Wie aus einem Low-Budget-Film grosses Kino wird
Film & Multimedia
Der Fliz-Filmklub zeigt eine aussergewöhnliche Schweizer Produktion, die es in sich hat. Der Regisseur und die Produzentin schauen mit.
Zug – Trix Brunner (Miriam Japp) glaubt, einen ungeheuren Missstand ans Licht gebracht zu haben und zieht dafür die Empörung eines ganzen Dorfes auf sich. Der Sportlehrer Armin (Jörg-Heinrich Benthien), den sie beschuldigt, ihre 17-jährige Tochter Saskia (Paula Schramm) sexuell belästigt zu haben, geniesst hohes Ansehen. Er ist charmant, einstiger Landesmeister im Turmspringen, mit allem und allen im Dorf bestens vernetzt – schlichtweg jedermanns Liebling. Dass er seine Schülerinnen im Turnunterricht splitternackt an den Geräten turnen lässt und mehr, scheint keinen im Dorf zu stören, ausser Trix Brunner. Die vor Jahren Hinzugezogene kämpft gegen eine ganze Gemeinde, die Verachtung ist ihr gewiss.
«Der böse Onkel» entstand 2011 unter der Regie des Nidwaldner Drehbuchautors Urs Odermatt. Produzentin Jasmin Morgan (Nordwest Film AG) ist hiermit die Verfilmung des bereits existierenden gleichnamigen Theaterstücks angegangen. Die Vorzeichen zur Umsetzung waren nicht berauschend: Budgetiert war die Produktion mit 4,5 Millionen Franken, Subventionen gab es keine. In der Kasse: nicht mal 70 000 Franken. Doch die Bereitschaft von Dienstleistern, Liegenschaftsbesitzern und Gemeinden, unentgeltlich Material und Drehorte zur Verfügung zu stellen sowie der freiwillige Verzicht von Mitwirkenden auf Gage und vor allem der grosse Ehrgeiz von Jasmin Morgan ermöglichten schliesslich die Umsetzung eines hochstehenden Low-Budget-Filmes. Die Produzenten haben keinen Aufwand gescheut, weder bei der Schnittarbeit, bei der Vertonung, bei der Farbbearbeitung, bei der Filmmusik noch bei der Untertitelung in mehreren Sprachen.
«Verharmloste Pädophilie»
Der Fliz-Filmklub Zug zeigt «Der böse Onkel» am kommenden Montag. Es ist eine turbulente Komödie und gleichsam Drama, das es wahrlich in sich hat, wie zahlreiche Kritiken im In- und Ausland belegen. Von klasse Schauspielern und brillanter intellektueller Montage berichtet die «Basler Zeitung»; als innovatives, ungewöhnliches und äusserst radikales Filmwerk bezeichnet Swiss Films die Produktion. Nahezu vernichtend jedoch das Urteil des «Schweizerischen Beobachters»: Der Film verharmlose Pädophilie, hiess es von da. Oder er mache die Opfer zu Tätern.
Die Handlung geizt nicht mit Vulgärsprache, Kraftausdrücken und drastischen Szenen. Verstörende Bilder bedeuten zuweilen eine Herausforderung für den Zuschauer. Der Film adressiert sich nicht nur latent, sondern offensichtlich an das in der Gesellschaft so häufig auftretende Phänomen der Verdrängung und Verharmlosung misslicher Zustände um des allgemeinen Friedens Willen. Mit einer breiten Palette von filmisch umsetzbaren Möglichkeiten haben es Odermatt und die Produzenten geschafft, einen Schweizer Film abzudrehen, den es in solcher Form hierzulande kaum je gegeben hat.
Gedreht wurde an zig Drehorten, hauptsächlich im Kanton Aargau und in Deutschland. Eine Szene wurde in Hagendorn gefilmt. «Der böse Onkel» wurde an mehreren Festivals vorgeführt. 2012 erhielt der Streifen am 11. Rome Independent Film Festival den New Vision Award für den innovativsten Film. (Andreas Faessler)
HinweisDer Fliz-Filmklub Zug zeigt «Der böse Onkel» im Kino Gotthard nächsten Montag, 10. Februar, um 20 Uhr. Der Regisseur Urs Odermatt und die Produzentin Jasmin Morgan sind anwesend.