Mit Brahms und Reger ins neue Jahr
Musik
Der Jahresauftakt des Collegium Musicum in der Reformierten Kirche Zug brachte zwei anspruchsvolle Kammermusikwerke von Johannes Brahms und Max Reger. Erfreulich war der Publikumsaufmarsch.
Zug – Der Name «Collegium musicum» ist zwar auf dem gedruckten Programm fast vollständig verschwunden. Aber es sind immer wieder bekannte Namen, die sich um den nimmermüden Primgeiger Albor Rosenfeld scharen. Beim diesjährigen Programm waren es Reiko Koi, Violine, Mariateresa Pagano, Viola, Anna-Christine Vandewalle, Violoncello, und der Klarinettist Bernhard Röthlisberger. Vor Jahresfrist gab es noch Coronarestriktionen, vor zwei Jahren überhaupt kein Neujahrskonzert. Jetzt ist man der Reformierten Kirche nach dem Auszug aus der Liebfrauenkapelle treu geblieben, trotz etwas trockener Akustik.
Die erste Hälfte bestand aus dem Streichquartett in c-Moll Opus 51, Nr. 1, von Johannes Brahms. Es gilt zwar als das «früheste» der Brahms-Quartette. Aber der sehr selbstkritische Komponist hatte mehr als 20 Jahre immer wieder daran gearbeitet und es erst im vorgerückten Mannesalter zur Publikation freigegeben. Gefürchtet ist Opus 51,1 bei weniger versierten Musikern vor allem wegen der spieltechnisch schwierigen Tonarten f-Moll und As-Dur. Hier stand das aber nie zur Diskussion; die Intonation überzeugte in gleicher Weise beim Primgeiger wie bei den ein bis zwei Generationen jüngeren weiteren Mitwirkenden.
Instrumentengerechte Klänge
Am ausgewogensten schienen die beiden Mittelsätze. Wie in vielen Orchesterkompositionen verstand Brahms in seiner Kammermusik zweite Violine und Viola nicht einfach als Füllstimmen. Nach der Tonhöhe gab es viele Überkreuzungen zwischen Viola und Cello. Gerade in der Zuger Wiedergabe spürte man, wie Brahms, der selber kein Streichinstrument spielte, dank der kompetenten Beratung seiner Interpreten sehr wohl so komponierte, dass es bei entsprechendem technischem Können auch instrumentengerecht erklang. Relativ gemächlich wurden die Ecksätze angegangen, mehr von vielen Feinheiten in der Thematik und bei harmonischen Details geprägt, vielleicht etwas weniger von Feuer nach der Höhe. Die musikalisch tiefgründige Gesamtleistung der Interpreten hätte schon für das erste Werk einen kräftigeren Applaus verdient.
Regers letztes vollendetes Werk
Tapfer widerstanden die Veranstalter der Versuchung, für die zweite Hälfte das ebenfalls von Brahms stammende Klarinettenquintett Opus 115 oder das noch bekanntere KV 581 von Mozart zu bringen. Man entschied sich vielmehr für das Klarinettenquintett von Max Reger, nach der Opuszahl 146 das letzte von diesem Komponisten vollendete Werk. Es war die Leistung eines Todkranken, gezeichnet von physischen und psychischen Problemen, wahrscheinlich auch vom Alkoholmissbrauch. Vor allem im letzten Variationensatz schien Mozart hinter dem Komponisten zu stehen. Daneben machte es Reger dem Publikum mit abrupten Harmoniewechseln nicht leicht, was er auch an verschiedenen Stellen in seiner Korrespondenz betonte.
Konzentration bis zum Schluss
Schon die Satzbezeichnungen «Moderato e amabile» – «Vivace» (an zweiter Stelle!), «Largo» und «Poco allegretto» inspirierten zu einer ausgleichenden Tempowahl. Kam dazu, dass – besonders im «Vivace» – die Temponuancen stärker betont wurden als das eigentliche Grundtempo. Während Mozart aus Bewunderung über die zu seiner Zeit neu erfundene Klarinette schrieb, ging es Reger offensichtlich mehr um den Gesamtklang. Manchmal wurde das Blasinstrument solistisch neben die Streicher gestellt, manchmal war offensichtlich eine Synthese gefragt, ein Streicherklang mit eingebauter Bläser-Komponente. Violinen stehen nach Tonhöhe in der Regel über den Klarinetten: So hatte das Blasinstrument vor allem in den beiden ersten Sätzen oft in ungewohnt hohen Lagen zu spielen, was vom Interpreten aber souverän gemeistert wurde.
Erfreulich die Konzentration bis in den Schluss – auch beim Publikum: So gab es für das Quintett den viel stärkeren Applaus, der von den Ausführenden mit besten Neujahrswünschen und einer kurzen Zugabe verdankt wurde. (Text von Jürg Röthlisberger)