Pionier in einer Frauenwelt
Literatur & Gesellschaft
Peter Marty ist ein Familienmensch und war es schon immer. Dass er sein Leben aber voll und ganz der Familie verschreiben und der erste diplomierte Hausmann der Zentralschweiz würde, damit hätte er nicht gerechnet.
Zug – Der Entscheid, der sein Leben verändern sollte, fiel im Frühjahr 1995. «Meine Frau und ich wollten unsere Berufe nicht aufgeben. Auch nicht nach der Geburt unseres dritten Kindes.» Sie hätten sich die Familienarbeit teilen wollen, erinnert sich der Oberwiler. Es sollte sich nicht viel verändern. Schon in den Jahren zuvor war das Ehepaar berufstätig. Yvonne Marty arbeitete in einem Teilzeitpensum als Consultant, Peter Marty hütete die beiden Kinder jeweils am Mittwochnachmittag. Unterstützung erhielt die junge Familie von einer Tagesmutter im Dorf. Durchkreuzt hat die Pläne des Familienvaters, sein Pensum zu reduzieren, sein damaliger Arbeitgeber. Teilzeitarbeit sei nicht möglich, hiess es. Das Nein kam überraschend. «Ich war bei der Lego im Bereich Forschung und Entwicklung tätig und davon ausgegangen, dass eine Reduktion gerade bei einer dänischen Firma kein Problem sein sollte.»
Freude an der Arbeit
Die Martys versuchten, eine neue Lösung zu finden. Doch die Suche nach einer Tagesmutter blieb erfolglos. Eine Krippe für die damals 2- und 4- jährigen Söhne sowie für die 6-jährige Tochter konnte sich das Paar nicht leisten. Und so fasste Peter Marty einen Entschluss: Er hängte seinen Beruf an den Nagel und verschrieb sich der Familie.
Der Zuger wollte aber nicht einfach nur Hausmann sein. Er liess sich von einer Freundin überzeugen, dieses Fach richtig zu erlernen. Im Sommer 1995 begann er die Hauswirtschaftsschule - als einziger Mann. «Die Schulleiterin sagte mir bei der Anmeldung, sie glaube nicht, dass ich es schaffen würde», erzählt er und lacht. Marty überzeugte sie vom Gegenteil. In drei Semestern wurde er zum Experten in den Bereichen Kochen, Ernährung, Putzen, Bügeln und Nähen. Für ihn waren die Arbeiten nicht reines Pflichtprogramm. «Ich habe für zu Hause sogar Hosen genäht. Aus Freude», berichtet er.
Dass er mit dem Diplom einen eidgenössisch anerkannten Abschluss in der Tasche hatte, war Marty wichtig. Das Papier half ihm dabei aber vor allem in den eigenen vier Wänden. «Meine Frau hatte ab und zu das Gefühl, dass man gewisse Dinge anders machen müsste. Bei solchen Diskussionen konnte ich mein Papier zücken und sagen: ‹Ich habe ein Diplom.›», erzählt er. Peter Marty war der erste Mann mit einem solchen Diplom. «Schweizweit war ich der zweite diplomierte Hausmann. Es gab noch einen in Basel», sagt er - sichtlich stolz.
Der heute 58-Jährige hat seinen Entscheid nie bereut. «Ich würde es wieder so machen», sagt er. Trotzdem galt auch für das Hausmann-Dasein, dass aller Anfang schwer ist. Dabei waren es nicht die Arbeiten im Haus, das Kochen, Putzen oder Windelnwechseln, das Peter Marty zu Schaffen machte. «Es ist mir schwergefallen, meinen Job hinter mir zu lassen», erzählt er. Die Reaktionen seines Umfelds machten es ihm nicht leichter. Kollegen aus dem Verein hinterfragten den Entschluss kritisch, Martys Eltern blickten mit Sorge auf die neue Tätigkeit des Sohnes und die künftige finanzielle Situation der Familie, und sein Chef prophezeite ihm, dass er nie mehr in der Arbeitswelt Fuss fassen könne. «Von einigen Männern habe ich auch zu hören bekommen, ich sei ein Weichei. Aber das hat mich nicht beeindruckt. Gerade jene, die solche Kommentare gemacht haben, waren nur neidisch, dass ich mich in einer Frauendomäne bewege.» Obwohl Peter Marty vollends überzeugt war, das Richtige zu tun, brauchte er Zeit, sich zurechtzufinden. «Die ersten drei Monate waren schwierig. Ich hatte keine Freunde, die meinen Tagesablauf hatten», erinnert er sich. Nach und nach hätte sich das geändert. «Mein weiblicher Freundeskreis ist plötzlich enorm gewachsen», berichtet er. Ausserdem engagierte er sich in der Schule, in Elternforen und spielte Kasperli-Theater.
Neue Wege gezeigt
Für die drei Kinder war es indes kein Problem, dass ihr Vater plötzlich immer zu Hause war. «Ich hatte zwar nur noch Männer um mich, fand es aber super, dass Papa bei uns war», erzählt die heute 24-Jährige Laura Marty. Dass ihr Vater am Herd stand und hinter der Nähmaschine sass, habe sie nie irritiert. «Wir gingen als Kind ohnehin davon aus, dass unsere Eltern alles können. Da war es nur logisch, dass unser Vater auch nähen kann.» Der 22-jährige Aaron stimmt seiner Schwester zu. «Wir waren mit unserem Vater viel draussen. Und er hat bei allem immer voll mitgemacht. Das war toll.»
Die Tatsache, dass ihr Vater in die Mutterrolle geschlüpft ist, hat die jungen Martys dennoch geprägt. «Es gibt nicht nur das klassische Modell. Eine Mutter ist keine Rabenmutter, nur weil sie arbeitet», findet Laura Marty und ergänzt: «Ich wünsche mir für meine Familie auch mal eine Mischform.»
Zurück in die Arbeitswelt
13 Jahre lang hat Peter Marty den Haushalt organisiert. Bis die Familie 2008 ein Schicksalsschlag traf. «Meine Frau hatte ein Burn-out.» Der Hausmann sah sich gezwungen, wieder in die Arbeitswelt zurückzukehren. «Es war nicht einfach, eine Stelle zu finden. Ich musste umdenken.» Heute arbeitet er bei der Reformierten Kirche der Stadt Zug und der Musikschule im Hausdienst. Nicht sein Traumjob, aber eine gute Stelle. «Es hat etwas Überwindung gekostet. Aber heute gefällt mir die Arbeit», so der 58-Jährige. Denn immerhin sei sie seiner liebsten Beschäftigung - dem Hausmann-Dasein - irgendwie ähnlich. (Samantha Taylor)