Comic zeichnet das Leben eines Hingerichteten in Zug nach

Kunst & Baukultur

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Der Kunstkubus Cham zeigt Melk Thalmanns dramatische Graphic Novel zu einem Kriminalfall Mitte des 19. Jahrhunderts.

  • Die Zeichnungen von Melk Thalmann rekapitulieren eine unrühmliche Zuger Begebenheit. Bilder: Bea Zürcher (Cham, 26. 10 .2025)
    Die Zeichnungen von Melk Thalmann rekapitulieren eine unrühmliche Zuger Begebenheit. Bilder: Bea Zürcher (Cham, 26. 10 .2025)
Cham –

Die letzte Ausstellung im «Jahr der Zeichnung» hat der Chamer Kunstkubus der tragischen Geschichte des heimatlosen Jost Schanz gewidmet: Der war während der Wirren des Sonderbundskrieges wegen Brandstiftung am 23. Dezember 1847 in Zug hingerichtet worden. An der Vernissage vom Sonntag sagte Ignaz Staub zur Einführung: «Zeichnungen, die eine Geschichte erzählen», oder, wie es im vorliegenden Fall besser heissen müsste: «Zeichnungen, die Geschichte erzählen.» Denn der Stoff von Melk Thalmanns (Bild) Zeichnungen sei eine unrühmliche Episode der Zu-ger Geschichte. Dies veranlasste den Kunstkubus, den historischen Kriminalfall modern als Graphic Novel aufzubereiten.

Der Auftrag ging Anfang Jahr an den Luzerner Grafiker Melk Thalmann, der bereits historische Themen illustriert hat. «Zuerst habe ich mit Bleistift grobe Skizzen von jeder Seite erstellt, mit Fineliner und Pinsel die Strukturen ausgearbeitet und digital gestaltet», erklärte der Künstler, der schon einen Anerkennungspreis der Stadt Luzern erhalten hat.

Verhörprotokolle aus dem Staatsarchiv

Nun liegt der Comic «Zündholz – Die wahre Zuger Geschichte einer Gewalteskalation» vor. Die Schwarz-Weiss-Zeichnungen, von denen eine Auswahl in der Ausstellung zu sehen ist, erzählen die dramatische Bildergeschichte von einem armen Mann, einem Vaganten und Heimatlosen, ergänzt mit vielen Zitaten.

Denn der Comic beruht hauptsächlich auf den handschriftlichen Verhörprotokollen von 1847, die in den «Acta in Kriminal-Untersuchungs-Sachen gegen Jost Schanz, heimatlos, betreffend Brandstiftung» gesammelt wurden, und die im Zuger Staatsarchiv liegen. Auf der Grundlage dieser Quellen gestaltete Thalmann die Bildergeschichte. Die Recherche hatte der Zuger Historiker Renato Morosoli geleistet.

Letztlich eine traurige Geschichte

Doch wer war Jost Schanz? Das Buch zeigt einen Mann, der durch manche Unbill ein unstetes Leben führte: Unehelich geboren, als Baby weggegeben, arm, ohne festen Wohnsitz, zweimal verheiratet, neun Kinder mit zwei Frauen – und immer Angst vor den Gendarmen.

Der Comic beginnt im August 1847. Im Rahmen der Verhöre wird rückblickend das traurige Leben des Menschen aufgeblättert, das bereits im Dezember gleichen Jahres durch den Scharfrichter endet. Gebannt hörte das Publikum Renato Morosoli zu: «Die Person Jost Schanz beschäftigt mich, seitdem ich in der ‹Neuen Zuger Zeitung› vom 25. Dezember 1847 folgende Notiz gelesen habe: ‹Seit mehr denn 20 Jahren ist in unserem Kanton kein Todesurteil mehr ausgefällt und vollzogen worden. Donnerstag, den 23., hatten wir zum ersten Mal wieder dieses traurige Schauspiel. – Der heimatlose Korbflechter Jost Schanz wurde am Vormittag durch die Meisterhand des Scharfrichters von Schwyz enthauptet.›»

Morosoli zufolge habe die Hinrichtung eine Menge mit den besonderen Verhältnissen jener Zeit zu tun. Zug sei damals ein kleiner, sehr armer, bäuerlicher Kanton gewesen. Und um 1847 habe es in der Eidgenossenschaft höchste politische Spannungen gegeben und es habe Bürgerkriegsgefahr geherrscht.

Schon von vornherein verdächtig

Am Sonntag, 29. August 1847, brannte die Scheune der Gebrüder Freimann auf der Zuger Allmend ab. Die Untersuchung ergab Verdacht auf Brandstiftung. Schon bald wurde ein Verdächtiger verhaftet, der sich dann in der Gegend herumtrieb und behauptete, er sei es nicht gewesen. Der Verdächtige war Jost Schanz. Der schwere Alkoholiker war schon in Schwyz und Obwalden wegen Diebstahls mit Ruten gezüchtigt und gebrandmarkt worden. Morosoli fragt ins Publikum: «Aber war er wirklich der Täter?

Durch seine Lebensweise galt Schanz schon von vornherein als höchst verdächtig. Heimatlosigkeit galt damals als grosses gesellschaftliches Problem. Ohne Heimatschein gab es keine Niederlassung, keine Heirat oder Aussicht auf eine bürgerliche Existenz. Die Heimatlosen zogen vagabundierend umher, schlugen sich mit Hilfsarbeiten durch und hatten einen schlechten Ruf als sitten- und religionslo- ses Gesindel. Wie Morosoli ausführte, gab es erst 1850 ei-ne zwangsweise Einbürgerung in der Aufenthaltsgemeinde, aber nur eine rechtliche, keine soziale Lösung. Wer bei einer Straftat erwischt wurde, dem drohte ein schlimmes Schicksal, wie im Fall Jost Schanz.

Nach langen Verhören gesteht er

Die Verhörrichter waren überzeugt, dass Schanz der Brandstifter war, wohl auch, um in der schwierigen Zeit rasch zum Schuldspruch zu kommen. Es gab ausführliche Verhöre, auch mit Zeugen. Schanz bestritt die Tat, doch nach langen Verhören war er zermürbt und gestand. Sein Motiv sei Rache gewesen, denn vor Jahren hatte er auf der Matte beim Freimann-Hof Birnen gestohlen. Der Bauer hatte ihn erwischt und misshandelt. Als Schanz dort wieder vorbeikam und wusste, dass die meisten Leute in der Sonntagsmesse waren, sah er die Gelegenheit zur Vergeltung und zündete die Scheune an, wohl auch enthemmt durch viel Schnaps.

Mit dem Geständnis war sein Schicksal besiegelt, und die Obrigkeit wollte Härte und Entschlossenheit zeigen: Am 20. November 1847 verurteilte das Kriminalgericht Schanz zum Tod. Normalerweise sei eine Hinrichtung wenige Tage nach dem Urteil vollzogen worden, führte Renato Morosoli aus. Damals sei aber nichts normal gewesen, der Kanton Zug wurde von eidgenössischen Truppen besetzt und die alte Sonderbundsregierung gestürzt.

Schanz ging im Gefängnis fast vergessen, bis sich die neue provisorische Regierung an diese hinterlassene Pendenz erinnerte und die Exekution organisierte. Morosoli erläuterte: «Sie wollte vielleicht demonstrieren, dass auch unter der neuen Regierung Ordnung und Sicherheit herrschte. Das war die letzte Hinrichtung an diesem Ort. Die Richtstätte wurde beim Eisenbahnbau abgetragen. Es gab keine weiteren Hinrichtungen mehr bis zu Irniger 1939, aber das ist eine andere Geschichte.»

Zum Comic-Projekt sagt Vereinspräsidentin Barbara Stäheli: «Es konnte dank der Unterstützung der öffentlichen Hand und privater Sponsoren realisiert werden, auch wenn wir uns etwas mehr Mittel erhofft hatten.» Im kommenden Jahr werde sich der Kunstkubus dem Thema «Frauen» zuwenden.

HinweisDie Zeichnungen von Melk Thalmann sind noch am 1., 8., 15. und 22. November, jeweils von 11 bis 14 Uhr, im Kunstkubus Cham zu sehen. Das Buch «Zündholz» hat die ISBN 978- 3-033-11610-8.