In Genua entsteht ein Zuger Projekt

Kunst & Baukultur

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Die Stadtzuger Kulturkommission hat erstmals einem Mitglied ein Atelierstipendium vergeben. Doch wofür? Anu-Maaria Calamnius-Puhakka stellt ihr Projekt vor, die Kommission äussert sich zu einigen Vorwürfen.

  • Anu-Maaria Calamnius-Puhakka (links) und Regula Spirig planen das Kunstprojekt gemeinsam. (Bild Stefan Kaiser)
    Anu-Maaria Calamnius-Puhakka (links) und Regula Spirig planen das Kunstprojekt gemeinsam. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Der Entscheid der Kulturkommission, eine Person aus den eigenen Reihen mit einem Atelierstipendium zu unterstützen, hat in der Politik Wellen geschlagen (Ausgabe von gestern). Dabei standen überwiegend Vorwürfe gegen den Entscheid im Raum und das ausgezeichnete Projekt rückte in den Hintergrund. Sehr bedauerlich, findet Kommissionsmitglied Seraina Sidler-Tall: «Anu-Maaria Calamnius-Puhakka engagiert sich seit Jahren mit Herzblut für die Zuger Kultur. Dass nun negative Polemik herrscht, ist schade.»

Kulturvermittlerin Anu-Maaria Calamnius-Puhakka ist Finnin und lebt seit zwölf Jahren in Zug. Die 44-Jährige ist Initiatorin des Young Dance Festivals, das sie bereits fünfmal durchgeführt hat. Vom 1. März bis 31. Mai 2020 wird Calamnius-Puhakka in Genua leben und arbeiten. Neben einem Zimmer in einer Wohngemeinschaft kann sie einen Atelierraum nutzen und erhält monatlich 1500 Franken für die Lebenshaltungskosten. Die Zugerin wird in Genua das interdisziplinäre Mediationsprojekt «Cast@home» weiterentwickeln, das sie mit der Zürcherin Regula Spirig entworfen hat.

Brücke zwischen Genua und der Schweiz schlagen

«Wir möchten Kunst und Kultur zugänglicher machen, indem wir sie mit neuen Technologien zu den Menschen bringen und Platz für Diskussionen schaffen», erklärt Anu-Maaria Calamnius-Puhakka. Konkret wollen die beiden Kulturvermittlerinnen eine Veranstaltungsreihe lancieren, die mit Kunstformen – wie Tanz, Schauspiel, Musik, Literatur oder Malerei – aktuelle Themen in der Gesellschaft reflektiert. In Genua möchte Calamnius-Puhakka einen Dialog über relevante Fragen der Kultur beginnen, basierend auf dem Einsturz der Morandi-Brücke am 14. August 2018. «Ich möchte herausfinden, wie die lokale Kunstszene auf die Situation reagiert hat und ob die Tragödie um die Morandi-Brücke bis anhin verborgene Probleme oder Chancen sichtbar gemacht hat», erklärt die Zugerin. Sie wolle zudem Brücken schlagen zwischen den Disziplinen Wirtschaft, Politik und Kultur – und auch Zug und Genua miteinander verbinden. Zuerst wird ein Zuger Künstler für eine Veranstaltung nach Genua eingeladen, woraufhin später ein Künstler aus Genua nach Zug kommt. Nach einer vierteiligen Pilotphase in Zug soll «Cast@home» auf weitere Regionen ausgeweitet werden, zudem sollen internationale Standorte dazukommen.

Auf Vergabe zu verzichten, war nie ein Thema

«Cast@home» ist ein Konzept, das die Kommission einstimmig überzeugt hat. «Anu-Maaria Calamnius-Puhakka leistet einen wertvollen Beitrag in der Kulturvermittlung, indem sie ein aktuelles Thema aufgreift und interdisziplinär Verbindungen zwischen Genua und Zug herstellt», ist Seraina Sidler-Tall überzeugt. Das Projekt habe sich von den anderen eingereichten abgehoben und sie sei – anders als die anderen beiden Bewerber – nie mit einem Atelierstipendium unterstützt worden. Das sieht auch Kommissionsmitglied Dino Sabanovic so. Die Kommission sei sich bewusst gewesen, dass man mit der Entscheidung für ein eigenes Mitglied ein Signal sende, aber Calamnius-Puhakka sei während der Sitzung in den Ausstand getreten. «Alle von uns sechs Kommissionsmitgliedern sind kulturell tätig, darum sitzen wir als Experten ja in der Kommission», sagt Sabanovic, der in Zug als Musiker tätig ist. Fast jeder sei von der Stadt schon finanziell unterstützt worden, nur nicht mittels Atelierstipendium. «Man darf den Aufwand für die Kultur auch würdigen, wenn ihn ein Kommissionsmitglied erbringt», findet auch Sidler-Tall.

Und wieso hat man aufgrund des Interessenkonflikts nicht auf die Vergabe eines Stipendiums verzichtet? Das sei nie Thema gewesen: «Wir wollten Anu-­Maaria Calamnius-Puhakka ein Stipendium vergeben. Sie hat es als Kulturschaffende verdient, unabhängig von ihrer Mitgliedschaft in der Kommission.» (Laura Sibold)