen Ideen. Das Gremium setzte sich zusammen aus Behördenmitgliedern, Zuger Künstlerinnen und Künstlern sowie aus dem Zuger Architekten Hanspeter Ammann. Schliesslich fiel die Entscheidung einstimmig auf den Vorschlag der damals elfjährigen Andreia Pinheiro. Überzeugt an Andreias Idee haben die Jury die ausgesprochene Einfachheit und die Abstraktion, welche von ihrem Entwurf ausging. Andreia schlug vor, den grauen Betonturm mit schlanken Farbstreifen «einzukleiden». In Blau und Orange sollen diese – in steilem Winkel angelegt – den gesamten Turm vom Boden bis zur Kante umspielen.

«Wie Würmer, welche die Wände hochkriechen, oder einfach Spaghetti», beschrieben die Kinder Andreias Entwurf und bewiesen rege Fantasie. Die Streifen lassen sich – etwas konkreter auf das Objekt bezogen – als Verbildlichung der warmen und kalten Luftströme im Inneren des Turmes interpretieren.

Noch in den Sommerferien 1993 wurde das Projekt ausgeführt, freilich nicht von den Kindern persönlich, sondern von den beiden Künstlerinnen Johanna Näf und Daniela Reimann. Am 10. September 1993 wurde der neu gestaltete Turm im Rahmen einer kleinen Feier in seinem neuen Farbkleid präsentiert. Die kleine Nachwuchskünstlerin erhielt als Preis Malfarben, damit sie ihre Kreativität leben könne.

Bald aus dem Ortsbild verschwunden

Heute, knapp drei Jahrzehnte später, haben Zeit und Witterung ihre Spuren an der künstlerischen Turmgestaltung hinterlassen. Die Farben – vor allem das Orange – sind ausgeblichen und vielerorts berieben. Das Kunstwerk am Bau dürfte in absehbarer Zeit aus dem Ortsbild verschwinden: Die in die Jahre gekommene Schulanlage Wiesental genügt den gewachsenen Ansprüchen nicht mehr, vor allem die stark gestiegene Schülerzahl macht einen Aus- respektive Neubau unumgänglich. Ende November 2021 wird an der Urne über den Baukredit abgestimmt. Im Frühjahr 2022 soll mit den Bauarbeiten begonnen werden. (Andreas Faessler)

Hinweis
In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.