Als in «Rothkreuz» der grösste Bahnhof im Kanton Zug stand

Brauchtum & Geschichte

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Am 31. Mai 1897 wurden die Eisenbahnlinien Thalwil–Zug und Zug–Goldau in Betrieb genommen. Die epochale Schaffung des Bahnknotens Zug wird am 3. September 2022 mit einem grossen Fest in Zug gefeiert. Wir nehmen dies als Anlass für eine lockere Folge von zehn Episoden aus der Zuger Eisenbahngeschichte.

  • Die Linienführung der Südbahn mit Abzweiger gegen Zug gemäss Vorschlag «Grosser Rath Zug» war chancenlos. (Bild Staatsarchiv Zug)
    Die Linienführung der Südbahn mit Abzweiger gegen Zug gemäss Vorschlag «Grosser Rath Zug» war chancenlos. (Bild Staatsarchiv Zug)
  • Die Bahnhofsanlage  Rothkreuz blieb bis in die 60er-Jahre kaum verändert – bis auf die Elektrifizierung mit ihren Anlagen und dem Stellwerk 1911. Man beachte die ungeteerten «Perrons». (Bild Sammlung Richard Hediger)
    Die Bahnhofsanlage Rothkreuz blieb bis in die 60er-Jahre kaum verändert – bis auf die Elektrifizierung mit ihren Anlagen und dem Stellwerk 1911. Man beachte die ungeteerten «Perrons». (Bild Sammlung Richard Hediger)
  • Die Barriere Rothkreuz als Ärgernis für den Strassenverkehr. (Bild Sammlung Richard Hediger)
    Die Barriere Rothkreuz als Ärgernis für den Strassenverkehr. (Bild Sammlung Richard Hediger)

Zug – Der offizielle Name der Gemeinde passt irgendwie nicht mehr – Risch ist ein kleines Dorf – Rotkreuz bald die Stadt in der Gemeinde. Weshalb im Logo der Gemeinde inzwischen auch noch «Rotkreuz» steht. Auf ­alten Karten findet sich kein Rotkreuz, und lange spielte Buonas die zentrale politische Rolle in der Gemeinde Risch – noch bis 1959 befanden sich Kanzlei und der Saal für die Gemeindeversammlungen im «Wildenmann».

Die paar Häuser an einer Wegkreuzung wurden erst zum richtigen Dorf, als die Eisenbahn kam. Oder wie der Lokalhistoriker Richard Hediger in seinem grossen Opus «Rotkreuz wie es fast keiner mehr kennt» schreibt: «Eigentliche Schöpferin der Ortschaft Rotkreuz war aber die Eisenbahn.» Dass es das Dorf «Rothkreuz» überhaupt gibt, war dem Gewinnstreben der Nordostbahn (NOB) zu verdanken: In der Gemeinde wollte man die Eisenbahnhaltestelle weiter zum See in Rüti (in der Volkszählung 1860 wies die nähere Umgebung von Rothkreuz 117 Einwohner, für Unterrüti aber 417 Einwohner aus). Die NOB rechnete aus, dass in Rothkreuz das weit gefasste Einzugsgebiet grösser wäre, und stellte «mitten in der Pampa» eine Bahnstation hin. Der Katasterplan von 1858 zeigt neben der geplanten Bahnstation gerade mal zwei Häuser und einige Scheunen und Landwirtschaftsgebäude.

1864 – eine «Station III Classe»

Rothkreuz lag an der Strecke Zürich–Zug–Luzern, welche durchs Säuliamt («Reppischlinie») führte und 1864 eröffnet wurde. Eine «Station III Classe» wie in Gisikon und Ebikon musste reichen. In Bezug auf die Passagierzahlen war Rothkreuz schwach frequentiert. Im Rechenschaftsbericht des Zuger Regierungsrates zur «Zürich–Zug–Luzernbahn» für das Jahr 1874 «nehmen nach Personenzahl und Gütergewicht die kantonalen Haltestellen folgenden Rang ein: Zug: 3 + 2, Cham 4 + 4, Rothkreuz: 12 + 8». Zug hatte also das drittgrösste Personenaufkommen und den zweitgrössten Güterumschlag. Dass der Güterverkehr in Rothkreuz eine grössere Rolle spielte, dürfte den Milchlieferungen an die Anglo Swiss Milk in Cham geschuldet sein. Es war eine kleine Siedlung entstanden, ohne Aussicht auf grössere Weiterentwicklung.

Die Gotthardbahn ändert alles

1869 änderten sich die Perspektiven – der Staatsvertrag zum Bau der Gotthardbahn wurde zwar vorerst nur von der Schweiz und Italien unterschrieben, löste aber sofort hektische Eisenbahnbau-Aktivitäten im ganzen Einzugsgebiet dieser ersten Alpenquerung auf Schweizer Boden aus. Nachdem am 28. Oktober 1871 auch «Deutschland» unterschrieben hatte – nach dem Ende des deutsch-französischen Krieges und der Schaffung des Deutschen Reiches – wurde sofort mit dem Bau begonnen.

Nördlich des Gotthards waren im Vertrag explizit die folgenden Bahnstrecken aufgeführt, die bis am 6. Dezember 1880 fertiggestellt sein mussten:

  • Flüelen–Göschenen,
  • Luzern–Küssnacht–Goldau,
  • Zug–St. Adrian–Goldau,
  • Goldau–Flüelen.

 

Nicht im Staatsvertrag enthalten, aber von Initiativkomitees und interessierten Bahngesellschaften geplant, waren weitere nördliche Zugänge – uns interessieren hier folgende:

 

  • Zufahrt von Zürich her über die schon bestehende «Reppischlinie» via Cham und einer Spange bei Rotkreuz direkt nach Immensee, wo sie sich mit der Linie von Luzern her vereinigt hätte.
  • In Konkurrenz dazu als Abzweiger der linksufrigen Zürichseebahn die Verbindung von Zürich her über «Thalweil-Zug».
  • Für den Transit Deutschland–Italien als Zulauf von Basel her die Bötzbergbahn (Basel–Frick–Brugg) und die aargauische Südbahn (Aarau–Lenzburg–Wohlen–Muri–Rothkreuz–Immensee) mit einem Verbindungsstück zwischen Bötzbergbahn und Südbahn (Brugg–Hendschiken).

 

Südbahn über Cham?

Der Kanton Zug war mittendrin im Einzugsgebiet all dieser Projekte, und er hatte seine eigenen Vorstellungen, insbesondere was den Streckenverlauf der aargauischen Südbahn auf seinem Gebiet betraf. Von Anfang an hatten die Aargauer eine Linienführung über Rothkreuz vorgesehen. Diese wurde von der «Aargauischen Südbahn» – wie das «Joint Venture» von Schweizerischer Centralbahn (SCB) und NOB hiess – übernommen. Zug wollte eine andere Linienführung – eine, die über Cham ging und die Stadt Zug mit der Südbahn verband (siehe Karte).

Bis zur Revision des ersten Eisenbahngesetzes von 1852 waren die Kantone die Konzessionsgeber für die Eisenbahnstrecken. Aus diesem Grund benötigte die Südbahn für den Streckenabschnitt Muri–Rothkreuz auch eine Konzession des Kantons Zug. Der Grosse Rath des Kantons Zug verlangte mit Beschluss vom 10. Juni 1872 eine Linienführung über Cham. Die Abstimmung erfolgte mit 56 zu 6 Stimmen – die 6 Stimmen stammten aus Risch und Hünenberg.

Eine daraufhin anberaumte Konferenz in Bern mit NOB und SCB, dem Zuger Regierungsrat und dem zuständigen Bundesrat Welti am 23. August 1872 blieb jedoch erfolglos, «weil die Bahndirektoren erklärten, dass sie von der mit Aargau vertraglich festgelegten Linie nicht mehr abgehen können und auch von der Erstellung einer Zweigbahn Sins–Cham nichts wissen wollten.» (Rechenschaftsbericht 1872 Regierungsrat Zug) Daraufhin erklärte der Zuger Regierungsrat, an der «Schlussnahme des Grossen Rathes» einfach festzuhalten. Das nützte nichts, denn am 1. April 1873 trat das revidierte Eisenbahngesetz in Kraft und die Konzessions­hoheit wechselte zum Bund.

Nein, über Rothkreuz!

Die Verantwortlichen der Südbahn nahmen es denn auch ­gelassen. Zitat aus dem Geschäftsbericht von 1873 zum Streckenabschnitt Muri–Rothkreuz–Immensee: «Da vertragsgemäss diese Strecke erst auf den Zeitpunkt der Vollendung des Gotthard-Tunnels in Betrieb gesetzt werden soll, so kann mit dem Beginn der Bauarbeiten noch zwei bis drei Jahre zugewartet werden. Die Detail­studien sind vorerst für das Gebiet des Kantons Aargau für das laufende Jahr in Aussicht genommen.» 1875 beantragte die Südbahn beim Bundesrat die «Konzession der aargauischen Südbahn auf dem Gebiete der Kantone Luzern und Zug». Wie bereits erwähnt, war inzwischen die Konzessionserteilung Sache des Bundes, «jedoch unter Mitwirkung der Kantone bei den vorbereitenden Verhandlungen» (Art. 1).

Auf den 1. Juni 1875 lud der Bundesrat dementsprechend alle involvierten Parteien zu einer Konferenz nach Bern. Regierungsrat Bossard vertrat den Kanton Zug, ohne Erfolg. Gleichentags hatte der Bundesrat nämlich seine Botschaft zur «Konzession der aargauischen Südbahn auf dem Gebiete der Kantone Luzern und Zug» zuhanden der Bundesversammlung verabschiedet. Darin wird der Sachverhalt nüchtern erörtert. Die von den Kantonen Aargau und Schwyz 1872 erteilten Konzessionen sähen explizit eine Linienführung über Rothkreuz vor. Und es gehe schliesslich um den Transit: «Die ­Südbahn soll nicht nur den Lokalverkehr vermitteln, sondern verdankt ihre Entstehung wesentlich auch der ihr für den Transitverkehr beigelegten Bedeutung. Eine Verlängerung um 3 Kilometer, wie die Regierung von Zug sie beim Trace über Cham selbst angibt, muss als erhebliche Verschlechterung der Linie erachtet werden.»

Das Argument der Zuger, «dass Zug und Cham durch das projektierte Trace von der Jahrhunderte alten Verbindung mit dem Freiamt abgeschnitten, der Kanton überhaupt nur an der Grenze berührt würde», tat der Bundesrat mit dem Hinweis auf die bestehende «Verbindung per Fahrstrasse» ab. Sein Fazit: «Wir gelangen zu dem Schlusse, dass auf den Protest der Regierung des Kantons Zug keine Rücksicht zu nehmen sei.» Das sahen auch Nationalrat und Ständerat so, am 25. Juni 1875 erteilte das Parlament die Konzession. Zug war politisch eine Quantité négligeable.

Grosse Eisenbahnkrise 1875 bis 1879

Rothkreuz wurde also Kreuzungspunkt der «Südbahn» und der «Zürich–Zug–Luzernbahn», mehr nicht. Auf dem ersten offiziellen Situationsplan der SCB, welche für den Bau der Linie verantwortlich war, ist ein ­einfacher roter Strich eingezeichnet, von der Binzmühle herkommend und bei Unter Rüti Richtung Süden abzweigend.

Doch kaum war das geklärt, entfaltete sich ab Herbst 1875 die grosse Eisenbahnkrise, welche bis 1879 dauerte und weitreichende Folgen für die Ausgestaltung der Gotthardbahn (GB) und den weiteren Ausbau des schweizerischen Eisenbahnnetzes hatte. Zug war stark betroffen. Thalwil–Zug–Goldau wurde nicht gebaut – sowohl NOB wie GB fehlte das Geld dafür. Die GB konnte auch Luzern–­Immensee nicht bauen, und Luzern band seinen finanziellen Beitrag an die «Rekonstruktion der Gotthardbahn» an die Bedingung, dass Luzern Startort der GB war.

Das rückte Rothkreuz ins Zentrum. Plötzlich war es nicht ein einfacher Kreuzungspunkt, sondern ein Umsteigebahnhof für den Personenverkehr von Zürich her und sämtliche Gotthardzüge vom Norden her liefen über Rothkreuz!

Mit der Krise verzögerte sich die Fertigstellung der Gotthardbahn um schlussendlich anderthalb Jahre. Am 1. Dezember 1881 wurde Muri–Rothkreuz in Betrieb genommen – ein halbes Jahr vor der Eröffnung der Gotthardbahn. Die SCB, welche Rothkreuz–Immensee baute, nutzte den neu eröffneten Abschnitt für ihre Bautransporte. Dass die Südbahn trotz Krise überhaupt fertig gebaut wurde, dürfte ihrer zentralen Rolle als nördlicher Zubringer von Deutschland her geschuldet sein. Die genaueren Umstände harren noch der Erforschung.

Konkurrenz statt Kooperation

Geräuschlos ging die sogenannte «Erweiterung» des Bahnhofes Rothkreuz aber nicht vonstatten. Es trafen hier drei private Eisenbahngesellschaften und ein «Joint Venture» aufeinander. Immerhin war es weniger kompliziert als 15 Jahre später rund um den Bahnhof in Zug – die betroffene Gemeinde Risch und der Kanton Zug verhielten sich ruhig, mit einer Ausnahme – dem Wasser! Im Rechenschaftsbericht der Regierung für das Jahr 1881 hiess es dazu: «Die Pläne zur Erweiterung der Station Rothkreuz waren Gegenstand mehrfacher Verhandlungen mit der Direction der Nordostbahn sowohl als dem schweiz. Eisenbahndepartement, soweit selbe nämlich die Regulierung der Wasserabflussverhältnisse auf und längs dem Bahnhofgebiete betrafen und ­behufs Wahrung der Interessen der anstossenden Liegenschaftsbesitzer unsere Thätigkeit in ­Anspruch nahmen.»

Rothkreuz wird Eisenbahndorf ...

In mehreren Planungsschritten wurde der Knotenpunkt Rothkreuz immer grösser, bei SBB Historic finden sich die Situationspläne, welche das dokumentieren. Am Schluss wurde eine grosse Gleisanlage gebaut, die Station III Classe zu einem attraktiven «Aufnahmsgebäude» mit Restauration erweitert. Der Bahnhof war im Vergleich zu vielen Bahnhöfen an der Gotthardstrecke bahninfrastrukturell sehr gut ausgerüstet – es trafen sich drei Linien (Zürich–Zug–Luzernbahn der NOB, Luzern–Gotthard der GB und die Südbahn) und die Passagiere von Zürich und Zug her Richtung Gotthard mussten hier umsteigen.

Neben Lokremise, grossem Güterschuppen mit Rampe, Drehscheibe, Brückenwaage und Wasserstation verfügte der Bahnhof bereits über zwei «Electrische Wendscheiben» – sprich: Weichen – das hatte nicht einmal Luzern! Wegen des Nord-Süd-Güterverkehrs wurde aus Rothkreuz auch ein Rangierbahnhof und eine Lokwechselstation. Dies alles hatte zur ­Folge, dass der Bahnhof einen relativ grossen Personalbestand hatte. Aus der kleinen Häuseransammlung wurde ein richtiges Eisenbahndorf. Gebaut wurde das Aufnahmsgebäude übrigens von Baumeister Johann Käppeli aus Mühlau, der mit den Stadtzuger Baumeister Landis zusammen auch am Regierungsgebäude und am ersten Bahnhof Zug mitgebaut hatte.

... mit Licht und Schatten ...

Die Eröffnung der Gotthardbahn Ende Mai 1882 (mit einer viertägigen riesigen Feier, die bis Mailand führte), markierte einen Meilenstein für Rothkreuz, der gar nicht überschätzt werden kann. Die dazu bereits bestehenden und publizierten Erkenntnisse ergänzen wir mit einer ­Spurensuche in den «Zuger Zeitungen» zwischen 1870 und 1900. Die grosse Eisenbahnanlage muss einen ziemlichen Wandel in der Bevölkerungs­zusammensetzung gebracht haben. Die Katholische Gemeinde Risch erhält mit dem Eisenbahnpersonal nicht nur neue Ideen und mehr kulturelle Vielfalt, sondern auch eine reformierte Diaspora. Am 7. Juli 1883 erscheint im freisinnigen «Zuger Volksblatt» (ZV) ein Bericht über die Gründung des Grütlivereins in Rothkreuz! Der Grütliverein war eine Vorläuferorganisation der Sozialdemokratie. Das ZV publizierte 1890 den Jahresbericht 1889 des Grütlivereins, in dem es unter anderem für Rothkreuz hiess: «Die Mitgliederzahl ist das letzte Jahr auf 30 gestiegen. Dieselbe nimmt nur langsam zu, weil das hiesige Bauernvolk wenig Sympathie mit dem Grütliverein zeigt. Den Mitgliedern aber rufen wir zu: Haltet fest zusammen, denn wo Eintracht herrscht, gibt es immer was Rechtes, im Ernst wie in der Fröhlichkeit.» Einen Grütliverein gab es noch in Zug, Baar und Cham, mit insgesamt 330 Mitgliedern im ganzen Kanton.

Im Oktober 1883 wird voller Stolz ein neues Schulhaus eingeweiht und Rothkreuz ist plötzlich qualifiziert für «Unterstützung zu Gemeindezwecken der Sparkassa-Gesellschaft Zug». 3000 Franken standen dafür jährlich zur Verfügung und am 26. Januar 1884 meldet das ZV: «Einstimmig wurden vergabet an die Gemeinde Risch für dortige neue Schulhausbaute in Rothkreuz 1000 Fr.»

Und plötzlich braucht es auch eine Polizeistation. Am 24. März 1884 ermächtigt der Regierungsrat die Polizeikommission, den Bau der Polizeistation in Rothkreuz auszuschreiben. Damals wurde schnell gebaut – bereits am 7. Mai 1884 erscheint im ZV ein sarkastischer Artikel über den offenbar eher mickrig geratenen Polizeiposten, der zum Glück hinter dem Gasthof Bauernhaus als Ökonomiegebäude durchgehe. Dies löste einen Schlagabtausch zwischen Einsendern der «Neuen Zuger Zeitung» (NZG) und dem ZV aus. Für zwei ledige Polizisten reiche die Wohnung aus, meint die NZG. Zwei Wochen später berichtet das ZV: «Rothkreuz. Unser neues und praktisch gebautes kantonales Gefängnis hat seine Feuertaufe überstanden. Montag Abend ist der erste Arrestant nach kaum 1/2-stündigem Aufenthalt durch Beseitigung von einigem Mauerwerk durch die dadurch entstandene Öffnung verduftet! Ein Wunder, dass der Arrestant die schöne Baute nicht auf dem Rücken mitgenommen hat.»

1884 erhält Risch in Rothkreuz als letzte Gemeinde im Kanton ein Telegrafenbüro. Im gleichen Jahr sorgen die Bemühungen für ein Absonderungshaus für Cholerakranke für einigen Aufruhr in der Presse. Im ­Februar 1885 erscheint der Männerchor Rothkreuz das erste Mal in der Zeitung: «Das anwesende Publikum war mit den Leistungen dieses noch jungen Vereins vollkommen zufrieden.» Auch die Wasserversorgung für die Feuerwehr und das Schulhaus profitiert vom Bahnhof – eine Studie zur Unterstützung des Feuerlöschwesens im «Zuger Neujahrsblatt» von 1909 konstatiert für das Jahr 1890 für ­Hünenberg und Rothkreuz: «Es existieren zwar dort kleinere Wasserversorgungen mit Hydrantenanlagen, so die der Gebrüder Lustenberger, Langrüti, in Hünenberg und eine Wasserversorgung mit Hydranten in Rothkreuz, Risch, für die dort befindliche Bahnstation.»

1891 taucht das erste Inserat für eine eher städtische Dienstleistung auf: Bei der Coiffeuse Lustenberger konnte man schmerzstillende Zahnwatte beziehen. 1892 macht der «Dramatische Club» mit einer Theaterproduktion von sich reden. Die Kritik ist positiv und am 24. Januar 1894 vermerkt ein Besucher im ZV: «Es ist daher der Besuch jedermann, der sich um wenig Geld eine gemütliche Stunde verschaffen will, bestens zu empfehlen.» Die Eisenbahn generierte auch beträchtliche Steuereinnahmen: Hünenberg und Risch stritten sich darum, wie viel sie von den 300000 Franken (!), welche die Aargauische Südbahn an Vermögenssteuer abliefern musste, bekommen. Rothkreuz erhielt 270000, Hünenberg 30000 Franken.

1897 – die grosse Zäsur

Die Gotthardbahn wurde in erster Linie für den Güterverkehr gebaut. Die Gesellschaft hatte den seit den 1860er-Jahren immer schneller in Fahrt kommenden Touristenverkehr unterschätzt! Während von Zürich her das jährliche Passagieraufkommen in Rothkreuz 1872 bei 6800 lag, betrug 1883 bereits 32000! Aber Umsteigen in Rothkreuz war nicht beliebt – kein geteerter Perron, kein Wetterschutz. Die Klagen über Rothkreuz nahmen zu. Abhilfe sollte eine «Einstieghalle» schaffen. Das generöse Projekt erhielt am 17. April 1889 die Bewilligung des Eisenbahndepartementes – ohne je realisiert zu werden. Denn Ende 1890 war klar geworden, dass Thalwil–Zug–Goldau und Luzern–Immensee doch gebaut werden könnten, was die Umsteigerei beenden würde. Die geplante Erweiterung in Rothkreuz fand keinerlei Bemerkung in der Zuger Presselandschaft, aber am 18. Juni 1890, nachdem sich in der Bundesversammlung eine Mehrheit für die Linie Thalweil–Zug abzeichnete, bemerkte der Korrespondent zu Rothkreuz im ZV trocken: «Für diese Station möchten die schönen Tage gezählt sein; klein war sie, klein wird sie!»

Und so bekommt Zug 1897 als erster Bahnhof überdachte Perrons! Die ehemalige städtische Vogtei «Gangolfswil» hatte die Stadt Zug in Sachen Eisenbahn nur für 15 Jahre überholt. Eine unbekannte Zahl an Eisenbahnern zog weg und der Männerchor, der offenbar wesentlich von Eisenbahnern gelebt hatte, ging ein. Erst 1919 wurde er neu gegründet. (Text von Martin Stuber)

Hinweis
Martin Stuber forscht zur Geschichte der Eisenbahn mit den Schwerpunkten Eisenbahnkrise 1875–1879, Gotthardbahn und Eisenbahn im Kanton Zug. Er ist Mitinitiator des Zug-Fäscht – 125 Jahre Bahnknoten Zug.