«Ausmisten, einfach ausmisten!»

Theater & Tanz

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Das Kinder- und Jugendtheater hat sich mit «Herkules und der Stall des Augias» an ein anspruchsvolles Stück gewagt.

  • Auf dem Bühnenboden liegt Mist – in Form verwickelter grauer Putzfäden-Knäuel. (Bild Maria Schmid)
    Auf dem Bühnenboden liegt Mist – in Form verwickelter grauer Putzfäden-Knäuel. (Bild Maria Schmid)

Zug – Auf dem Boden der Guckkastenbühne des Kinder- und Jugendtheaters Zug liegt – Mist. In Form verwickelter grauer Putzfäden-Knäuel. Zehn Körper wälzen sich darin herum. Alle tragen Anzüge aus hellgrünem Stoff, die sogar die Hände und Füsse bis in die Finger- und Zehenspitzen umhüllen; die darüber gezogenen Shorts sind dunkelgrün. Bäuchlings robben und wühlen sie sich durch den Dung. Über ihnen auf dem Podium steht mit blauem Hut ihr Präsident.

Wir befinden uns im Land der Elier beziehungsweise im «Stall des Augias», genauer gesagt in der Nationalratssitzung des Landes. Der Dialog ist zerhackt, die Figuren geben reihenweise kurze Statements von sich, während Augias immer wieder mit einer Kuhglocke Ruhe heischt: «Es stinkt – wir sind vermistet, verdreckt, verschissen, versunken und verstunken!», stellen die krabbelnden Parlamentarier fest.

Das freie Volk der Ur-Griechen, die älteste Demokratie der Welt, leidet unter Bergen von Unrat. Es dauert lange und braucht viele Voten, bis sie Augias’ Vorschlag annehmen, den berühmten Helden Herkules mit dem Ausmisten zu betrauen. Gegen ein anständiges Honorar soll der «Säuberer Griechenlands» die schwere Arbeit vollbringen. Denn die Elier selbst haben keine Zeit dafür, müssen sie doch ihre Kühe besorgen und den Export von Butter und Käse sicherstellen.

Absurd, grotesk, skurril

Friedrich Dürrenmatts Parabel «Herkules und der Stall des Augias» – 1954 als Hörspiel konzipiert, 1962 vom Autor dramatisiert, 1963 im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt – meinte bereits damals die politische Schweiz. Das Stück ist immer noch aktuell, und immer noch voller bizarrer Komik – absurd, grotesk, skurril. Auch in der Inszenierung des Kinder- und Jugendtheaters Zug (Regie: Stefan Koch, Marisa Zürrer).

Wenn Herkules (Dhruv Prasad Raja/Miron Slodowicz) mit Fellüberhang und goldenen Armreifen kleinkindliche Wutanfälle produziert; wenn sein Sekretär Polybios (Yepa Trinkler/Nadia Somea Risi) an Krücken erscheint, weil sein Herr ihn wieder einmal an die Wand geschmissen hat; wenn Augias’ Tochter Iole (Anastasiia Kozakevych) in pubertärer Schwärmerei Herkules anhimmelt oder sein Sohn Phyleus (Simeo Betschart) sich tölpelhaft an Herkules’ Geliebte Deianeira (Sarah Nörenberg/Veronika Kralikova) heranmacht – dann spritzt im Publikum spontanes Gelächter hoch. Man weiss nicht recht, warum. In der ersten Reihe raunen sich drei junge Frauen zu: «Darf man hier überhaupt lachen?»

Bitterböser Pessimismus

Genau: Ist Dürrenmatts Theater zum Lachen oder zum Weinen, gar zum Entsetzen und Grauen-Empfinden? Er hat einige seiner Stücke zwitterhaft «tragische Komödie» genannt. Auch der «Herkules» ist eine Komödie – aber eine mit Abgründen, und irgendwie bleibt einem dabei das Lachen im Hals stecken.

Der Held lässt sich zwar aus Geldmangel auf die niedere Arbeit ein, aber aus dem Ausmisten wird am Ende nichts, weil die Elier bürokratische Hindernisse einbauen und Herkules um die Gage betrügen. Direkte Demokratie hat – das ist ihr Nachteil – das Potenzial, notwendige Transformationen zu verwässern oder gar zunichte zu machen. Dürrenmatts Pessimismus ist scharf und bitterböse.

Die politische Absurdität, die im Stück angelegt ist, wird durch die Inszenierung verstärkt. Eine einfache Bühne mit schnellen Verwandlungsmöglichkeiten (Philipp Kissling) und fantastische Kostüme (Ariane Inglin) tragen dazu bei. Der rhetorische Schauspielstil, auf Hochdeutsch direkt ins Publikum vorgetragen, gepaart mit choreografischen Elementen, steht im Mittelpunkt und signalisiert: Wir imitieren nicht die Realität, sondern kommentieren sie. (Text von Dorotea Bitterli)


Hinweis

Das Kinder- und Jugendtheater Zug spielt Friedrich Dürrenmatts «Herkules und der Stall des Augias» noch am 9./10. November je um 19.30 Uhr und am 11. November um 17 Uhr. Infos und Tickets: Telefon 076 305 06 87 oder www.kindertheaterzug.ch.