«Kultur ist lebenswichtig»

Dies & Das, Musik

,

Für ihr grosses kulturelles Engagement im Kanton Zug wird die Pianistin Madeleine Nussbaumer mit dem Anerkennungspreis 2021 geehrt. Die Begeisterung für Musik war ihr sozusagen in die Wiege gelegt worden. Woraus schöpft die Zugerin Energie für eine solche Ausdauer?

  • Hier findet Musik statt: Madeleine Nussbaumer bei sich zu Hause in Cham. (Bild Matthias Jurt)
    Hier findet Musik statt: Madeleine Nussbaumer bei sich zu Hause in Cham. (Bild Matthias Jurt)

Cham – Für Madeleine Nussbaumer ist 2021 ein Jahr der Herausforderungen, doch genauso ein Jahr der Höhepunkte: Im Juni hat das Sommerklänge-Festival, welches sie als künstlerische Leiterin vor 20 Jahren gegründet hat, die Zuger Kulturschärpe als Hauptpreis erhalten. Gerade mal einen Monat später wird Madeleine Nussbaumer mit dem Zuger Anerkennungspreis 2021 geehrt, eine Auszeichnung für grosse Verdienste um das Kulturgeschehen im Kanton.

Seit über 30 Jahren trägt die Zuger Pianistin mit viel Herzblut und einer bemerkenswerten Ausdauer viel zum hiesigen Kulturleben bei: Zum einen mit dem bereits angeführten Sommerklänge-Festival, welches derzeit zum 21. Mal in Gange ist (siehe Text unten), und zum anderen mit ihrem 1990 gegründeten Kammerensemble Chamäleon, mit dem sie Jahr für Jahr Konzerte mit hochkarätiger neuer Werkwahl gibt. Die beiden Auszeichnungen und erst recht jetzt der Anerkennungspreis sind für die Zugerin ein «wahrer Aufsteller», wie sie sagt. «Die ganze Organisation angesichts der Coronalage war unglaublich schwierig und nervenzehrend.» Oft hätte sie den ganzen Bettel am liebsten hingeworfen. «Die Auszeichnungen waren für mich ein grosser Trost und zugleich Motivation weiterzumachen.»

Dimensionen, die man im Alltag nicht erfahren kann

Diese Motivation aber wird vor allem durch einen Grundsatz der Zugerin gespeist: «Kultur ist lebenswichtig!», betont sie. «Das belegen allein schon die Rückmeldungen aus dem Publikum. Erst recht in so schwierigen Zeiten wie den letzten eineinhalb Jahren. Da ist es besonders erfüllend, wenn man nach dem Konzert so viele zufriedene Gesichter sieht.» Ihre Energie schöpft Madeleine Nussbaumer hauptsächlich aus ihrer Grundpassion, etwas Schönes im Team zu erarbeiten, es einem interessierten Publikum zu präsentieren und zu sehen, wie dabei ihre eigene Begeisterung auf die Zuschauer übergeht. Und natürlich aus der Musik selbst: «Musik hat etwas Besonderes an sich. Sie hat Tiefgang und vermittelt Wichtiges – ganz ohne Worte. Sie eröffnet einem eine Dimension, die man im Alltag nicht erfahren kann.»

Wenn Madeleine Nussbaumer am Klavier sitzt und spielt, wird sie auch immer mit sich selbst konfrontiert, wie sie sagt, mit ihren Stärken und Schwächen. «An mir selber zu arbeiten und meine eigenen Möglichkeiten auszuloten, ist ein dauerhafter Prozess.» Um sie allein jedoch soll es aber möglichst nicht gehen: Am wohlsten ist es ihr, wenn sie gemeinsam mit anderen Musikerinnen und Musikern arbeitet. «Ich mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen», gibt sich die Zugerin auf sympathische Weise bescheiden.

Weniger bescheiden hingegen war sie während ihrer gesamten Karriere als Musikerin, was ihren Ehrgeiz und die Anforderungen an sich selbst angeht. Das zeigte sich bei ihr schon als siebenjähriges Mädchen, nachdem sie ihr erstes Klavier erhalten hatte. «Man musste mich nie zum Üben motivieren», sagt sie und lacht. Als sie kurz vor der Matura am Konservatorium Luzern vorspielte, ohne es ihrer Klavierlehrerin zu sagen, war letztere nicht besonders erfreut, die junge Musikerin aber wollte es einfach wissen. «Ich konnte mich selber überhaupt nicht einschätzen. War ich denn gut genug und geeignet? Eines war jedoch sicher: Musik erfüllt mich!» Sie wurde aufgenommen. 1973 erhielt sie ihr Solistendiplom mit Bravour. Ihr Lehrer und Mentor Hubert Haerry war dafür eine treibende Kraft – ein absoluter Glücksfall für sie, wie sie rückblickend sagt.

Trotz Heirat und Kindern schaffte es Madeleine Nussbaumer stets, Familie und Karriere sowie der Unterrichtstätigkeit gleichermassen gerecht zu werden. In den 1980er-Jahren zog die Familie von ihrer Wohnung an der Zugerbergstrasse in der Stadt nach Cham, wo sie nach langem mit Glück einen Baugrund gefunden hatte. Die räumlichen Verhältnisse kamen der Familie und besonders Madeleine Nussbaumer als Pianistin sehr entgegen. So manche internationale Musikgrösse ist in all den Jahren im Haus an der Moosstrasse in Cham ein- und ausgegangen, zuweilen nehmen die Konzertierenden hier gar Quartier. Das schafft auch ein familiäres und vertrauensvolles Verhältnis zwischen Organisatorin und Musizierenden, was sich nicht zuletzt auf die Spielfreude und somit natürlich auf die Qualität der Konzerte auswirkt.

Das Publikum wird nicht aussterben

Dass im Haus im Chamer Quartier Musik und somit Kultur stattfindet, ist unverkennbar. Im Wohnzimmer stehen zwei schwarze Steinway-Flügel nebeneinander. Trotzdem ist immer noch genügend Platz übrig für kammermusikalische Formationen. Und Madeleines Herz schlägt besonders für Kammermusik. «Vor der Gründung des Ensembles Chamäleon anno 1990 war Kammermusik im Kanton Zug nur wenig präsent», erinnert sie sich. «Wir konnten eine Lücke füllen. Publikum für kleinere Konzertformationen war nämlich schon immer da.» Und es werde auch nicht aussterben. Im Gegenteil: «Mir scheint, dass sich immer mehr Menschen dafür begeistern lassen. Sie entdecken ihre Freude an der Musik.» Allein aus diesem Grund wird Madeleine Nussbaumer auch künftig nicht müde werden, mit ihrem Engagement für die Musik die Leute zu erreichen.

«Und es tut gut zu wissen, dass das geschätzt wird», sagt sie abschliessend hinsichtlich des Anerkennungspreises. (Andreas Faessler)