Hier steht nun ein digitaler Naturraum

Kunst & Baukultur, Dies & Das

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Mit seiner künstlerischen Wandgestaltung hat Markus Weiss 2004 der Baarer Bahnhofsunterführung ihre muffige Atmosphäre genommen.

  • Beim Austritt der Unterführung auf Seite Bahnhofplatz ist das Kunstwerk fast vier Meter hoch. (Bild Matthias Jurt)
    Beim Austritt der Unterführung auf Seite Bahnhofplatz ist das Kunstwerk fast vier Meter hoch. (Bild Matthias Jurt)

Baar – Eine Bahnhofsunterführung ist nicht gerade der Ort, wo man sich länger aufhalten möchte. Meist sind es wenig anschauliche Wände aus Stein oder Beton und fahles Neonlicht, was einen zum möglichst raschen Vorwärtskommen drängt. Wie wäre es, wenn der Gang durch so eine rein zweckdienliche Untertunnelung plötzlich zu einem visuellen, ja sinnlichen Erlebnis wird? Eine entsprechende Metamorphose hat die Bahnhofsunterführung in Baar im Frühjahr 2004 durchgemacht. An diesem Ort existierte spätestens ab 1931 mit dem ersten Umbau des 1897 in Betrieb genommenen Bahnhofes von Baar eine Unterführung, welche das Dorf mit der Bahnmatt verband. Die heutige Untertunnelung aus Sichtbeton besteht seit 1978.

Ihr durch und durch freundliches Gesicht von heute hat die Unterführung vor 17 Jahren in besagtem Frühjahr 2004 erhalten, als die Infrastrukturen für die neue Stadtbahn Zug geschaffen und auch in Baar grössere Umbauten vorgenommen wurden: Die Unterführung wurde verbreitert, etwas abgesenkt, es entstanden ein Aufzug sowie eine Rampe und ein Zugang zur Tiefgarage unter dem Bahnhofplatz. Es sollte eine würdige Verbindung der auf beiden Seiten der Bahnlinie neu und modern gestalteten Plätze werden.

Passagiere sollen jeden Tag auf Kunst treffen

Im dafür bewilligten Kredit von 2,65 Millionen Franken war auch eine künstlerische Gestaltung der erweiterten Unterführung vorgesehen – in Form einer grossflächigen Lichtinstallation des Zürcher Künstlers Markus Weiss, dessen Leitgedanke es war und ist, Leute an einem alltäglichen öffentlichen Ort unerwartet mit Kunst zu konfrontieren. Die Installation nimmt mit 40 Metern die volle Länge der Unterführung ein, bedeckt – abgesehen vom Treppenaufgang zum Perron – die gesamte Fläche der Westwand und ist beim Austritt der Unterführung auf Seite Bahnhofplatz fast vier Meter hoch. Die Installation des Zürchers besteht aus mehreren 120 Kilogramm schweren, mit einer Schutzschicht überzogenen Glasplatten. Diese sind in der Betonwand fest verankert und die Bildsujets quasi analog der Hinterglasmalerei im Siebdruckverfahren auf die Platten aufgebracht. Markus Weiss hat dafür eine Vielzahl an Landschaftsfotografien ausgesucht und durch digitales Übereinanderlegen und Kombinieren einen surreal wirkenden Naturraum geschaffen mit überdimensionierten Proportionen.

Hinter mächtigen Birkenstämmen eröffnet sich eine fantastische Landschaft mit viel Wasser, Eisschollen, baumbestandenen Gestaden, einem tosenden Wasserfall mit sich fortsetzenden Katarakten... Wasserspiegelungen geben der Szenerie eine zusätzliche Dimensionalität. Die Hinterleuchtung der verglasten Wand intensiviert entsprechend die natürlich wirkende Farbigkeit der Bildkomposition und dient zugleich als Beleuchtung der Unterführung. Selbstredend nimmt man als Passant die Atmosphäre an diesem Ort und in Gegenwart dieses «Naturschauspiels» nicht mehr als unangenehm oder gar unheimlich wahr. Der an sich beengende unterirdische Raum wird erweitert und geht in eine poetische Fantasielandschaft über. Die Birkenstämme fungieren dabei wie die Decke stützende Pfeiler.

Der 1963 in Zürich geborene Markus Weiss ist freischaffender Künstler und Dozent an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich. Mit seiner Kunst am Bau respektive im öffentlichen Raum ist er schweizweit präsent. (Andreas Faessler)

Hinweis
In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.