Jazz und Stummfilm im «Lux»

Film & Multimedia, Musik

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Ein mysteriöser Untermieter auf der Leinwand, Live-Jazz im Saal: Alfred Hitchcocks legendärer Stummfilm-Thriller «The Lodger» kommt nach Baar.

  • Simon Quinn (Zweiter von rechts) vertont mit seinem Quartett Hitchcocks Stummfilm live. Bild: zvg
    Simon Quinn (Zweiter von rechts) vertont mit seinem Quartett Hitchcocks Stummfilm live. Bild: zvg
Baar –

Viele Zugerinnen und Zuger werden am Wochenende das gesellige Treiben auf der Zuger Messe geniessen. Ein aussergewöhnliches Film-Kontrastprogramm dazu präsentiert am Sonntagmorgen das Kino «Lux» in Kooperation mit dem Trägerverein «Jazz in Baar»: Hitchcocks «The Lodger: A Story of the London Fog» (1927) – live vertont von einem Jazzquartett unter der Leitung des Tessiner Komponisten und Kontrabassisten Simon Quinn.

Seit etwa zwei Jahrzehnten erlebt der Stummfilm als Live-Event eine bemerkenswerte Renaissance. Was in vielen Metropolen längst etabliert ist, bleibt in der Zentralschweiz eine Rarität: das Kino als Gesamtkunstwerk, das Film und Live-Musik verbindet. Die Veranstalter holen diese besondere Kunstform nun nach Baar und haben sich dafür zu Hitchcocks 125. Geburtstag seinen bedeutendsten Stummfilm ausgesucht. (Text von Daniela Gerer)

Hitchcock findet seine Sprache

Seit der Einführung des Tonfilms ist ein wenig in Vergessenheit geraten, dass die Stummfilm-Ära eine ganz eigene visuelle Filmsprache entwickelt hat. Filmische Technik, Schauspielkunst und Live-Musikbegleitung mussten leisten, was später der auf der Filmrolle aufgezeichnete Ton mitübernahm.

Dabei ist es eine wahre Freude, anhand von «The Lodger» nachzuvollziehen, wie der junge Hitchcock damals – nach seinen Lehrjahren im expressionistischen Berlin – die englische Stummfilmszene aufgemischt hat, etwa mit seinen ungewöhnlichen Kamerawinkeln oder der exzentrischen Ausleuchtung. Jede Einstellung visualisiert die psychischen Zustände der Figuren, und auch thematisch sind in Hitchcocks erstem echten Thriller alle späteren Obsessionen des Meisters angelegt: die Frage nach Schuld und Unschuld, die blonde Frau in Gefahr, die Kunst des Suspense.

Der Stummfilm war nie stumm

Hinzu kommt die hypnotische Präsenz von Ivor Novello, dem damaligen Star der britischen Filmszene. Mit seinen kajalumrahmten Augen und seiner anmutigen Erscheinung spielt er den enigmatischen Untermieter so intensiv, dass nicht nur seine Filmpartnerin ihm verfällt. Der Begriff «Stummfilm» ist übrigens irreführend, schliesslich wurden die Filme damals nie ohne musikalische Begleitung gezeigt. Komponist Simon Quinn hat für «The Lodger», im Rahmen seines Projekts «Sprachlos – Stummfilme und Live-Musik», einen Soundtrack konzipiert, der auf moderne Jazzharmonik mit Swing- und Groove-Elementen sowie elektronischen Effekten setzt. Das Quartett – neben Simon Quinn gehören dazu seine Brüder Nolan (Trompete) und Brian (Schlagzeug) sowie Johannes von Ballestrem (Piano) – muss bei den Improvisationsteilen hochkonzentriert und flexibel bleiben. «Die Tempi können variieren», erklärt Quinn, «aber ich kenne die Eck- und Referenzpunkte des Films». Die vier Musiker reagieren in Echtzeit aufeinander und auf die Leinwand. Wie bei Jazzauftritten generell wird so jede Aufführung zu einem erlebnisreichen, intensiven Unikat.

Ist der charismatische Untermieter nun der Mörder? Das sei an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: Wer aufmerksam ist, entdeckt gleich zu Beginn Hitchcocks erstes Cameo. Doch zurück zur Zuger Messe. Ruedi Jung vom Trägerverein «Jazz in Baar», der die Matinee gemeinsam mit den Zuger Kinos und Quinn organisiert hat, empfiehlt der Zuger Bevölkerung: «Nach ausgiebigem Sonntagsbrunch ab mit der Familie ins Kino. Danach an die Zuger Messe mit Zuckerwatte für die Kids und Weisswein für die Eltern. Wenn das kein gutes Sonntagsprogramm ist ...»

HinweisAlfred Hitchcocks «The Lodger» und Simon Quinns «Sprachlos – Stummfilme und Live-Musik»; Sonntag, 26. Oktober 2025,

11.45 Uhr im Kino Lux, Baar.