Gross und Klein bei den Nazis

Brauchtum & Geschichte

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Serie «Zug 1933-1945»: Ein Direktor und ein Arbeiter der Metallwarenfabrik Zug waren überzeugte Nationalsozialisten Die Polizei verhaftete und verhörte beide. Doch es kam zu unterschiedlichen Beurteilungen der zwei Fälle.

  • Arbeiterinnen der Metalli mit Haushaltsartikeln: Die Fälle von Arthur C. und Erwin B. werden zu reden gegeben haben. (Bild Metall Zug)
    Arbeiterinnen der Metalli mit Haushaltsartikeln: Die Fälle von Arthur C. und Erwin B. werden zu reden gegeben haben. (Bild Metall Zug)
  • Helme und Gamellen für die Schweizer Armee: Deshalb überwachte die Bundesanwaltschaft den Metalli-Direktor. (Bild Metall Zug)
    Helme und Gamellen für die Schweizer Armee: Deshalb überwachte die Bundesanwaltschaft den Metalli-Direktor. (Bild Metall Zug)
  • Die Fabrik entlang der Baarerstrasse: Die Metalli sorgte für das Stadtgespräch. (Bild Bibliothek Zug)
    Die Fabrik entlang der Baarerstrasse: Die Metalli sorgte für das Stadtgespräch. (Bild Bibliothek Zug)
  • Kaufmännischer Direktor und überzeugter Nazi: Arthur C., mit dem zeittypischen Schnurrbärtchen. (Bild Privatarchiv)
    Kaufmännischer Direktor und überzeugter Nazi: Arthur C., mit dem zeittypischen Schnurrbärtchen. (Bild Privatarchiv)

Zug – Stuttgart, Ende August 1938. Tausende von Auslandsdeutschen treffen sich zur Reichstagung. Soldaten vollführen Paraden im Stechschritt, das Publikum schwingt Fahnen und ruft «Heil Hitler!», während die Musik schmettert und Führer-Stellvertreter Rudolf Hess von einem «Hitler-Kampftag» spricht.

Ein Mann aus Zug ist auch dabei, obwohl er Bürger der Schweiz ist: Es handelt sich um Arthur C., den damals 51-jährigen Direktor der Metallwarenfabrik Zug. Er könnte für seinen Betrieb nach Deutschland gereist sein. Doch Arthur C. ist überzeugter Nationalsozialist und deshalb auch Mitglied der rechtsextremen «Nationalen Front». Mit seiner Meinung hält er nicht hinter dem Berg, sodass sich bald die Bundesanwaltschaft in Bern für den Mann interessiert.

Persönlicher Draht zu Adolf Hitler?

Gegenüber dem ermittelnden Polizeihauptmann gibt der Direktor an, er könne für einen persönlichen Kontakt zu Adolf Hitler sorgen. Ob er blufft, lässt der Bericht der Behörde offen. Aber die Bundesanwaltschaft traut Arthur C. zu, für Deutschland Nachrichtendienst zu betreiben. Das sei darum gefährlich, weil die Zuger Metalli zu 80 Prozent für den Bund arbeite («Stahlhelme und Kamellen»). Deshalb ordnen die Ermittler noch am gleichen Tag eine Überwachung sämtlicher Post des Direktors an.

Das Fazit ist eindeutig, der Direktor sei «ein ausgesprochener Nationalsozialist ...». Deshalb befragt die Bundesanwaltschaft im Juli 1939 acht Arbeiter und Angestellte der Metallwarenfabrik Zug und kommt zu folgenden Ergebnissen: Wenn deutsche Reisevertreter in die Metalli nach Zug gekommen seien, habe sie der Direktor mit dem Hitlergruss begrüsst. Arthur C. soll wiederholt nazifreundliche Äusserungen gemacht haben, trotz eines Verweises des Metalli-Verwaltungsrates; er verteidigte Adolf Hitler und votierte nach dem Anschluss Österreichs für den Anschluss der Schweiz an Deutschland. Wörtlich soll der Direktor gesagt haben: «Die Schweizer sind alles Landesverräter, weil sie sich dem Hitlerregime nicht unterwerfen.»

Hakenkreuzfahnen und -wimpel

Die Bundespolizei wendet sich darauf an den Verwaltungsrat der Metallwarenfabrik: Dieser wünscht ausdrücklich eine Untersuchung und stellt die Entlassung ihres Direktors in Aussicht. Am 31. August 1939 wird Arthur C. an seinem Arbeitsplatz verhaftet und sein Büro sowie seine Wohnung an der Haldenstrasse 5 in Zug durchsucht. Neben einschlägigen Broschüren und Parteiprogrammen finden die Ermittler das Mitgliedbuch der «Nationalen Front» sowie aufsteckbare Autowimpel mit Hakenkreuz und zwei 50 bis 60 Zentimeter grosse Hakenkreuz-Fahnen.

Beim anschliessenden Verhör versucht der Direktor, alles zu verharmlosen. Zwar sei er Mitglied der «Nationalen Front» gewesen, doch habe er nichts mehr damit zu tun: «Ich habe lediglich meine Mitgliederbeiträge bezahlt.» Er sei auch kein Sympathisant der NSDAP, «ich gestatte mir lediglich, die guten Einrichtungen und Errungenschaften des Deutschen Reiches auch in der Schweiz anzuerkennen». Als der Direktor mit seinen eigenen Nazi-Aussagen konfrontiert wird, meint er: «Ich gebe zu, dass ich ohne jegliche Überzeugung und spasseshalber vielleicht diese oder jene Äusserung im Bureau gemacht habe, ich wollte damit die Diskussion in Fluss bringen ...» Die Hakenkreuzwimpel erklärt er damit, «weil ich Mitglied des deutschen Automobilklubs bin». Schliesslich vermutet er, die Aussagen gegen ihn seien das Ergebnis «eines gegen mich aus persönlichen Gründen zu Stande gekommenen Komplotts in unserer Fabrik».

Danach geschieht nichts: keine Anklage, keine Verurteilung, keine Entlassung. Denn der Zweite Weltkrieg beginnt gleich nach der Befragung. Aber die Bundesanwaltschaft ordnet an, dass die Überwachung von Arthur C. mit Spitzeln diskret fortzusetzen sei.

Politisierender Arbeiter

Die Affäre um den Metalli-Direktor ist auch deshalb so interessant, weil drei Jahre später wieder ein Nazi-Fall einen Mitarbeiter der Metallwarenfabrik Zug betrifft: Dieses Mal geht es um den einfachen Arbeiter Erwin B. Dieser kommt aber bedeutend weniger glimpflich davon als der Direktor.

Bis 1930 lebte dieser Arbeiter als Auslandschweizer im deutschen Herzberg. Nach Zug gekommen, arbeitete er als Handlanger in der Verzinkerei und auf dem Bau, bis er 1940 als Beizer in die Metallwarenfabrik kommt. Aufgrund eines Denunzianten im April 1942 beginnt die Bundesanwaltschaft, gegen ihn zu ermitteln. Der Arbeiter politisiere in der Werkstatt und sei Mitglied der «Eidgenössischen Sammlung», der Nachfolgeorganisation der «Nationalen Front», die vom Bundesrat verboten wurde.

Die Bundesanwaltschaft lässt darauf den Arbeiter überwachen und kurz darauf festnehmen. In der Einvernahme bestreitet Erwin B.: «Ich bin nicht Nationalsozialist, sondern Mitglied der ES und als solches Schweizer Sozialist.» Bei ihm zu Hause hängt ein grosses Bild von NS-Generalfeldmarschall Erwin Rommel, und es werden zahlreiche Briefe und Dokumente beschlagnahmt, darunter ein Brustbild von Adolf Hitler. Im Ermittlungsbericht wird der Arbeiter als «extremer Nationalsozialist» dargestellt. Im Kriegsfall würde er, so soll er in der Fabrik geprahlt haben, das Munitionsdepot in die Luft sprengen und die Angreifer nicht erschiessen.

«Gaunerbande» und «Halunken»

Die Anklage legt dem Arbeiter zur Last, dass er die Schweiz in politischen Diskussionen am Arbeitsplatz schlechtgemacht hat. Auch habe er den General in der Metalli als «Halunken», «Lölichaib», «chaibe Saujud», «Freimaurer» und «Landesverräter» bezeichnet; ebenso titulierte er den Bundesrat als «Gaunerbande», «Judenbande» und «Fecker». Der Arbeiter wird zu 30 Monaten Gefängnis verurteilt.

Natürlich kann man den einen Fall des Metalli-Direktors nicht mit dem anderen des Metalli-Arbeiters direkt vergleichen. Gewiss waren 1939 bei der Verhaftung des Direktors die Zeitumstände anders als 1942/43, als der Arbeiter verhaftet und verurteilt wurde. Aber es ist dennoch keine gewagte Feststellung zu behaupten, dass der unbescholtene Direktor der Metalli unvergleichlich sanfter angepackt wurde als der in Deutschland aufgewachsene Arbeiter. (Michael van Orsouw)

Hinweis: Dr. Michael van Orsouw, Historiker und Schriftsteller, beleuchtet die bewegte Zeit von 1933 bis 1945. In Folge 4 berichtet er über den Zuger Ableger der NSDAP und deren Treffpunkte.