Der Lesehund hört geduldig zu
Literatur & Gesellschaft, Vermittlung
Die Bibliothek Menzingen lanciert ein neues Projekt zur Leseförderung von Kindern.
Menzingen – Schon lange hat sich Bibliotheksleiterin Brigitta von Holzen einen Hund gewünscht. Aber nicht irgendeinen, sondern einen ausgebildeten Lesehund. Darauf ist sie vor Jahren in Deutschland gestossen. «Wir konnten das damals nicht einführen, denn es kann nicht einfach ein Hund sein, sondern er muss als Lesehund ausgebildet sein.»
Der Grund für das neue Angebot ist ihr Wunsch, sich mit dem Team für die Leseförderung zu engagieren. Sie hat auch bei den Ausleihen festgestellt, dass die Kinder heute weniger lesen oder unter Leseschwäche leiden. «Die Kleinen sind noch wissbegierig, aber die grösseren finden das Lesen oft doof. Hier haben wir beim Aufgabenlösen gemerkt, wie schlecht manche grossen Kinder lesen.»
Hund schnuppert und Kinder kraulen
Von Catherine Müller, die neben Menzingen noch in der Bibliothek Knonau tätig ist, habe sie erfahren, dass dort bereits ein Lesehund zum Einsatz kam, und dass deren Tochter Livia die Ausbildung zum Lesehunde-Team absolvierte. «Die Bewilligung bei der Gemeinde war kein Problem, denn es gibt bereits einen Therapiehund in der Schule.» So wird ab November Lesehund Raja mit der Hundeführerin Livia Müller an den neuen Vorlesenachmittagen für die Kinder im Einsatz stehen.
Nun fand in der Bibliothek ein Informationsnachmittag statt. Es kamen über ein Dutzend Kinder und einige Mütter.
So konnten die Kinder den Hund kennenlernen und sich gegenseitig beschnuppern. Mischling Raja, immer an der Leine von Livia Müller, erledigt seine Aufgabe souverän, er lässt sich geduldig von vorsichtig streicheln und kraulen, dann legt er sich entspannt auf den Teppich vor dem Sofa, umringt von den Kindern. Schon will ein kleines Mädchen mutig sein und dem Hund vorlesen. Obwohl das mit dem Lesen nicht so gut gelingt, bleibt Raja ruhig und schaut zu.
Mit sicherer Hand steht Livia Müller ihrem neunjährigen Hund zur Seite. Die tiermedizinische Praxisassistentin erklärt: «In der einmonatigen Ausbildung zum Lesehund musste Raja einen Wesenstest absolvieren. Bei der Rasse gibt es keine Beschränkung.»
Raja vermittelt Sicherheit
Auch sie ist überzeugt, dass sich ihre Begleitung positiv auf die Kinder auswirkt. Sie nimmt mit Raja die neue Aufgabe gerne an und hält in ihrem Infoblatt fest: «Der Lesehund, der ja eigentlich nur geduldig zuhört, bewirkt Entspannung und Sicherheit. Besonders schüchterne Kinder reagieren auf den Lesehund positiver als auf menschliche Zuhörer. Durch diese positive Motivation gelingt es, dass Kinder wieder angst- und stressfrei vorlesen, und die Freude am Unterricht teilzunehmen, wird gesteigert.»
Interessiert verfolgt Catherine Müller das Interesse der Kinder und wie Raja reagiert, sie erklärt: «Die Kinder müssen für die Vorlesenachmittage angemeldet werden, zirka zehn Anmeldungen liegen bereits vor. Pro Termin steht dem Kind eine halbe Stunde zur Verfügung. Es darf ein Buch von daheim mitbringen oder zusammen mit dem Hund und Livia eines aussuchen. Wir haben im Büro eine gemütliche Ecke eingerichtet, wo niemand stört. Dort darf das Kind sitzen oder am Boden liegen, während es dem Hund vorliest, der zuhört und kein Urteil abgibt.»
Für sie ist wichtig, dass das Kind hier nicht korrigiert wird, wenn etwas falsch ist. Sie hat selber in der Bibliothek Knonau erlebt: «Es gibt einen Leseflow, oft können Kinder das Lesen erstmals wieder geniessen. Dadurch wachsen die Sicherheit und das Selbstvertrauen.» (Text von Monika Wegmann)
Hinweis Vorlesenachmittage in der Bibliothek Menzingen, jeweils mittwochs von 13.30 bis 17 Uhr: 8. November, 6. Dezember, 10. und 31. Januar 2024, 6. März und 3. April. Anmeldung: lesehund_raja@outlook.com