Ein Chor verstummt für immer
Musik
Nach 172 Jahren gemeinsamen Singens hat der Männerchor Baar die Auflösung des Vereins bekannt gegeben.
Baar – Kürzlich hat der Männerchor Baar seine letzte Generalversammlung nach 172 Jahren abgehalten – der Chor hat sich wegen Mitgliederschwunds und fehlender Leitung aufgelöst. Bereits vor drei Jahren kämpfte man mit dem Problem.
Damals hatten sich die Chöre aus Baar und Unterägeri zusammengeschlossen. Auslöser dafür war die Suche des Männerchors Baar nach einer neuen musikalischen Leitung. Es entstand die Idee, mit der Dirigentin aus Unterägeri zusammenzuarbeiten und die Chöre zu vereinen. Auch sinkende Mitgliederzahlen trugen dazu bei, gemeinsame Sache zu machen, erzählt Steaven Danner, Vorstandsmitglied des Männerchors Unterägeri.
Ausschlaggebend für die Auflösung des Baarer Chors war die Altersstruktur, wie Präsident Hanspeter Kempf schreibt. Zuletzt hat die Dirigentin ihre Kündigung eingereicht. Während in Baar eine lange Vereinsgeschichte endet, geht es in Unterägeri weiter. Doch auch dieser Chor steht vor Herausforderungen: Man ist auf der Suche nach einem neuen Dirigenten sowie einem Probelokal.
Auch die Chöre Zug und Cham hatten sich bereits 2008 aufgrund von «ungleich besetzten Stimmregistern der Vereine» sowie der «absehbaren Überalterung der Sängerschaft» zusammengeschlossen, wie Lukas Marbacher, Präsident des Männerchors Zug, erklärt.
Schwindendes Interesse am Vereinsleben
Der Mitgliederverlust in vielen Männerchören könne auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sein – die Altersstruktur spiele aber oft eine zentrale Rolle. So haben die Vereine Zug und Cham beide ein Durchschnittsalter von über 75 Jahren, wie Marbacher erklärt. Die Mitglieder würden nicht mehr an den Proben teilnehmen können und Neue kämen kaum hinzu, so Danner. «Seit meinem Beitritt 2018 kam nur eine weitere Person dazu, wohingegen vier ausgetreten sind. Jeder, der geht, tut weh.»
Er sieht dies nicht nur als Problem von Männerchören, sondern spricht allgemein von einem sinkenden Interesse am Vereinsleben. Früher, erinnert sich Danner, habe der Chor einen ganz anderen Stellenwert gehabt. «Damals suchte man die Gemeinschaft viel stärker in Vereinen.»
Auch Kempf betont diese veränderten Bedürfnisse in der Gesellschaft. «Wie bei allen Vereinen ist es schwierig, junge Generationen zu motivieren mitzumachen. Das Angebot ist riesig.» Diese grosse Auswahl an Möglichkeiten führe dazu, dass sich weniger dem Chorleben verschreiben. «Andere Vereine avisieren das gleiche Zielpublikum wie wir», sagt Marbacher.
Die Thematik der Mitgliederzahlen scheint aber nicht erst in den letzten Jahren aufgekommen zu sein. So sei der Männerchor Baar bereits vor 25 Jahren vor ähnlichen Problemen gestanden. «Damals hat sich jedoch nochmals eine Gruppe Sänger zusammengefunden», führt Kempf aus. Auch bei den Kollegen in Unterägeri habe es in der Vergangenheit bereits Anregungen gegeben, einen einheitlichen Männerchor auf Kantonsebene zu gründen, erläutert Danner. Dazu gekommen ist es aber nicht.
Eine Schwierigkeit bei der Gewinnung von Neumitgliedern liegt auch bei der Musikwahl. Danner ist überzeugt, dass «viele Leute nicht angesprochen werden, wenn der Chor sich nur auf traditionelle Musik beschränkt.» Obwohl sein Chor diverse Strategien verfolge, wie Auftritte mit Kinderchören und der Feldmusik sowie Werbung in persönlichen Gesprächen, bleibe dies weitestgehend erfolglos.
Ein Ort für die musikalische und soziale Gemeinschaft
Gleichzeitig räumt er ein, dass viele der älteren Mitglieder an der traditionellen Musik festhalten würden. Es habe schon Anstösse zur Modernisierung der Musik gegeben, aber «sobald diese Diskussion unter 80-Jährigen stattfindet, ist es zu spät».
Diese Verbindung zwischen Tradition und Moderne ist ein Konzept, welches in den Männerchören Zug-Cham bereits Anklang findet. Ihr letztes Konzert «Zytreis» haben sie zusammen mit der Big Band Zug veranstaltet und so traditionelle Chormusik mit moderneren Jazz-Tönen kombiniert.
«Der Chor bleibt somit seinem traditionellen Ursprung treu, ist aber offen für neue musikalische Formate», sagt Marbacher. Auch arbeite man immer öfter mit externen Projektsängern zusammen, um die geringe Mitgliederzahl aufzufangen.
Der Männerchor solle aber trotzdem weiterhin eine Plattform zur gesanglichen Verwirklichung bieten. Der Chor biete nicht nur eine musikalische, sondern auch eine soziale Gemeinschaft, was für viele der Männer wichtig sei, betont Marbacher. «Das gemeinsame Singen fördert das Zugehörigkeitsgefühl und den sozialen Kontakt.»
Dieser Aspekt fällt durch die Auflösung in Baar nun weg. Die ehemaligen Sänger von Baar hätten aber die Möglichkeit, Teil von anderen Männerchören zu werden, denn der Chor Unterägeri habe diese aktiv dazu eingeladen, meint Danner. «Meine Hoffnung ist, dass noch einige Mitglieder zu uns kommen.» (Text: Janine Gruber)