Illusionistische «Raumerweiterung»

Kunst & Baukultur

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Mit seiner namenlosen, rund 1000 Quadratmeter grossen Wandgestaltung im Kaufmännischen Bildungszentrum Zug experimentiert der österreichische Künstler Peter Kogler mit der räumlichen Wahrnehmung.

  • Peter Koglers «Rohr-Netzwerk» im Kfm. Bildungszentrum am Aabach ist stockwerkübergreifend. (Bild Mathias Blattmann)
    Peter Koglers «Rohr-Netzwerk» im Kfm. Bildungszentrum am Aabach ist stockwerkübergreifend. (Bild Mathias Blattmann)

Zug – Der Karlsplatz ist einer der Hauptknotenpunkte im Wiener U-Bahn-Liniennetz. Knapp eine Viertelmillion Menschen frequentiert diesen Ort täglich. Wer hier die Gelegenheit geboten kriegt, mit einem raumfüllenden Kunstwerk dauerpräsent zu sein, hat wahrlich Glück – und es ist naheliegend, dass die Bedeutung dieser Person weit über die Stadtgrenzen hinausreicht.

Tatsächlich: Wer mit den Kunst- und Bildungseinrichtungen der Stadt Zug einigermassen vertraut ist, dem dürfte die riesenhaft-illusionistische Wandinstallation am Wiener Karlsplatz in der Gestalt eines netzwerkartigen Gebildes aus miteinander mehrfach verstrebten Röhrenformen nicht ganz unbekannt vorkommen. Dieses Kunst-am-Bau-Monument ist ein Werk des gebürtigen Innsbruckers Peter Kogler (*1959), errichtet im Jahre 2012. Der international bekannte und mehrfach ausgezeichnete Multimediakünstler lebt und arbeitet in Wien. Sein Studium hat er an der dortigen Akademie der bildenden Künste absolviert.

Wie die Nervenbahnen eines Körpers

Seit 2001 – also über ein Jahrzehnt vor der Karlsplatz-Gestaltung – ist Kogler in der Stadt Zug präsent: Für das damals vom Zuger Architekturbüro Wiederkehr Krummenacher (heute Antosch) errichtete Kaufmännische Bildungszentrum an der Aabachstrasse hatte er den Auftrag für die Wandgestaltung im Gebäudeinnern erhalten. Das sechsgeschossige verglaste Gebäude verfügt über zwei Treppenanlagen. Die über alle Stockwerke reichenden Betonkerne sind mit einem dreidimensional wirkenden Netz aus verschiedenfarbigen Rohren von variierender Mächtigkeit überzogen. In ihrer Gesamtwirkung ähneln sie der Installation am Wiener Karlsplatz, sodass sich einem der Künstler dahinter sogleich als ein und derselbe erschliesst. Doch im Gegensatz zu den grafisch perfekten «Röhren» in Wien mit einwandfreier Aussenhaut sind diejenigen an der Aabachstrasse in Zug farblich und hinsichtlich Kontur derart gestaltet, dass sie unregelmässig, ja zuweilen verbeult wirken – als würden sie nicht aus einem harten Material wie Eisen oder Stahl bestehen, sondern aus einem weichen, leicht verletzlichen. Sie evozieren gar die Assoziation zu etwas Organischem wie den Nervenbahnen eines Körpers. Diese Eigenheit der Wandgestaltung im Kaufmännischen Bildungszentrum setzt einen deutlichen Gegenakzent zur architektonischen Strenge und Gradlinigkeit des Gebäudes.

Optisch sich verändernde Räume

So erfüllt das knapp 1000 Quadratmeter grosse Kunstwerk den Grundauftrag von Koglers typischen Kunst-am-Bau-Interventionen: Sie wollen die Grenzen der Architektur durchbrechen, auflösen. Sie verändern die optische Wahrnehmung sowie die eigentliche Geometrie des Raumes dynamisch und erweitern diesen illusionistisch. Dies erreicht Kogler unter Verwendung von seriellen Ausformungen, die er immer neu aneinanderreiht und zusammensetzt. Obschon das Gefüge somit in sich repetitiv ist, nimmt man es meist als ständig sich ändernd wahr.

Diese Ausformungen respektive Elemente werden von Kogler am Computer generiert, hierauf mittels Siebdruckverfahren physisch auf Leinen oder Papier erstellt und auf die Wand gebracht. Da Koglers illusionistischen Werke hauptsächlich im öffentlichen Raum zu finden sind, adressieren sie sich an ein Publikum, das in Bewegung ist und so die Erfahrung macht, für einen Augenblick in eine andere Dimension transportiert zu werden.

So ergeht es auch den Besucherinnen und Besuchern des Kunsthauses Zug. 2010 hat Peter Kogler Wände und Decke der dortigen Cafeteria anlässlich einer Ausstellung flächendeckend mit einem illusionistischen Netzgebilde überzogen und den gesamten Raum so in Gebilde verwandelt, die sich laufend zu bewegen scheinen. Nach Ende der Ausstellung ist die «Wandinstallation» geblieben und vermittelt den Besucherinnen und Besuchern des Kunsthauses bis heute ein einzigartiges Raumerlebnis. (Text von Andreas Faessler)

Hinweis In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fund­stücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.