«Auftritt im Central Park war ein Reinfall»
Musik
Heinz Della Torre verbrachte die letzten Monate im «New-York-Atelier» der Zentralschweizer Kantone. In Manhattan begegnen dem Baarer Musiklehrer viele Parallelen zur Schweizer Kultur, aber ebenso viel Gegensätzliches.
Baar – «In New York kann man wirklich erleben, was es bedeutet, sich selbst zu entfalten und über sich hinauszuwachsen. Die Stadt bietet unzählige Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung, sei es durch kulturelle Erlebnisse oder die Begegnung mit Menschen aus aller Welt.» Der dies sagt, ausgestattet mit rotem Schweizer Käppi, Sennenchutteli, Harsthorn, Alphorn und Trompete, heisst Heinz Della Torre, normalerweise wohnhaft in Baar.
Zeit für das Gespräch mit dem Schreibenden fand der viel beschäftigte Berufsmusiker und Trompeten-Virtuose am Rande der 1.-August-Feier des Schweizer Generalkonsulats in New York City. Dort blies der 60-Jährige vor imposanter Kulisse und abgedecktem Hinterteil des berühmten Bullen von der Wallstreet ins Harsthorn. So bot er die urige Kulisse für die Fahnenhissung durch den Mayor von New York, Eric Adams, und Bundesrätin Karin Keller-Sutter, die im Rahmen einer privaten Reise in die Staaten es sich nicht hatte nehmen lassen, vor zahlreich erschienenen Auslandschweizern eine Rede zum Nationalfeiertag zu halten.
Etwas Abstand, der guttut
«Zum Glück wurden mein Alphorn und mein Harsthorn, das Hälmi, pünktlich eingeflogen», strahlt der Künstler. «Im Alphornduo mit Christoph Grieder und solistisch war es nicht ganz einfach, im verkehrsumtosten Bowling Green, dem ältesten Park Manhattans, zu musizieren.» Della Torre ist derzeit Bewohner des Zentralschweizer Ateliers in New York. Bereits im Jahr 2020 hatte er sich – damals noch in Sachseln wohnend – im Kanton Obwalden beworben und schnell den Zuschlag bekommen. «Aber leider kam Corona dazwischen, und wir mussten auf 2024 schieben.»
Seit Mai atmet er nun die inspirierende Luft des Big Apples. «Seit gut 40 Jahren repräsentiere ich den Kanton Obwalden im In- und Ausland mit meinem Spiel. Deshalb konnte ich mit gutem Gewissen für Obwalden nach New York reisen, auch wenn wir jetzt in Baar wohnen», schmunzelt Della Torre. Was ihm sein viermonatiger Aufenthalt in New York bedeutet? «Geografische Distanz, neue Einflüsse einer Weltstadt und Kulturmetropole, Abstand zum Arbeitsalltag und zum vertrauten Umfeld, Inspirationsquelle, Vertiefung des persönlichen musikalischen Ausdruckes.»
Hingereist war er ohne grosse Erwartungen und Vorgaben, auch deswegen, weil er bis zum Abflug am 1. Mai noch ziemlich viel zu arbeiten hatte. Linus Amstad, Musiker aus Zug, der im Herbst 2023 im Atelier wohnen durfte, habe ihm gesagt, er solle sich einfach nur freuen – und so sei es auch gewesen. Er habe unzählige Konzerte gehört. «Jeden Abend finden nur in Manhattan mindestens 30 Jazzkonzerte statt. Die Qualität in der Szene ist unglaublich gut. Man spürt, dass sie immer am Spielen sind.» Nach einem Job eilten die Musiker bereits zum nächsten Gig, niemand habe Zeit für einen Austausch.
Anders die älteren Musiker, die gerne erzählten und fragten. «Ich hatte sehr interessanten Unterricht bei einem Jazztrompeter. Als Bezahlung wollte er von mir eine Trompeten-Lektion im klassischen Stil. Danach hörten wir zusammen alte Aufnahmen, und er erzählte viel von früher.» Geübt hat Della Torre meistens im Central Park oder am Hudson River. Eines Tages habe er beim Joggen einen «Konkurrenten» spielen hören, einen Kubaner, mit dem er ins Gespräch kam und flugs zur Bandprobe eingeladen wurde.
Natürlich habe er auch klassische Konzerte gehört, etwa in der renommieren Met. «Die Qualität ist auch dort hoch, aber mit Luzern und Zürich sind wir mit unseren Orchestern und Opern sehr gut bedient. Und im Gegensatz zu New York sind die Ticketpreise in der Schweiz ein Schnäppchen», lacht der in der Schweiz gefeierte Virtuose. Er war sich aber auch nicht zu schade, sich als Strassenmusiker im Central Park zu versuchen. «Ein Reinfall, denn in 75 Minuten gab es zwar unzählige Fotos und Videos, lediglich aber 13 Dollar in den Hut. Das reichte für ein Bier inklusive Trinkgeld.»
Offene Menschen mit Eigenheiten
Die Menschen in New York habe er als sehr offen und friedlich erlebt, auch wenn sie ihre Eigenheiten aufwiesen: «So ist das Publikum am Anfang einer Vorstellung immer sehr frenetisch, der Applaus am Schluss dann aber frustrierend kurz.» Halt so wie in den Restaurants, wo nach dem letzten Bissen sofort die Rechnung und die Herauskomplementierung folge.
Während vier Wochen besuchte ihn seine Frau Jolanda. Zusammen erkundeten sie auch Brooklyn, die Bronx und New Jersey. «Ein Höhepunkt war die Fahrt der Ostküste entlang via Boston zum Acadia National Park. Viel Natur, stundenlanges Fahren durch Wälder, Hummer an jeder Ecke, Amerika wie im Film», schwärmt Della Torre, um aber sogleich nachzuschieben: «Die Schweiz gefällt mir besser!»
Wie es nun weitergeht? «Am Montag, 19. August, ist Schulstart an der Musikschule Baar, wo ich mich sehr auf meine Schüler freue, am Abend kegeln im Kegelclub 1895 Baar.» Dann folgt Auftritt um Auftritt. Zum Abschluss gibt er zu Protokoll: «Ich würde gerne viele Kunstschaffende dazu motivieren, sich für ein Atelier zu bewerben. Die Erfahrungen sind unbezahlbar!» (Text von Thomas Schaffner)