Das hat die Welt wohl noch nie gehört
Musik
Notenmaterial für diese ungewöhnliche Formation ist noch sehr rar. Fünf Zentralschweizer haben keine Mühe gescheut, selbst Barockwerke eigenhändig zu adaptieren.
Zug – Sie sorgen für lauter Premieren, die fünf begnadeten Musiker vom Nexus Reed Quintet. Sie sind eines der wenigen Bläserensembles, die ausschliesslich auf Rohrblatt-Instrumenten spielen und das auf sehr hohem Niveau. «Europaweit gibt es gerade mal fünf oder sechs professionelle Reed-Quintette», weiss der Hünenberger Nicola Katz, der im Nexus Reed Quintet die Bassklarinette spielt. Da für diese seltene Formation bislang nur wenig Notenliteratur existiert, erarbeitet das Quintett aus der Zentralschweiz oft eigenhändig Partituren für ihre Instrumentenkonstellation. Federführend dabei ist Fagottist Maurus Conte, der neben dem Instrumental- auch ein Kompositionsstudium abgeschlossen hat und somit über das erforderliche Fachwissen verfügt. Eine Partitur beispielsweise in der Besetzung eines klassischen Barockensembles für ein Reed-Quintett zu arrangieren, bedeute viel zeitintensiven Aufwand und Geschick, erklärt Katz.
An ihrem letzten Konzert zum Jahresende hat das Quintett Bachs Goldberg-Variationen in einem Arrangement von Raaf Hakkema interpretiert die Resonanz war grandios. Ihr diesjähriges Konzert besteht nun aber ausschliesslich aus Arrangement-technischen Eigenleistungen, sprich: Es werden Werke gespielt, die wohl noch nie je zuvor von einem Reed-Quintett wiedergegeben wurden. Es dürfte sich also durchaus um Weltpremieren handeln, was Marita Kohler (Oboe), Sandro Blank (Saxofon), Maurus Conte (Fagott), Nicola Katz (Bassklarinette) und Annatina Kull (Klarinette) heute Abend in Chur und darauf am Montagabend in Zug gemeinsam aufführen.
Königinnen und Feen
Unter der Überschrift «Queens and Fairies» haben die fünf jungen Musiker ein majestätisch-feenhaftes Programm mit vier Barockwerken zusammengestellt, zwei davon themenbestimmend: Von Georg Friedrich Händel (16851759) spielen sie «The Arrival of the Queen of Sheba», die berühmte Sinfonie aus dem dritten Akt des Oratoriums «Salomon». Inhaltlich und auch geografisch damit im Zusammenhang steht die Suite aus der Oper «The Fairy Queen» von Henry Purcell (1659–1695). Beide Kompositionen sind in England entstanden und auch dort uraufgeführt worden. Am Konzert bilden sie den Rahmen. Dazwischen erfolgen zwei weitere Schöpfungen des Barocks: die Sonate in F-Dur von Johann Friedrich Fasch (1688–1758) und das Concerto grosso in d-Moll op. 3 No 5 von Georg Friedrich Händel. Stilistisch und zeitlich ist das Konzertprogramm demzufolge durchwegs einheitlich gestaltet.
Spieltechnisch gesehen sei die diesjährige Werkwahl einfacher als die Goldberg-Variationen im letzten Jahr, hält Nicola Katz fest. «Die grosse Herausforderung hier liegt hingegen darin, die Stücke bezüglich der Aufführungspraxis möglichst authentisch wiederzugeben.» Denn die Instrumente eines Reed-Quintetts sind von moderner Bauweise, und von einem Saxofon wusste man im Barock erst recht noch nichts. «Dass Musik aus jener Zeit in dieser Besetzung gut klingt, erfordert gewisse Kompromisse», erklärt der Hünenberger. Doch den fünf Profimusikern wird dies gelingen, sind sie alle doch sowohl in moderner als auch in alter Musik wohlerprobt und sattelfest. «Der Reiz der Barockmusik liegt insbesondere in deren charakteristischen Eigenschaften, deren Affektreichtum und in ihren ausgeprägten Kontrasten», erklärt Nicola Katz. Auch die moderne Musik, welche ebenfalls wesentlicher Bestandteil im Repertoire des Nexus Reed Quintet ist, nehme oft Bezug zu barocken Ausdrucksweisen.
Notenliteratur erweitern
Die fünf Zentralschweizer blicken indes auf ein schaffensreiches neues Jahr voraus. Geplant ist unter anderem die Teilnahme an einem Kammermusikwettbewerb in Paris. Weiter erfolgen ab Herbst einige Uraufführungen von Auftragswerken. Zudem wollen sie das Originalrepertoire ausbauen. Dies ist ohnehin ein dauernder Prozess. Die Notenliteratur für Reed-Quintette soll laufend erweitert werden. Folglich darf man sich auch künftig auf weitere (Welt-)Premieren mit dem Nexus Reed Quintet freuen. (Andreas Faessler)
Hinweis«Queens and Fairies» Konzert zum Jahresende mit dem Nexus Reed Quintet am Montag, 30. Dezember, 20 Uhr, in der Institutskapelle Maria Opferung, Zug. Alternative für Kurzentschlossene: Das Programm wird erstmals heute Abend, 20 Uhr, im Loësaal (Loëstrasse 26) in Chur aufgeführt. Der Eintritt ist jeweils frei (Kollekte).