Zweimal Brahms und ein Abschied

Musik

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Das Konzert mit dem Ensemble Chamäleon in der Zuger Gewürzmühle brachte zwei Klaviertrios von Johannes Brahms. Damit verabschiedete sich das Ensemble vom langjährigen Cellisten Luzius Gartmann.

  • Das Ensemble Chamäleon interpretier Brahms in der Gewürzmühle. (Bild: Roger Zbinden)
    Das Ensemble Chamäleon interpretier Brahms in der Gewürzmühle. (Bild: Roger Zbinden)

Zug – Wie Chamäleon-Organisator Peter Hoppe mit vielen Brief-Zitaten erläuterte, war Johannes Brahms Jahrzehnte lang mit der Pianistin und Komponisten-Witwe Clara Schumann intensiv befreundet. Als eine der letzten Aktivitäten vor der geistigen Umnachtung hatte Robert Schumann als Erster das Genie des damals erst zwanzigjährigen Brahms voll erfasst und in einem immer wieder zitierten Text auch für die breitere Öffentlichkeit ausführlich gewürdigt.

Neben gegenseitigen Komplimenten erkannte Johannes Brahms auch die kompositorische Begabung seiner Freundin, und er korrespondierte mit ihr über angefangene und halb abgeschlossene Werke. Eine schlechte Meinung äusserte diese allerdings zur Uraufführung des in der Gewürzmühle auch gespielten Trios Opus 87 mit dem Komponisten am Klavier (Zitat): «Leider nur spielt Brahms immer schrecklicher – es ist nichts mehr als ein Schlagen, Stossen, Grabbeln!»

Tatsächlich wirkt das Werk in der Gesamtform etwas unausgewogen: Die beiden Ecksätze sind mit dem Ziel einer orchestralen Klangwirkung in vielen Einzelheiten dem fast gleichzeitig entstandenen 2. Klavierkonzert Opus 83 nachempfunden. Die häufigen Oktavparallelen der beiden Streicherstimmen erwarten offensichtlich einen kräftigen Anschlag des virtuos und opulent auskomponierten Klavierparts, wie es von Madeleine Nussbaumer auch praktiziert wurde. Viel besinnlicher erschien daneben der Variationensatz mit wechselnder sehr schön herausgearbeiteter Thematik der Streicher zu einem manchmal auf blosse Begleitung reduzierten Klaviersatz.

«Keine Oper und keine Heirat mehr!»

Am Anfang des Programms stand das von der Nachwelt häufiger gespielte Klaviertrio Opus 101 in c-Moll. Brahms schrieb es in seiner letzten Schaffensphase, als er trotz hoher öffentlicher Anerkennung Symptome einer gewissen Resignation zeigte. Der Berner Dichter Joseph Victor Widmann (1842–1911) versuchte den Komponisten damals zu einem gemeinsamen Opernprojekt zu überzeugen. Die Antwort von Brahms war lakonisch: «Keine Oper und keine Heirat mehr!»

Viel ist in dieses Klaviertrio eingepackt, das von Pianistin Madeleine Nussbaumer, Violinist Tobias Steymans und Cellist Luzius Gartmann in jeder Hinsicht souverän gestaltet wurde. Nach einem furiosen Auftakt erscheint als Seitenthema plötzlich eine Art Wienerwalzer. Im letzten Satz erklingt nochmals die gleiche Grundstimmung, angereichert durch Elemente ungarischer Volksmusik und einer ganz am Schluss lebensbejahenden Wende nach C-Dur. Kontrast zu den Mittelsätzen: Eine lange Strecke spielten die Streicher mit aufgesetztem Dämpfer zu angemessen zurückhaltender Gestaltung der Pianistin. In gleicher Weise anspruchsvoll für Ausführende und Publikum war der dritte Satz mit seiner eigenartigen Mischung zwischen 2- und 3-Takt und Volksliedmotiven, welche aber häufig harmonisch verfremdet wurden.

Gartmann verabschiedet sich mit Schumann

In Minne und in gegenseitiger Dankbarkeit für die lange gemeinsame Wegstrecke verabschiedeten Peter Hoppe und Madeleine Nussbaumer den langjährigen Cellisten Luzius Gartmann. Er war 1992 – also knapp nach der Gründung – zum Ensemble Chamäleon gestossen, und er hatte fast immer in der Kernbesetzung als Klaviertrio mitgewirkt. Im Zusammenhang mit seiner Pensionierung wolle er sich vom öffentlichen Konzertieren zurückziehen, liess Peter Hoppe das Publikum wissen. Eine Nachfolge sei bereits gefunden.

Zu den gesprochenen Erläuterungen spielte Luzius Gartmann in gewohnter spieltechnischer Souveränität zwei Lied-Transpositionen von Clara Schumann. Auch der überaus kräftige und lang anhaltende Schlussapplaus wurde nochmals mit einem Klaviertrio-Satz der Komponistin verdankt. Stilistisch gemahnte die Schreibweise an Felix Mendelssohn. Dieser pflegte nicht nur mit Robert Schumann eine persönliche Freundschaft. Er war auch Taufpate der ältesten Tochter von Robert und Clara Schumann. (Text von Jürg Röthlisberger)