Psychoduell auf weisser Plastikfolie

Theater & Tanz

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Wie überzeugt frau den Regisseur davon, dass sie die perfekte Besetzung ist? Und warum endet alles im Drama?

  • Mathias Ott (links) und Ailin Nolmans gehen in ihren Rollen auf. (Bild Jan Pegoraro)
    Mathias Ott (links) und Ailin Nolmans gehen in ihren Rollen auf. (Bild Jan Pegoraro)

Zug – Schauspielerin Wanda kommt zu spät zum Vorsprechen. Alle, bis auf Regisseur und Autor Thomas, sind bereits gegangen. Wanda schafft es, dass er sie doch noch für die Hauptrolle in seiner Bühnenadaption vorsprechen lässt. Dies ist der Rahmen des Stücks «Venus im Pelz». Allerdings ist es nur ein grob ab­gestecktes Areal für ein Stück der Theatergruppe «GenauSo». Denn wie diese Fläche durch die Truppe gefüllt wird, ist schlicht elektrisierend, und was folgt, ist eine subtile Geschlechterschlacht, ein fesselndes (im Sinne des Wortes) Machtspiel, eine erotische Falle.

Waren Epik und Drama im aristotelischen Drama noch streng getrennt und beanspruchte die klassische Illusionsbühne über Jahrhunderte den Begriff des Theaters für sich, versuchte der Theater-Übervater Bertolt Brecht mit dem gezielten Weglassen von Elementen etwas Neues zu kreieren. Im Fall von «Venus im Pelz» wurde genau dies gemacht: Die bewusste Reduktion auf das Wesentliche zeigt sich etwa im äusserst spektakulären Bühnenbild (Szenografie: Jules Claude Gisler). Dieses wirkt vibrierend, weil es nicht viel mehr ist als eine weisse Plastikplane mit ein paar Eimern. Dies aber so klug und kunstvoll arrangiert, dass man verblüfft ist.

Eine perfekte Fläche (in diesem Fall: Spielwiese!) für die beiden Schauspielenden (Ailin Nolmans als Wanda von Dunajew und der gebürtige Zuger Mathias Ott als Thomas), die bereits nach den ersten Sekunden mit eben diesem Bühnenbild in Symbiose treten. Die beiden Schauspielenden verkörpern nicht einfach Rollen, sie sind die Personen. Ein Kunststück, das oft nicht einmal den ganz grossen Weltbühnenakteuren gelingt. Vielleicht liegt die Glaubwürdigkeit der Figuren daran, dass sich die Schauspielenden mit ihren Charakteren bis ins Detail auseinandergesetzt haben, vielleicht an der grandiosen Regiearbeit von Dalilah König oder schlicht am Talent aller Beteiligten. Fakt ist: Auch wenn man «Venus im Pelz» als Geschichte nicht mag, sich damit vielleicht auch nicht identifizieren will oder kann: Die Schauspielenden begeistern.

Ein Stuhl ist kein Stuhl

«Nach der altbekannten Regel, dass ein Stuhl auf einer Bühne eben nicht nur ein Stuhl auf einer Bühne ist, soll für mich das Erzählen auf der Bühne auf allen verschiedenen Ebenen stattfinden», erklärt Dalilah König ihren Regieansatz. «Die meisten Stücke, gerade wenn es Buchadaptionen sind, tendieren dazu, extrem textlastig zu sein. Dies fokussiert und reduziert bedingterweise aber die möglichen Erzählebenen auf die eine der Sprache. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen ausgewählte, sprachlich verhandelte Dinge auf die Bild-, Aktions- oder Interaktionsebene zu versetzen», führt König weiter aus. Die so herbeigeführte Abstraktion fungiere dabei als Schärfung auf das Wesentliche und gleichzeitig öffne es Gelegenheiten zur eigenen inneren Imagination und Assoziation.

Genau das passiert auch: Denn trotz der Action auf der Bühne, trotz der Eimer, die immer mal wieder in eine Ecke gedonnert werden, bleibt für die Zuschauenden genügend Raum, sich seine eigenen Gedanken zu machen, sich mit den eigenen Bildern auseinander­zusetzen. «Venus im Pelz» thematisiert Sexualität, und der Autor prägte mit seinem Namen – Leopold Sacher-Masoch – entsprechende Praktiken.

Zwei Weltbilder treffen aufeinander

Es geht aber um viel mehr, unter anderem auch, was Macht sein kann: «Zu Macht in zwischenmenschlichen Beziehungen, Kontrolle über Macht und dessen Missbrauch – gerade im Kontext eines patriarchalen, heteronormativ geprägten Systems – hatten wir gruppenin­tern bereits etliche Diskurse geführt und immer wieder performative Auseinandersetzungen damit gesucht», erklärt Schauspielerin Ailin Nolmans. «Wir vertreten alle feministisch geprägte Ideale und fanden es daher naheliegend und auch sehr wichtig, mit diesem Stück auf gewisse Problematiken oder Diskrepanzen aufmerksam zu machen, die auftreten, sobald zwei Weltbilder aufeinander treffen – das sehr progressive von Wanda und im Kontrast dazu Thomas, der an eher veralteten Strukturen festhält, denjenigen, die zur Zeit des Originals ‹Venus im Pelz› eben auch wegweisend waren», so Ailin Nolmans weiter.

«Venus im Pelz» ist atemberaubend gespielt, stark besetzt, umwerfend und visuell faszinierend inszeniert mit einer Thematik, die aktueller denn je ist. (Haymo Empl)

Hinweis
«Venus im Pelz», heute Abend letzte Vorstellung im Burgbachkeller. Tickets unter www.burgbachkeller.ch.