Ein weiter Weg zum Frieden

Theater & Tanz

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Vier junge Afghanen erzählen in einem Theaterstück in Cham ihre eindrückliche Geschichte.

  • Auf der Bühne im Kirchgemeindesaal sind drastische Szenen zu sehen. (Bild Jakob Ineichen)
    Auf der Bühne im Kirchgemeindesaal sind drastische Szenen zu sehen. (Bild Jakob Ineichen)

Cham – Vor dem Hintergrund wunderbarer Bilder von Sehenswürdigkeiten und dem regen Alltagsleben in Afghanistan schreiten zwei Schauspieler auf die Bühne. Als sie hinter dem Vorhang verschwinden, wird die fröhliche orientalische Musik plötzlich durchschnitten von einem lauten Knall, der das ganze Publikum zusammenzucken lässt. Es folgen Bilder voller Zerstörung, Angst und Trauer. Zerbombte Städte, verletzte Menschen, Kinder in Notunterkünften. Mitschnitte von Radiobeiträgen aus verschiedensten Ländern der Welt lassen schliessen: In Afghanistan ist eine Bombe hochgegangen.

Auf der Bühne schätzt ein afghanischer Politiker die Lage ein. Er spricht eine fremde Sprache, nur die Rückfragen der Reporterin zeigen: Die Lage ist kritisch. Als es im Saal dunkel wird, weicht das TV-Studio einem gemütlichen Wohnzimmer. Vier junge Erwachsene sitzen beisammen und singen zu leisen Gitarrenklängen. Im Hintergrund sind Sirenengeräusche zu hören, sie lassen nicht nach.

Ein Projekt des Theaters Maxim in Zürich

Vor rund 50 Zuschauerinnen und Zuschauern erzählten Abdullah Moradi, Nawroz Ali Rezayi und Rahim Amiri am vergangenen Samstagabend in der reformierten Kirche in Cham ihre Geschichte von der Flucht aus Afghanistan. Im Rahmen des Projektes «Zwischenräume Restart» haben sie ein eigenes Theater auf die Beine gestellt. «Zwischenräume Restart» ist ein Projekt des interkulturellen Theaters Maxim in Zürich. Die Theaterpädagogin Gabriele Mengel hat die Schauspieler während eines halben Jahrs begleitet und ihnen ermöglicht, ihre Geschichte in die Welt zu tragen. Begleitet wurden sie zudem von Annette Plath, Sozialdiakonin der reformierten Kirche Cham, und Nawrozs Freundin Sarah Wolfisberg, die ebenfalls auf der Bühne standen. Die Szenen des Theaterstücks wurden ergänzt durch Bilder sowie Videos auf einer Leinwand neben der Bühne, die Arkan Saadi dem Publikum präsentierte.

Die jungen Männer erzählen ihre Geschichte von der Flucht aus Afghanistan über den Iran bis zu ihrer Ankunft in der Schweiz. Sie zeigen auf, wie Menschenrechtsverletzungen in ihrem Heimatland zur Regel wurden und Zerstörung und Angst sie vertrieb. «Von Afghanistan in den Iran» lautet eine Überschrift auf der Leinwand. Ein Video zeigt zahlreiche Menschen, die in der Wüste panisch versuchen, einen Platz in den Autos der Schlepper zu finden. Die Bilder sind voller Hektik und Verzweiflung. Im Publikum herrscht betroffenes Schweigen. Es folgen Videos aus überfüllten Autos, in denen die Flüchtenden auf endlosen Strassen in Richtung Iran fahren und vielleicht zum ersten Mal ein Fünkchen Hoffnung verspüren. Auf der Bühne stehen die Schauspieler, die mit all ihrem Hab und Gut aus dem Iran in die Türkei gehen, wo sie hoffen, nach Westeuropa zu gelangen. Endlich am Meer angekommen, warten weitere Schlepper auf sie, deren Forderungen die Mittel der Flüchtlinge bei weitem übersteigen. Auf der Leinwand pumpen Männer mit vereinten Kräften riesige Boote auf und unzählige Flüchtlinge, Frauen und Kinder, reichen sich die Hände, um eine lebensgefährliche Reise anzutreten. Viele Monate und Hürden später erreichen die Schauspieler die Schweiz, wo sie versuchen, sich ein neues Leben aufzubauen.

Gut fünf Jahre später stehen die Geflüchteten auf der Bühne des Kirchgemeindesaals in Cham und präsentieren dem einheimischen Publikum ihre Geschichte in Form eines Theaterstücks. Mittlerweile haben alle Flüchtlinge Deutschkurse besucht, verschiedene Lehrstellen angetreten und neue Freunde gefunden.

Nach Ende des Stücks lädt Annette Plath das Publikum dazu ein, mit den Schauspielern ins Gespräch zu kommen. Auf die Frage, ob sich die Geflüchteten nun in der Schweiz zu Hause fühlen antwortet Nawroz Ali Rezayi: «Ich habe zwei Zuhause. Eines in Afghanistan und eines in der Schweiz.» Eine weitere Frage aus dem Publikum lautet: «Gibt es etwas, dass ihr euch von uns wünschen würdet?» Abdullah Moradi übernimmt das Wort und antwortet: «Wenn man genug zu essen und ein bisschen Frieden hat, würde man sein Heimatland nie verlassen. Wir sind in die Schweiz gekommen, weil wir ein ruhiges Land gesucht haben, in dem wir weiterleben können. Ich wünsche mir, dass ihr das versteht.» (Sina Engl)