Tod am abgelegenen Waldrand

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Ein ruchloser Mord erschütterte 1907 den Kanton Zug. Obschon heute so gut wie vergessen, erinnert an einem versteckten Ort noch immer ein simpler Gedenkstein an das Verbrechen.

  • Das Verbrechen liegt lange zurück. Und trotz der Abgelegenheit des Tatortes scheint man das Gedenken an den Menzinger Kantonspolizisten aufrechtzuerhalten. (Bild Andreas Faessler)
    Das Verbrechen liegt lange zurück. Und trotz der Abgelegenheit des Tatortes scheint man das Gedenken an den Menzinger Kantonspolizisten aufrechtzuerhalten. (Bild Andreas Faessler)

Oberägeri – Ein kaltblütiges Verbrechen sorgte vor 108 Jahren für Entsetzen im Kanton Zug. Es war der 15. November 1907, als ein Pistolenschuss durch den Wald am Ratengütsch hallte und das Leben eines jungen Mannes jäh beendete. Am Waldrand, ein Stück unterhalb des Bottsrankes, unweit vom Tüfelsmösli, fiel der 27-jährige Kantonspolizist Roman Staub aus Menzingen einem Mörder zum Opfer. Staub stand in der Gemeinde Oberägeri im Dienst. Der damalige Polizeidirektor Josef Andermatt (18711942) startete persönlich die unmittelbare Fahndungsaktion nach dem Täter – mit Erfolg: Wenig später konnte er in einer Gaststätte im deutschen Radolfzell festgenommen werden. Es handelte sich um einen Hausierer namens Karl Ebner aus Unterlauchringen bei Waldshut. Er war in Deutschland bereits aktenkundig und vorbestraft wegen mehrfachen Einbruchdiebstahls und war in der Region Zug auf Diebestour. Polizist Staub wollte beim verwahrlost aussehenden Mann eine Personenkontrolle durchführen, als dieser seine Pistole zog und ihm in den Kopf schoss. 

Der Mörder stritt seine Tat vehement ab. Schliesslich aber wog die Beweislast nach dem gründlichen Untersuchungsverfahren so schwer, dass das zuständige Schwurgericht Konstanz von der Schuld Ebners überzeugt war und ihn zum Tode verurteilte. Am 31. August 1908 informierte die Staatsanwaltschaft Waldshut den Zuger Polizeidirektor, dass Friedrich II. von Baden, seit 28. September 1907 Grossherzog, das Gesuch von Ebner um Begnadigung abgelehnt habe. Das Urteil wurde gemäss Angaben des Staatsanwaltes im Hof des Gefängnisses in Konstanz, wo Ebner einsass, vollstreckt bereits am 2. September 1908 per Enthauptung. Etwas makaber aus heutiger Sicht: Polizeidirektor Andermatt erhielt zusammen mit diesem Schreiben eine Gratiseintrittskarte, um der Exekution Ebners in Konstanz beizuwohnen.

An der Stelle, wo Roman Staub umgebracht worden ist, wurde darauf eine kleine Gedenkstätte errichtet. Offenbar verwendete man einen ausgedienten Grabstein, den man mit einer gravierten Metallplakette versah mit dem Wortlaut: Hier wurde am 15. Nov. 1907 von ruchloser Hand ermordet: Jüngling Roman Staub, Polizist v. Menzingen, stat. in Oberägeri, geb. 5. Jan. 1881, R.I.P.

Doch entgegen der Erwartung, dass diese kleine Gedenkstätte nach all den Jahrzehnten etwa verwildert ist, findet der Vorbeikommende heute einen erneuerten Gedenkstein. Ein knapp halber Meter hoher Granitblock mit einer neu gravierten Plakette steht nun am Tatort. Das Gras um den Gedenkstein ist sogar fein säuberlich ausgemäht. 2010 nämlich wurde auf Initiative von Josef Born von der Militärhistorischen Stiftung des Kantons Zug die bis dahin überwucherte und vergessene Erinnerungsstätte instand gestellt. Der Standort jedoch ist alles andere als exponiert. Wer die Stelle besuchen möchte, der findet sie rund drei Meter abseits des alten Pilgerwegs über den Raten, der heute nicht mehr rege begangen wird. Knapp 100 Meter unterhalb des Bottsranks das ist die scharfe Kurve bei der Talstation des Raten-Skilifts – geht rechts am Waldrand entlang eines Zauns ein schmaler Wanderweg ab Richtung Tüfelsmösli. Nach zirka 50 Metern, kurz bevor der Weg abschüssig wird, erblickt man rechter Hand am Rande des Wyssen­bachtobels den Gedenkstein. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut!» gehen wir wöchentlich mehr oder weniger auffälligen Details mit kulturellem Hintergrund im Kanton Zug nach. Frühere Beiträge finden Sie unter www.zugerzeitung.ch/hingeschaut