Nazifreunde und Exil-Deutsche finden sich

Brauchtum & Geschichte

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Mit etwas Verspätung organisierten sich die Rechtsextremen in Zug: Zum einen die Frontisten, also die Schweizer Nazifreunde, und zum anderen die Exil-Deutschen, die gleich mehrere Organisationen ins Leben riefen.

  • Der alte «Hirschen» an der Zeughausgasse: Auf dem Platz vor dem Hotel gab es einen Tumult. (Bild Denkmalpflege Zug)
    Der alte «Hirschen» an der Zeughausgasse: Auf dem Platz vor dem Hotel gab es einen Tumult. (Bild Denkmalpflege Zug)
  • Aufmarsch der Fröntlerin Luzern: Sie inszenierten ihre Politik gerne mit Fahnen und strammen Märschen. (Bild Stadtarchiv Luzern)
    Aufmarsch der Fröntlerin Luzern: Sie inszenierten ihre Politik gerne mit Fahnen und strammen Märschen. (Bild Stadtarchiv Luzern)
  • Plakat der Nationalen Front: Sie orientierte sich an Nazideutschland, trat in Zug aber nie bei Wahlen an. (Bild Museum für Gestaltung)
    Plakat der Nationalen Front: Sie orientierte sich an Nazideutschland, trat in Zug aber nie bei Wahlen an. (Bild Museum für Gestaltung)
  • Sorgte für Misstöne mit seinem Engagement für Deutschland: Stadtmusikdirektor Carl G. (Bild Bibliothek Zug)
    Sorgte für Misstöne mit seinem Engagement für Deutschland: Stadtmusikdirektor Carl G. (Bild Bibliothek Zug)

Zug – Die «Machtergreifung» Hitlers datiert auf Januar 1933, der Schweizer Frontenfrühling mit den Neugründungen setzte ab April 1933 ein. Doch in Zug ging alles etwas gemächlicher vonstatten. Nach einem Ruck durch die politischen Parteien brach erst im Dezember 1933 das Gründungsfieber bei den Rechtsextremen aus. Zuerst betrat die Nationale Front die politische Bühne in Zug. Kurz vor Weihnachten gründeten unentwegte Rechtsextreme im «Hirschen» in Zug die Nationale Front Zug, ein Ableger dieser klar völkisch orientierten Splitterpartei von Rechtsradikalen. Vor der Gründungsversammlung hatten die Jungfreisinnigen Zugs gedroht, «jeden zu vernichten, der es wagen sollte, der Nationalen Front beizutreten», wie die Zeitung «Die Front» etwas melodramatisch schrieb.

Der Gründung wohnten zwei Mitglieder der Landesleitung der Front bei sowie auch ein «schönes Grüppchen aus Aegeri»: «Die anschliessende Diskussion zeigte, dass auch in der Innerschweiz der Boden für die Nationale Front schon vorbereitet ist, wenn auch hier die Widerstände grösser sind als ­anderswo.» Natürlich gab sich die jüngste Partei optimistisch: «Mögen auch in Zug Jungfreisinnige zusammen mit den Marxisten eine ausgedehnte Spionage- und Terrororganisation ausgearbeitet haben, die Nationale Bewegung wird auch hier durchbrechen.»

Aufgrund des bescheidenen Einflusses auf die Zuger Politik war die Nationale Front Zug aber alles andere als eine Massenpartei. Als erster «Gauleiter» fungierte Heinrich H., ein Ingenieur der Landis & Gyr, der von Meilen nach Zug an die Ägeristrasse 76 gezogen war.

Tumult vor dem «Hirschen»

Der erste öffentliche Anlass der Nationalen Front Zug vom 30. Januar 1934 führte zu einem veritablen Tumult und einigen Begleitgeräuschen. Zum ersten Jahrestag der Machtergreifung Adolf Hitlers in Deutschland lud die Nationale Front Zug zur Versammlung ins Hotel Hirschen in Zug.

Allein dies führte schon zu harscher Kritik im «Arbeiterblatt»: «Trotzdem in Deutschland die Geistlichkeit von den Hitlerbanden in die Konzentrationslager geschleppt und gleichfalls wie die Marxisten und Juden auf alle erdenkliche Art und Weise gemartert und gepeinigt werden, geht man ausgerechnet in dem über alles katholischen Zug so weit, dieser gleichen schweiz. Hitlerei untertänigst zu dienen.» An der Versammlung mit etwa 60 bis 100 Personen prangerten Schweizer Frontistenführer die Missstände in Wirtschaft, Kultur und Politik an und verlangten unter anderem den Sturz des Bundesrates. «Lebhafter Beifall bewies, dass auch im Kanton Zug die N. F. sich durchzusetzen beginnt», jubelte «Die Front» hoffungsfroh. In der Diskussion stellten Jungfreisinnige und Jungkonservative unangenehme Fragen, währenddessen rund 150 Sozialdemokraten draus­sen vor der Türe johlten und Schneebälle an den «Hirschen» warfen. Nur ein Schlägertrupp, zusammengestellt aus Zürcher Frontisten, konnte die Stürmung des Gebäudes verhindern.

Die Veranstaltung hatte ein politisches Nachspiel. Unter den Demonstranten vor dem «Hirschen» hatten sich auch die Sozialdemokraten Heinrich Gallmann, Landammann des Kantons Zug, sowie Caspar Sigrist, Polizeipräsident der Stadt Zug, befunden. Dies führte zu einer scharfzüngigen Aus­sprache im Regierungsrat. ­Gallmann rechtfertigte sich schriftlich: «Als Politiker war ich neugierig, wer alles an der Frontenversammlung eingeladen war und teilnahm, um mir ein entsprechendes Urteil bilden zu können. Ich war als Privatmann da und nicht als Landammann. Wenn der Herr Justizdirektor gerne mit den Fronten liebäugelt, so überlasse ich das seinem privaten demokratischen Gewissen, {und} ... verwahre mich auch gegen die Bespizelung (sic!) meiner Person.»

Misstöne des Musikdirektors

Ebenfalls im Dezember 1933 wurde die erste deutsche Organisation in Zug gegründet: Getarnt als harmlose Weihnachtsfeier, hoben Exildeutsche am 17. Dezember die «Deutsche Kolonie Innerschweiz» im Gasthaus zur Post an der Zeughausgasse 3 in Zug aus der Taufe. Gründer und Initiant war der stadtbekannte Carl G., der die Stadtmusik Zug als Dirigent und Musikdirektor leitete. Das «Arbeiterblatt» kommentierte: «Was wird der ‹G.› von der Stadtmusik Zug denken, wenn er am Gründungstag unserer Demokratie, am 1. August, die Stadtmusik dirigiert!» Anwesend bei der Schaffung waren auch Generalkonsul Joachim Windel aus Zürich, «ein Nazi grössten Kalibers» sowie der nationalsozialistische Propagandaleiter für die Schweiz, der als harmloser Konsularbeamter in Zürich wirkte, aber im Geheimen als Landespropagandist arbeitete.

Dass der Zuger Stadtmusikdirektor die «Deutsche Kolonie» gründete, erzeugte Misstöne.

In den Protokollen der Stadtmusik heisst es, Direktor G. sei «Gegenstand gemeiner Anödereien» gewesen. Auch wurden Plakate der Stadtmusik Zug mit der Aufschrift «Hittlermusik» von Unbekannten verschmiert. Carl G. selber unterstrich «sein Befremden über die Verunglimpfungen seiner Person (...). Er betonte ausdrücklich, dass er sich mit Politik in keiner Art & Weise befasse & eine solche Anrempelung nicht verstehe.» Offiziell blieb Stadtmusikdirektor G. unbehelligt, im Gegenteil: Seine Verdienste belohnte man sogar mit einer Gratifikation.

Erst Jahre später wurde die politische Einstellung des Stadtmusikdirektors Carl G. intern nochmals Thema: Der Aktuar des Vorstandes bekam 1938 den Auftrag, mit G. über dessen «Mitwirkung bei der nationalsozialistischen Ortsgruppe Zug» zu reden. Zu einer Aussprache mit dem gesamten Vorstand erschien Carl G. nicht: Sein gesundheitlicher Zustand lasse «keine weitern Aufregungen» zu. Direktor G. beschwerte sich schliesslich, «dass ihm von diverser Seite entgegengearbeitet worden sei & er manchmal vor lauter Kritik an seiner Arbeit nicht gewusst, was recht & nicht recht gemacht sei.» Also plante die Stadtmusik eine Ablösung von G.: Doch Carl G. kam seiner Absetzung nach 13-jähriger Direktorentätigkeit zuvor und demissionierte per sofort. Nicht einmal ein Abschiedskonzert fand mehr statt. (Michael van Orsouw)

Hinweis
Dr. Michael van Orsouw, Historiker und Schriftsteller, beleuchtet die bewegte Zeit von 1933 bis 1945. In Folge 3 behandelt er den Direktor einer Zuger Firma, der gerne mit den Nazis Geschäfte machte.