Von der «Amerikanisierung» überrumpelt
Dies & Das
Der gläserne Kubus reflektiert seit bald vier Jahrzehnten seine Umgebung: Das «Dallas-Haus» sorgte einst für Irritation – es war eines der ersten seiner Art in der Schweiz. Die Architektur des modernen Bauzeugen hat ihre Zeitlosigkeit bis heute behalten.
Zug – Glas als Baustoff scheint sich seit jeher als zeitloser zu erweisen als die meisten anderen Materialien. Verspiegelte Glasfassaden hatten schon immer etwas Futuristisches, selbst die komplett verglasten Relikte des postmodernen Baubooms in den USA der 1960er- und 1970er-Jahre machen noch heute eine erstaunlich gute Figur innerhalb wachsender Skylines. So kommt es wohl auch nicht von etwa, dass man beim neuen World Trade Center in Manhattan ebenfalls Glas für die Fassadenverkleidung verwendet hat. Es ist ein etabliertes Baumaterial, das nicht nur funktional ist, sondern eben auch ästhetisch nachhaltig und seit Jahrzehnten bleibend zeitgemäss daherkommt.
Von dieser Zeitlosigkeit scheint auch der «gläserne Würfel» der Zuger Kantonalbank zwischen Bahnhof und Metalli nichts eingebüsst zu haben – inmitten der Neustadtverbauung setzt er einen schimmernden, stark prägenden Akzent. Das wahre Alter des Gebäudes lässt sich – wenn überhaupt – erst beim zweiten oder dritten Blick erahnen: Es ist mit mittlerweile 36 Jahren alt genug, um bereits eine einigermassen bewegte Geschichte zu haben. Angesichts der Tatsache, dass es zur Entstehungszeit eines der ersten – wenn nicht das erste – vollverglasten Gebäude der Schweiz war, erstaunt es kaum, dass man dieser Neuheit im provinziellen Zug sehr ambivalent gegenüberstand. Die für damalige Zeiten sehr fortschrittliche und sich auch heute noch bewährende Bauweise ermöglichte es, dass das Haus in ungeahnter Rekordzeit in die Höhe wuchs. Innerhalb weniger Tage war die Konstruktion aus Stahlstützen mit der verspiegelten Fassade ummantelt. Viele Zuger waren mit dem plötzlich erkennbaren Resultat überfordert. Obschon seit Planungsbeginn bekannt war, dass hier etwas mit viel Glas entstehen würde, hatte sich keiner ein wirkliches Bild machen können, wie das Bauwerk tatsächlich aussehen wird. Schnell war mit «Dallas-Haus» ein Spitzname für das Gebäude gefunden. Dies, weil damals die gleichnamige Serie auch in Europa über fast jede Mattscheibe flimmerte und die Leute solche Architektur von der postmodernen Skyline der texanischen Metropole kannten. War das jetzt der Beginn der Amerikanisierung Zugs? Der heimliche Spott und Argwohn der Bevölkerung schien aber schnell zu schwinden und einer gewissen Faszination zu weichen. Das «Dallas-Haus» war bald eines der begehrtesten Fotomotive weit und breit.
Das Gebäude steht an einem geschichtsträchtigen Ort: Ab 1926 hatte hier das vom Zuger Büro Keiser&Bracher errichtete Gebäudeensemble der Destillation Paul Etter Söhne gestanden. Nachdem das Zuger Traditionsunternehmen in den 1970er-Jahren die Produktionsstätte in den Choller verlegt hatte, sollte am früheren Standort ein Bürogebäude die alte Fabrik ersetzen. Doch wegen unsicherer Wirtschaftslage distanzierte sich Etter vom bereits vollständig ausgearbeiteten Projekt der Zuger Architekten Derungs&Achleitner und fand mit dem umstrittenen Investor und Rohstoffhändler Marc Rich einen Käufer. Dieser liess die Pläne im Jahre 1982 umsetzen und machte den gläsernen Kubus zu seiner Firmenzentrale. 1996 erwarb die Zuger Kantonalbank das «Dallas-Haus» und unterhält hier bis heute ihre Geschäftsstelle Zug-Bahnhof.
Die Zukunft des reflektierenden Glaskubus an prominenter Lage ist nach wie vor ungewiss. Je nachdem, wie es mit dem Bebauungsplan «Baarerstrasse West» weitergeht, könnte er aus dem Stadtbild verschwinden. Was zu bedauern wäre, verlöre die Stadt Zug doch einmal mehr einen bedeutenden architekturhistorischen Zeitzeugen. (Andreas Faessler)
HinweisMit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Details mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.