Ein Haus auf Reisen

Dies & Das

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Die Restauration Spillmann entging nur knapp der Vorstadtkatastrophe von 1887. Trotzdem wurde das stattliche Gebäude abgerissen und damit gerettet.

Hünenberg See – Der Kemberghof wirkt irgendwie fehl am Platz. Das baufällige Haus steht einsam am Huobrain oberhalb des Zythus. Würde dort ein typisches Bauernhaus stehen, fiele es kaum auf. Doch der Kemberghof ist eben gerade kein typisches Exemplar dieser Gattung. Hat hier ein Exzentriker seine architektonischen Träume verwirklicht? Diente das Haus einem speziellen Zweck? Ranken sich irgendwelche Legenden um das zusehends verlotternde Gebäude?

 

Es ist nichts dergleichen. Die Erklärung, weshalb der Kemberghof nicht so recht ins Bild passen will, ist eine einfache und doch überraschende: Das Haus stand ursprünglich andernorts. Errichtet wurde es 1842 in der Stadt Zug beim damaligen Dampfersteg am Zugersee. Dort kann man sich diese spätklassizistische Architektur schon viel besser vorstellen. Ab 1876 hatte das Haus mit Walmdach als Restaurant gedient. Die Restauration Spillmann warb Ende des 19. Jahrhunderts mit schattigen Gartenanlagen, Billard und Kegelbahn. «Gute Küche, reelle Weine, billige Preise», so pries der Wirt seinen Betrieb an bester Lage in einem Inserat an. Der Zuger Seeclub verkündet in seiner Chronik von 1882, dass die Restauration Spillmann sein Vereinslokal sei. Nur gelegentlich treffe man sich auch in der Bierbrauerei Hecht.

Doch diese beste Lage direkt am See wurde der Restauration Spillmann letztlich zum Verhängnis. Als am 5. Juli 1887 ein Teil der Vorstadt in den See stürzte, blieb das Wirtshaus zwar verschont. Eine geologische Untersuchung zeigte allerdings, dass das Restaurant genau wie weitere Häuser in der Vorstadt auf instabilem Schlammsand steht. In einem Expertenbericht, der in einem Artikel der Schweizerischen Bauzeitung von 1888 ausführlich zitiert wird, heisst es, dass diese Gebäude «dem Abbruch verfallen» seien. «Diese Häuser sind reich an alten von Zeit zu Zeit sich immer wieder öffnenden Rissen», stellen die Experten fest. Man entschied deshalb, das Restaurant abzureissen. Das Land dürfe nur noch «zu Anlagen oder als Pflanzland unter Vermeidung jeder wesentlichen Belastung» genutzt werden.

Trotz des Abrissentscheids: Die Geschichte der Restauration Spillmann war damit nicht zu Ende. Denn die Häuser auf unsicherem Grund wurden Anfang 1889 versteigert. Baumaterial war damals teurer als der Einsatz von Arbeitskräften. Es kam günstiger, ein Haus ab- und andernorts wieder aufzubauen, oder zumindest Teile der Baumateria­lien wieder zu verwenden. Im Zuger Kalender von 1921 heisst es, dass Dachdecker J. B. Kaiser das «Wikart’sche an der Strasse zuvorderst gelegene Haus» erworben hatte. Er habe es zur Renovation eines seiner Häuser verwendet. Ein anderes Gebäude wurde von einem gewissen Wikart ersteigert. Dieser brach es ab und stellte es neben seiner Wasch- und Brennhütte wieder auf. Auch der Restauration Spillmann wurde ein zweites Leben geschenkt. Der Chamer Uhrmacher Kandid Muff bot am höchsten. Er liess das Haus zerlegen, über den See transportieren und auf dem Kemberg wieder aufbauen. Im selben Jahr wurde das Haus in der Huobweid erstmals im Lagerbuch der Gebäudeversicherung aufgeführt als Neubau.

Das ist insofern korrekt, als das Haus nicht so rekonstruiert wurde, wie es ursprünglich gebaut worden war. Das Haus erhielt eine etwas andere Fassade, ein leicht abgeändertes Dach, auch die Grundrisse der Räume entsprechen nicht mehr dem Original. Am augenfälligsten ist aber der Vorbau mit Terrasse. Der neue Hausherr hat die Hanglage in Hünenberg See ausgenutzt und wollte wohl die Sicht auf den See und in die Alpen geniessen. (Silvan Meier)

Hinweis

Mit «Hingeschaut!» gehen wir wöchentlich mehr oder weniger auffälligen Details mit kulturellem Hintergrund im Kanton Zug nach.