Der Briefmarken-Millionär aus Baar

Brauchtum & Geschichte

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Stefan Sägesser hat ein ungewöhnliches Hobby, das er kürzlich an einer Weltausstellung präsentieren konnte.

  • Stefan Sägesser ist der erste Zuger, der an der Briefmarken-Weltausstellung in Lugano teilnehmen durfte. Im Bild ist er in seinem Büro. (Bild Matthias Jurt)
    Stefan Sägesser ist der erste Zuger, der an der Briefmarken-Weltausstellung in Lugano teilnehmen durfte. Im Bild ist er in seinem Büro. (Bild Matthias Jurt)

Baar – Getränke kommen Stefan Sägesser nicht auf den Tisch. Zu gross ist die Angst, dass seine papiernen Schätze Schaden nehmen. «Ich höre immer wieder von Bekannten, die über Flecken auf ihrer Sammlung klagen. Das passiert mir nicht», sagt er mit verschmitztem Lächeln und stellt den Kaffee auf einem Beistellwagen ab.

In der Wohnung stapeln sich Alben, auf dem Küchentisch sind alte Dokumente ausgebreitet. Es ist Sägessers Sammlung «Postgeschichte des Kantons Zug», die Marken, Poststempel und Briefe von 1700 bis 1900 beinhaltet.

Vom Stadtzuger Pöstler zum Philatelisten

Sein Interesse für Briefmarken hat 1976 ein Händler an der Zuger Messe geweckt, bei welchem Stefan Sägesser sein erstes Album kaufte. In den 1980er-Jahren folgte der gebürtige Zuger den Spuren der Postdokumente als Briefträger in der Stadt Zug. Danach war erst einmal Schluss – er wechselte in den Aussendienst einer Nahrungsmittelfirma und kehrte den Briefmarken den Rücken. Der gelernte Verkäufer und Letzibuzäli-Prinz von 2000 entspricht nicht dem Bild des typischen Philatelisten, der im stillen Kämmerlein introvertiert seine Schätze hegt. Der 57-Jährige wirkt aufgeweckt, gestikuliert viel und strahlt, wenn er von seiner Leidenschaft spricht.Diese keimte erst spät wieder auf, als er als alleinerziehender Vater von vier Söhnen einen Ausgleich suchte. Mit 40 Jahren «reanimierte» Stefan Sägesser seine Sammlung und wurde 2012 Präsident des Philatelistenvereins Zug.

Im Mai dieses Jahres konnte Sägesser sich als erster Zuger für die Weltausstellung der Philatelie «Helvetia 2022» qualifizieren und seine Sammlung in Lugano einem grösseren Publikum präsentieren. An dieser Leistungsschau der globalen Philatelie tauschen sich passionierte Sammlerinnen und Sammler aus und handeln ihre Wertstücke. Ihr Hobby ist kostspielig. So wurde in Lugano auch der Greifensee-Brief gezeigt, welcher im vergangenen Jahr für 650000 Franken (inklusive Kaufprovision) versteigert worden war.

Sägesser, dessen Sammlung an der Weltausstellung auf 250000 Franken geschätzt wurde, streitet nicht ab, für einzelne Stücke tief in die Tasche greifen zu müssen. «Nur drei doppelte Winterthurer Marken mit dem Zuger Stempel von 1850 sind bekannt. Eine davon musste ich haben», betont der Baarer, und seine blauen Augen glänzen hinter der schwarzen Brille. Auf die Frage, wie viel er dafür hingeblättert habe, antwortet er grinsend: «Das höchste Gebot lag bei 14000 Franken. Meine Frau hat gesagt, ich soll die Marke kaufen.»

Als urchiger Eigenbrötler versteht sich Stefan Sägesser nicht. Philatelie sei mehr als das Sammeln schöner Briefmarken. «Ein Philatelist ist wie ein Broker, der Wertschriften anlegt», erklärt der Baarer, der mit Aktien gross geworden ist. Er bedauert, dass für seine Teilnahme an der Weltausstellung weder Kanton noch Gemeinden finanzielle Beiträge sprachen. «Meine Forschungsarbeit hätte das gerechtfertigt», findet er.

Wieso sind alte Postdokumente so wertvoll?

Eines von Sägessers ältesten Sammelstücken ist ein Handelsvertrag von 1790 über die Schifffahrt von Buonas nach Zug. «Aus dieser Zeit sind Seefrachtbriefe enthalten, weil es bis 1823 keine Strasse von Arth nach Zug gab und der Handel über den See lief», erklärt der Philatelist. Zudem verfügt der Sammler über 5 der 7 bekannten Zugersee-Stempel. Diese wurden nur 1880/81 verwendet. Danach ging die Dampfschifffahrt Konkurs, weil die Menschen auf den Zug umstiegen.

Stefan Sägesser streicht mit der Hand über einen Abzug des Zugersee-Stempels und sagt: «Ich kann von Marken, Stempeln und Briefen auf die damalige Zeit schliessen. Das macht Postdokumente so wertvoll.» Seit April hat der Briefmarkenhändler sein Hobby zum Beruf gemacht, gibt sein Wissen in Kursen weiter und erstellt Wertgutachten. Sein grösster Traum: Ein Buch über seine Sammlung zu schreiben. Bald erfüllt sich ein weiterer, denn im Oktober wird Stefan Sägesser Grossvater. Darauf freue er sich, «auch wenn meine Sammlung mit einem kleinen Wirbelwind in der Wohnung Gefahr läuft, Schaden zu nehmen», scherzt er und trinkt den Kaffee aus. (Text von Laura Sibold)