Kunst beginnt im Smartphone

Kunst & Baukultur

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Mit Comics haben Ramon Hungerbühlers Bilder nichts zu tun. Der 32-jährige Künstler ist dennoch nicht böse, wenn man diese Verbindung macht.

  • Hungerbühlers Bilder wirken knallig und klar. (Bild: zvg)
    Hungerbühlers Bilder wirken knallig und klar. (Bild: zvg)
Zug – Dieser Text ist in der März-Ausgabe (#87) des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Artikeln.

Die Linien in Ramon Hungerbühlers Bildern sind ein Commitment. Das gilt auch für die Farben, die der gebürtige Baarer Künstler in seinen Werken verwendet. Keine halben Sachen, Schwarz auf Knallgelb, auf Grasgrün, auf Himmelblau. Bämm.

Die Pfanne ist nicht nur Pfanne
Seine Motive sind vordergründig einfach. Ein gelöcherter, gelber Käse, der knapp nicht auf die weisse Leinwand passt. Holzstruktur auf einer schmalen, vertikalen Leinwand. Eine Pfanne, in der vermutlich Gulasch schwimmt und ausserdem ein paar bunte Skittles. Dadurch, dass die Pfanne an vier Punkten auf den Bildrand trifft, entstehen mehrere Felder im Hintergrund, die jeweils unterschiedliche Farben tragen.
Die Pfanne ist demnach nicht nur Pfanne, sie ist gleichwohl ein Raumtrenner, erklärt uns Hungerbühler bei einem Kaffee in der Nähe des Zürcher HBs. «Mit meiner Malerei möchte ich Konventionen aufbrechen. Zwar ist es mir sehr wichtig, dass ich die klassischen Materialien wie Canvas oder Acrylfarbe verwende und doch versuche, diese möglichst anders zu behandeln», sagt Hungerbühler. Seit neun Jahren lebt der 32-Jährige in Zürich, hier fühlt er sich wohl.
In wenigen Wochen schliesst er den Masterstudiengang in Transdisziplinarität an der ZHdK ab. Aktuell waren bis vor kurzem ausserdem sechs seiner Werke im Kunstmuseum Luzern im Rahmen der Ausstellung Zentral! zu sehen. Als Gewinner des Ausstellungspreises Solo erhält Hungerbühler kommenden Dezember gleichenorts die Möglichkeit einer Einzelausstellung.

Starres Medium, flexible Möglichkeiten
Zurück zu den Konventionen. Was meint er damit, wenn er sagt, diese aufbrechen zu wollen? «Die klassische Malerei ist lustigerweise nach wie vor gefangen in Traditionen. Allein damit, wie man ein Werk aufhängt oder welches Format man wie braucht, kann man das verändern», sagt Hungerbühler.
Das klingt ziemlich simpel. Ist es aber nicht. «Dass diese ungeschriebenen Regeln selten gebrochen werden, widerspiegelt, wie starr das Medium in gewissen Hochschulen immer noch gelehrt wird.»
Motive für seine Bilder findet der Künstler überall. Im Museum, viele jedoch aber im Netz, etwa auf Twitter. «Es gibt schon so viele herausragende Motive, da ist gar nicht nötig, sie selber zu erfinden. Ich übernehme, adaptiere und appropriiere diese.» c
Ein gutes Beispiel dafür findet man gleich auf Hungerbühlers Website. Hier wird man von einem schier unanständig grossen Monster empfangen, das die Besucher:innen mit weit aufgerissenem Maul und tellergrossen, spitzen Zähnen begrüsst. Gruselig, doch irgendwie vertraut.

Den Frosch ins rechte Licht gerückt
Tatsächlich handelt es sich beim grünen Vieh um eine Adaption des Internet-Phä­nomens «Pepe the Frog». Das Bild des freund­lichen, etwas verschlafen dreinblickenden Froschs steht beispielhaft dafür, wie Memes durch die Dynamiken im Web rekontextualisiert werden. Und das nicht nur im Positiven. Der Frosch wurde in den letzten Jahren immer häufiger in rassistischen und sexistischen Zusammenhängen benutzt, aus denen ihn auch sein ursprünglicher Künstler Matt Furie nicht befreien konnte. Worauf er Pepe – virtuell – zu Grabe trug.
Hungerbühler holt das Symbol vom virtuellen Raum auf die Leinwand, verfremdet Pepe, den Frosch, und verschafft ihm eine neue Einzigartigkeit. In diesem Fall, indem er dem Frosch alle vermeintliche Harmlosigkeit nimmt, ihm aber dennoch seine Comichaftigkeit lässt. Besonders an Hungerbühlers Kunst: Vieles davon entsteht nicht auf dem klassischen, rein manuellen Weg zwischen Hirn, Pinsel und Leinwand, sondern über den Bildschirm. «Ich zeichne schon seit 2013 auf dem Smartphone und seit kurzem am iPad. Ob ich mit dem Finger am Smartphone zeichne oder auf einer Leinwand, kommt für mich überhaupt nicht drauf an.»

Knallig gleich Comic?
Dass seiner Kunst etwas Comichaftes, Pop-Artiges anlastet, hört Hungerbühler oft. Das ist nicht erstaunlich, dominieren bei ihm klare Linien, komplementäre Farben und Vereinfachung. «Meine Malerei wirkt knallig und scheint mit Perfektion gemalt zu sein. Die Leute versuchen das naturgemäss einzuordnen», sagt er. Stören tue ihn dies nicht. «Mir ist viel wichtiger, dass meine Kunst zugänglich ist und unprätentiös. Wenn die Leute durch solche Sparten einen Zugang erhalten, ist das doch super.» Auch wenn Comic überhaupt nicht sein Element sei, wie er betont.
Trotz tieferer Bedeutung wünscht sich Hungerbühler, dass seine Kunst auch ohne Kontext und Erklärung auskomme. «Das ist das Ziel. Die Pfanne ist für einige dann halt eine Pfanne und der Käse einfach ein Käse. Dieses Bild könnte also auch in einem Fondue-Restaurant hängen und nicht weiter hinterfragt werden.» Angst, dass seine Bilder missverstanden würden, hat er demnach keine. «Ich mache das bereits seit 13  Jahren und habe in dieser Zeit an Selbstbewusstsein gewonnen.»

Entsprechend findet er es nicht problematisch, wenn er mit seinen vordergründig oft simplen Motiven bei den Leuten aneckt. «Meine Arbeit ist edgy! Wenn nun jemand meine Bilder anschaut und glaubt, das selber genauso gut zu können, dann soll er das tun.»

Skateboard als Vehikel zur Kunst
Das Bedürfnis, zugänglich zu sein, sieht Hungerbühler auch in der eigenen Herkunft. «Ich komme aus einer klassischen Arbeiterklasse-Familie. Als Kind besuchten wir keine Kunstmuseen. Gemälde habe ich höchstens mal beim Zahnarzt im Wartezimmer betrachtet oder bei meinem Grossvater, bei dem ich oft auf Besuch war, um aus Spass zu zeichnen.»
Bevor sich Hungerbühler mit seinem Bachelorstudium in Fine Arts näher mit Kunst befasste, dominierte jedoch ein ganz anderes Thema sein Leben. Als Teenager wurde er als Skateboard-Talent entdeckt und bereiste für Contests und Filmaufnahmen die ganze Welt. Noch immer hat das Skaten einen hohen Stellenwert, wenn auch eher einen symbolischen.
«Das Skaten hat mir die Welt eröffnet und so meinen Horizont erweitert.» Er kam aus Zug raus, sah Städte und Länder, lernte viele Menschen kennen. «Das Skaten hat mich gelehrt, kreativ zu denken, hat mir viel über Mode und Architektur beigebracht, aber auch über das Knüpfen sozialer Kontakte», sagt er. «Erst jetzt, da ich älter werde, wird mir das richtig bewusst. Das Skaten ist wohl einer der Hauptgründe, warum ich heute Kunstschaffender bin.»

Abschlussarbeit in NFT
In zwei Wochen schliesst Hungerbühler sein Masterstudium in Transdisziplinarität ab. Was er daraus mitnimmt: «Für meine Abschlussarbeit – es geht darin mitunter um NFT, also Non-fungible-token – arbeite ich unter anderem mit einer Poetin, einem Computer-Scientist, Grafikern sowie Marketingleuten gearbeitet», erzählt er. «Und ich habe gemerkt, dass mein Künstlerhirn in einem solchen themenübergreifenden Kontext genau gleich gut funktioniert. Die unterschiedlichen Disziplinen, die zusammenkommen, funktionieren für mich wie Farben, mit denen ich nach einer Komposition ­suche, nur halt nicht auf Canvas.»
Das wichtigste Projekt, das Hungerbühler in näherer Zukunft verfolgen will, ist jedoch nicht künstlerischer Natur, sondern familiär. Vor rund zwei Jahren kam sein Kind zur Welt. «Das Papa-sein wurde für mich das Wichtigste. Dadurch hat sich für mich alles verändert. Meine Arbeit ist plötzlich sekundär geworden, dafür ist die Familie stark in den Vordergrund gerückt. Gerade auch durch Corona habe ich gemerkt, dass diese familiäre Stabilität viel wichtiger ist als alles andere im Leben.»

(Text: Valeria Wieser)