Die Trennung war unvermeidlich

Kunst & Baukultur

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Die neue Präsidentin der Zuger Kunstgesellschaft Silvia Graemiger spricht erstmals im Interview über die Hintergründe der Turbulenzen im Kunsthaus Zug.

  • Silvia Graemiger, Präsidentin der Zuger Kunstgesellschaft, vor dem Eingang des Kunsthauses Zug. Bild: Jakob Ineichen (11. 11. 2025)
    Silvia Graemiger, Präsidentin der Zuger Kunstgesellschaft, vor dem Eingang des Kunsthauses Zug. Bild: Jakob Ineichen (11. 11. 2025)
Zug –
Wie kam es zur plötzlichen Beurlaubung und späteren Kündigung Matthias Haldemanns?

Die Medienmitteilung über die Beurlaubung Matthias Haldemanns im April war nur ein Detail der Geschehnisse. Für die Metrum-Analyse zur Zuger Museumslandschaft und zum Kunsthaus Zug wurden rund 570 Personen auch zum Führungsstil Haldemanns befragt. Hierbei kamen einige zwischenmenschliche Defizite zum Vorschein. Ebenfalls sind die Besucherzahlen in den letzten Jahren markant zurückgegangen. Noch gravierender war aber die Personalfluktuation. Seit 2022 sind 14 Leute gegangen.

Also war die Art und Weise, wie man ihn beurlaubt hat, aus Ihrer Sicht berechtigt?

Jede Trennung ist schmerzlich, diese hingegen war unvermeidlich, um ein sozial verträgliches Arbeitsklima im Kunsthaus zu gewährleisten. Das war damals leider aus unserer Sicht nur mit diesem extremen Schritt möglich. Was in der ganzen Diskussion jedoch unterging: Wie steht es um die Schicksale der zahlreichen Angestellten, die keine sechsmonatige Kündigungsfrist haben? Sie stehen finanziell weitaus schlechter als der Direktor da.

Hatte man vorgängig das Gespräch mit Haldemann gesucht und wie hatte sich das gestaltet?

Ja, es gab in der Vergangenheit eine Mediation und auch Workshops mit Führungs-Coaching. Das alles führte nicht zur nachhaltigen Verbesserung des Arbeitsklimas. Im Februar kam es dann erneut zu Kündigungen, und man suchte mehrfach das Gespräch mit ihm. Ausserdem stand das Programm 2026/27 damals nicht mal ansatzweise, und das Budget 2025 konnte nicht abgesegnet werden. Da kam einiges zusammen, weshalb sich der Vorstand gezwungen sah, die Notbremse zu ziehen. Ab da nahmen die Spannungen innerhalb des Teams merklich ab. Haldemanns Führungsstil stand schon länger in der Kritik, unter anderem aus diesem Grund wurde die Metrum-Analyse in Auftrag gegeben.

War Haldemanns Kündigung rechtens?

Aus unserer Sicht, ja.

Stehen Sie in Kontakt mit ihm?

Nein, im Moment nicht.

Stand das Ausstellungsprogramm im Zusammenhang mit den schwindenden Besucherzahlen?

Das Programm war hochkarätig. Doch das Kunsthaus war in den letzten Jahren nicht publikumsorientiert. Das Kunsthaus hat aber einen Leistungsauftrag von Stadt und Kanton Zug. Und wenn es nicht gelingt, dem Auftrag gerecht zu werden, folgt Kritik und Unverständnis. Der Wunsch nach mehr zeitgenössischer und lokaler Kunst wurde oft geäussert. Dieser wird in der Zwischenzeit aktiv umgesetzt.

Personen, die hinter Haldemann stehen, finden, dass das Kunsthaus ohne seine Arbeit der letzten 35 Jahre keinen so renommierten Ruf hätte. Was sagen Sie dazu?

Durch ihn und sein Umfeld wurden viele Künstlerinnen und Künstler ins Haus gebracht. Er hat unbestritten vieles für die Stadt und das Kunsthaus geleistet. Doch man muss hierbei auch zu bedenken geben, dass Haldemann das Gesicht der Endprodukte war. Die Arbeit dahinter, an der diverse Personen beteiligt waren, sieht man dabei nicht.

Haben Beziehungen zu Künstlerinnen und Künstlern unter den Geschehnissen gelitten?

Nein, wir haben trotz allem die Beziehungspflege weitergeführt. Beispielsweise sind ein Vorstandsmitglied und ich im Juni an eine Ausstellung von Emilia Kabakov gereist, um uns mit ihr auszusprechen und ihr unseren Wunsch mitzuteilen, dass die Zusammenarbeit mit ihr im gleichen Stil weiterlaufen soll. Ansonsten wäre die Ausstellung im Schaudepot möglicherweise nicht zustande gekommen.

Wurden die eingereichten Fragen zu Haldemanns Entlassung von den Mitgliedern der Kunstgesellschaft Zug, Laurent Burst und Armin Jans (siehe Box), mittlerweile beantwortet?

Die habe ich beantwortet und dabei zentrale Fakten genannt. Sie zeigen sich damit nicht zufrieden. Ich hoffe, dass sich ihre Meinung ändert. Das sind kunstaffine Leute, die wir gerne weiterhin auf unserer Reise mit dem Kunsthaus dabeihätten.

Wie war Ihr Start als neue Präsidentin der Kunstgesellschaft Zug?

Der Start war wegen der Geschehnisse holprig, was mich zusätzlich motivierte. Es geht mir schlussendlich um das verbindende Element Kunst, an dem wir weiterhin Freude haben sollten. Vereinzelt kommt weiterhin Kritik. Gewisse Personen, die sich anfangs kritisch geäussert haben, sind inzwischen aber auch auf mich und den neuen Vorstand zugekommen und erkennen nun die Chance für die Neuausrichtung. Es wäre schön, wenn wir mit vereinten Kräften die Zukunft des Kunsthauses gestalten könnten.

Was halten Sie von der Metrum-Analyse?

Sie ist faktenbasiert und eine sehr gute Vorlage, die uns Chancen für die Weiterentwicklung der Zuger Kunstlandschaft aufzeigt. Die Analyse enthält zwölf Handlungsfelder zu Themen wie Führung, Leitbildentwicklung oder Betriebskonzept, die wir alle abarbeiten möchten. Die Beratungsfirma Metrum wird uns dabei begleiten. Die Idee eines Museumsquartiers finde ich grossartig. Hierfür hat sich der Zuger Museumsverein zusammengetan, der diese Idee weiterverfolgt.

Was ist Ihre Zukunftsvision?

Mir schwebt ein Zusammenschluss der Kunstgesellschaft Zug und der Stiftung Freunde Kunsthaus Zug vor, was auch in der Potenzialanalyse empfohlen wird. Ich würde mich dabei als Präsidentin des zusammengelegten Gremiums zur Verfügung stellen und mit Herzblut zum Gelingen einer zukunftsfähigen Zuger Kunstlandschaft beitragen.

Wie steht es um den Erweiterungsbau?

Ein Bau zwischen Stadtmauern und im Keller gefällt mir nicht. Das widerspricht meinem Verständnis, Kunst zugänglich zu machen. Da gäbe es so viel bessere Möglichkeiten, wie beispielsweise im Zurlaubenhof oder auf dem Theilerplatz. Ich stelle mir dabei eine Art Kunsthaus Unlimited vor, bei dem auch Installationen an verschiedenen Plätzen in der Stadt ausgestellt werden. Eine Kunstakademie und Ateliers für angehende Künstler wären denkbar sowie passende Einkehrmöglichkeiten. Und wieso nicht eine NFT- oder AI-Galerie passend zum Crypto Valley Zug?

Wird für 2026 ein neuer Direktor oder eine neue Direktorin für das Kunsthaus Zug gesucht?

Nein, eine einzelne Person kann kein neues Ökosystem aufbauen, welches für die Zukunft des Kunsthauses essenziell ist. Der neue Vorstand möchte künftig zusammen mit der Geschäftsleitung gemeinsam die Kultur des kooperativen Führungsstils umsetzen. (Interview: Tijana Nikolic)