Orgelmusik abseits ausgetretener Pfade

Musik

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Am Gastkonzert von Ursula Grahm in Cham erklang wenig bekannte moderne Orgelmusik des 20. Jahrhunderts.

  • Ursula Grahm spielte an der Orgel der Chamer Pfarrkirche ein Programm mit Seltenheitswert. Bild: Jan Pegoraro (Cham, 21. 5. 2025)
    Ursula Grahm spielte an der Orgel der Chamer Pfarrkirche ein Programm mit Seltenheitswert. Bild: Jan Pegoraro (Cham, 21. 5. 2025)

Cham – Trotz ungünstiger Voraussetzungen – kaum bekanntes Programm und Starkregen unmittelbar vor Konzertbeginn – konnte der Hauptorganisator Olivier Eisenmann in der Pfarrkirche St. Jakob Cham eine grössere Gruppe Getreuer begrüssen. Auch mit dem 43. und letzten Zyklus der Internationalen Zuger Orgeltage blieb man beim Grundkonzept: Die Ausführenden verschiedenster Nationen waren gehalten, einen grösseren Teil des Programms mit wenig bekannten Werken von Komponisten ihrer Herkunftsländer zu gestalten.

Wie schon beim ersten Konzert betraf die Internationalität sogar noch die Musiker direkt: Die gebürtige Warschauerin Ursula Grahm verliess ihre ursprüngliche Heimat, und nach der Ausbildung in verschiedenen westeuropäischen Ländern lebt und musiziert sie seit vielen Jahren in Schweden. Interessante Parallelen auch zu dem ihr persönlich bekannten Bedřich Janáček (1920–2007), welcher der Solistin die zu Beginn des Programms gespielte Intrada gewidmet hatte: Geboren in Prag, emigrierte er bereits 1948 nach Schweden und verbrachte sein weiteres Leben in diesem Land. Mit dem viel bekannteren tschechischen Spätromantiker und Opernkomponisten Leoš Janáček (1854–1928) ist er nicht verwandt. Interessanterweise zeigten sich bei einmaligem Anhören der Intrada und der Orgelsuite aber trotzdem gewisse stilistische Kongruenzen, etwa in der behutsamen Erweiterung der Tonalität und späterer Rückkehr in konventionellere Harmonien.

Werkwahl als Gegenpol

Ursula Grahm gilt als ausgezeichnete Interpretin der Orgelwerke von Johann Sebastian Bach. Sie wählte aber nicht unter den jedem gewieften Organisten und auch vielen Leuten im Publikum wohl bekannten Hauptwerken. Mit Fantasie und Fuge a-Moll, BWV 561, setzte sie wohl ganz bewusst einen Gegenpol. Bei dieser Komposition bestehen gleich mehrfache Zweifel – an der Autorschaft des Komponisten, am Entstehungszeitpunkt sowie am zugedachten Instrument, das sehr wohl ein damals recht häufig verwendetes Pedalcembalo wie eine Kirchenorgel gewesen sein könnte. Der komplexe Notentext erschien auch ohne Orgelpedal spielbar, was die Organistin durch den Verzicht auf Register in der 16-Fuss-Lage unterstrich, welche zusätzliches Volumen nach unten gebracht hätten.

Die «B-A-C-H-Fuge» von Heinz Bernhard Orlinski (1928–2012) brachte die bekannte Tonfolge schon als Einstieg. Später erschien sie fast nur noch in umgestellter Struktur. Was hätte wohl Bach selbst zu den zahlreichen Staccato-Einsätzen gesagt? Solche waren in der Barockepoche auf der originalen Silbermann-Orgel fast unausführbar, liessen sich aber für das Chamer Orgelwerk gut spieltechnisch adaptieren.

Seltenes aus dem Norden

Ebenso die beiden Werke des 1953 geborenen Johan-Magnus Sjöberg erklangen wohl zum ersten Mal im Kanton Zug. Der von der amerikanischen Musikkultur beeinflusste Komponist schuf klare, auch für das weniger geschulte Publikum gut nachvollziehbare Strukturen, welche diesmal die reichen spieltechnischen Möglichkeiten des grossen Instruments voll ausloteten. An die Fantasie des Publikums appellierte der «Sennhütten-Choral» von Oskar Fredrik Lindberg (1887–1955): Inspiriert ist die Musik von einem Volkslied der mittelschwedischen Provinz Dalarna mit viel Viehzucht, einmal auch aktivem Bergbau und heute vor allem Tourismusgebiet.

Die abschliessende Toccata des Franzosen Henri Mulet (1878–1967) liess den dahinter stehenden gregorianischen Choral «Tu es petra» höchstens andeutungsweise erkennen. Als Katholik verzichtete Mulet ausdrücklich auf jenen Passus, welcher den Apostel mit seinen Nachfolgern als Stellvertreter Christi bis zu dessen Wiederkunft einsetzt und so das Papsttum rechtfertigt.

Hinweis

Nächstes Konzert der Zuger Orgeltage: Sonntag, 15. Juni, 19 Uhr, Pfarrkirche Bruder Klaus Oberwil


(Text: Jürg Röthlisberger)