Das Gesicht, das Schweben, die Paare …

Kunst & Baukultur

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Beat Schmid-Maibach stellt in der Zuger Altstadthalle seine Gemälde und Zeichnungen aus. Der ehemalige Zeichnungslehrer hat sich seit der Pensionierung konsequent in seine Kunst vertieft.

  • «Vor Augen – hinter Sinnen»: Beat Schmid-Maibachs Motive scheinen rätselhaft. (Bild Stefan Kaiser)
    «Vor Augen – hinter Sinnen»: Beat Schmid-Maibachs Motive scheinen rätselhaft. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Das gemütliche Wohnzimmer im alten Oberwiler Holzhaus ist vollgestellt mit grossen und kleineren Bildern in unterschiedlichen Formaten – alle sorgfältig gerahmt, abhol­bereit, wie es scheint. Am Donnerstag, 1. September, sollen sie in die Altstadthalle transportiert und wohlüberlegt über die vier Etagen verteilt werden. Der Plan dafür liegt auch bereit, gleichsam eine Miniatur der Ausstellung «Vor Augen – hinter Sinnen», mit der Beat Schmid-Maibach vom 2. bis zum 8. September die Früchte seiner künstlerischen Arbeit der letzten sechs Jahre einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht.

Das Plakat zur Ausstellung zeigt ein Gesicht, das halb verborgen ist hinter dunkelblauen und gelben wie Vorhangstreifen von oben nach unten wallenden Linien. Das eine sichtbare Auge ist gross auf den Betrachter gerichtet. Dieses rätselhafte Motiv erscheint auch auf anderen der intensiv farbigen Acrylgemälde.

«Mich interessiert das Dahinter, das Darunter, das, was mir aus den Dingen der Welt entgegentritt, was mich anschaut, das Ungekannte und Unbewusste. Was ist es? Ich möchte ihm auf die Spur kommen», beschreibt es der darstellende Künstler. «Es gleicht dem, was unter dem Wasser ist, wohin ich keinen direkten Zugang habe, das Schicksal vielleicht oder die Kräfte, denen wir ausgeliefert sind.» Dieses «Gesicht», das ihm aufscheint, hat daher auch etwas Respektheischendes: Vielleicht darf man die Grenze, die es beschützt, nicht so ohne weiteres überqueren.

Wenn Schmid-Maibach von seinen Bleistiftzeichnungen, Acryl- und Aquarellgemälden spricht, wird sofort der Kanal spürbar zwischen innerem Erleben von Welt und Alltag einerseits und den Farben und Formen, die zum Ausdruck drängen, andererseits.

Das künstlerische «Ich» als Schwimmer im Meer

Das künstlerische «Ich» ist ein gleichzeitig entspannter und gefährdeter Schwimmer im Meer, unter helldunklem Horizont. Einer, der sich umsieht, Menschen, Landschaften, Bäume und Fluss, Sonne und Mond beobachtet und deren Energie wahrnimmt und zu manchmal dramatischen und gefährlichen Konstellationen gestaltet – zwischen Geburt und Tod, irdischen Kräften und der Auf­lösung im Kos­mischen.

Nicht zufällig ist es also, dass die weiblichen und männlichen Figuren in Schmid-Maibachs Bildern eigentlich fast nie auf festem Boden stehen, sondern schweben, fliegen, gleiten, tauchen, auf- und niedersteigen – zwischen Licht und Schatten. Eingespannt in die Senkrechte. Und manchmal kommt das Dunkle von oben und das Helle von unten. Die Kunst fängt bei Schmid-Maibach häufig in der Natur an, auf dem Zugersee, beim Paddeln auf der Lorze, vor der Rigi oder im Sihlwald, der sich seit zwei Jahrzehnten zum Urwald entwickelt.

Neue Zeiträume für die Kunst

Aufgewachsen und zur Schule gegangen ist der Künstler in Oberwil und Zug. Nach dem Abschluss des Studiums an der Zürcher Hochschule der Künste unterrichtete er zunächst an der Kanti Zug und dann an seiner «Lebensstelle» – 36 Jahre lang mit viel Freude an der Fachmittelschule Zug. Schmid-Maibach: «Ich habe mit 62 mit meinem Traumberuf aufgehört, um noch genügend Antrieb für das eigene Schaffen zu haben.»

Nachdem der hoch getaktete Schulalltag sein Ende gefunden hat, erlauben ihm neue Zeiträume, sich vertieft dem Zeichnen und Malen zu widmen. Jeden Morgen von 8 bis 13 Uhr darf ihn keiner stören, auch nicht seine Frau mit einem Kaffee, denn da zieht es ihn in sein Malzimmer, wo Staffelei, Papier, Bleistifte und Acryl­farben zu Medien einer ungewöhnlich intensiven Innenschau werden.

Nähe – ersehnt und doch verletzend

Eines der wichtigsten Themen in den Arbeiten von Schmid-Maibach ist die Paarbeziehung, Mann und Frau und die Erotik zwischen ihnen – und die ist in einigen Bleistiftzeichnungen alles andere als unkompliziert. Da hängen Körper wie siamesische Zwillinge aneinander, am Rücken unauflösbar zusammengeschweisst, obwohl jeder wegzustreben versucht: Nähe scheint zutiefst ersehnt und gleichzeitig doch verletzend, ja qualvoll. Lange, unendlich ­lange Haare haben beide Geschlechter, und immer sind sie verwoben über diese Haare, «die Potenz symbolisieren», wie der Künstler sagt. Die teils verstörenden Bilder sind Stellungnahmen zur Sexualmoral, denen Katholiken bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ausgeliefert waren.

Beat Schmid ist nicht nur ein Augenmensch. Er muss zu seinen Bildern manchmal auch schreiben, muss sich aus dem Visuellen eine verbale Bewusstheit herausdestillieren. Und er fotografiert: In den Jahren 2006 und 2016 sind Fototagebücher entstanden, in denen jeweils 365 Aufnahmen aus dem Alltag mit den von ihnen ausgelösten Texten versammelt sind. 2026 hat er dies noch einmal vor. (Text von Dorotea Bitterli)

«Vor Augen – hinter Sinnen» in der Altstadthalle am Freitag, 2. Sept., 18 Uhr. Offen 3.–7. Sept., 10–13 und 17–22 Uhr; 8. Sept., 10–13 Uhr. Finissage am 8. Sept., 11.30 Uhr, mit dem Multiinstrumentalisten Michael Bucher und der Saxofonistin Fabienne Hoerni.