Die Vielfalt der Kirche entdecken

Literatur & Gesellschaft, Brauchtum & Geschichte

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Kirchengebäude erkunden, Einblicke erhalten, Austausch und Inspiration finden: Zum ersten Mal findet die «Lange Nacht der Kirchen» auch im Kanton Zug statt. Die Verantwortlichen sehen darin eine grosse Chance, was die Wahrnehmung der Kirche angeht.

  • So wirbt die Oberwiler Pfarrei St.Nikolaus für die Veranstaltung. (Bild PD)
    So wirbt die Oberwiler Pfarrei St.Nikolaus für die Veranstaltung. (Bild PD)

Zug – Was in Österreich seit rund 16 Jahren regelmässig mit grossem Erfolg durchgeführt wird, fand 2016 erstmals in der Schweiz Einzug: Im Kanton Aargau öffneten rund 80 Gotteshäuser Tür und Tor für alle Menschen – die «Lange Nacht der Kirchen» gewährt vielseitig Einblicke und zeigt auf, was Kirche alles ist. Die Aktion ist die perfekte Gelegenheit, Altes und Neues zu entdecken, Traditionen nachzuspüren, mit Gewohntem und Ungewohntem auf Tuchfühlung zu gehen und sich auf so manche Überraschung einzulassen. Mehrere Kantone haben sich seither der Aktion angeschlossen, Tausende Besucherinnen und Besucher sind jeweils gekommen.

2021 ist Zug zum ersten Mal mit dabei. Am Freitag, 28. Mai, stehen im ganzen Kanton von 18 bis 24 Uhr über 30 katholische wie reformierte Kirchen und Kirchenzentren, auch Kapellen und weitere Veranstaltungsorte offen. Überall wird geladen, an einem sehr vielseitig angelegten Programm teilzunehmen. Dieses reicht von Kirchenführungen und Konzerten über Me­ditationen, Lesungen für alle Generationen, Andachten, Ausstellungen und Spielrunden bis hin zu Märchenerzählungen, Tanz und Lichtshows.

Offen für alle und alles

Eine der Besonderheiten der «Langen Nacht der Kirchen» ist es, dass sie ausnahmslos alle Bevölkerungsgruppen ansprechen will: Kunstfreunde, Architekturinteressierte, Gläubige, Kirchenferne, Konfessionslose, Jung, Alt – schlichtweg alle Menschen, die Lust haben, Kirche ganz ohne Verpflichtungen, Zwang, Verbindlichkeit und Berührungsängste kennen zu lernen, zu erleben oder einfach den eigenen Horizont zu erweitern. Und wer sich mit heiklen kircheninternen Themen, welche immer wieder ihre Schatten auf die Kirche und deren Reputation werfen, auseinandersetzen und sich austauschen will, der findet in diesem Rahmen ebenso Gelegenheit dazu.

Verantwortlich für die erste Zuger Durchführung dieses international bekannten Anlasses ist Diakon Markus Burri, Gesamtleiter Fachstellen bei der Katholischen Kirche Zug. Gemeinsam mit Pfarrer Manuel Bieler von der reformierten Kirche Baar hat Burri die «Lange Nacht der Kirchen» im Kanton Zug aufgegleist.

«Das Projekt hat uns auf ganzer Linie überzeugt», sagt Burri. Ursprünglich sei geplant gewesen, bereits 2020 daran teilzunehmen, aber der Anlass musste wegen Corona auf das Folgejahr verschoben werden. «Dennoch war die Planung auch für dieses Jahr ein kleiner Hochseilakt, sämtliche Veranstaltungen sowohl drin wie draussen mussten stets mit Rücksicht auf die Vorsichtsmassnahmen vorbereitet werden. Was uns besonders gefreut hat: Alle Vertreterinnen und Vertreter der Zuger Pfarreien und Kirchgemeinden waren begeistert davon, dass unser Kanton heuer mitmacht.»

Die Wahrnehmung der Kirche fördern

Für Markus Burri war auch von Anfang an klar, dass die reformierten Kirchen Zugs an der «Langen Nacht der Kirchen» ebenfalls teilnehmen. «In unserem Kanton ist die Ökumene etwas Selbstverständliches und Wichtiges», sagt Manuel Bieler dazu. Eine der grössten Hoffnungen und zugleich ein Hauptanliegen dieser gross angelegten Aktion ist gemäss den beiden Initianten, dass die Rolle der Kirche wieder etwas mehr ins Bewusstsein der Leute rückt. «Die Pfarreien und Kirchgemeinden nehmen in der Gesellschaft einen wichtigen Platz ein», betont Markus Burri. Es werde bedauerlicherweise zu wenig wahrgenommen, was sie für die Gemeinschaft leisten, dass sie einen wichtigen sozialen und karitativen Auftrag erfüllen, sei es in der Seelsorge, als Ort der Ruhe und Einkehr oder als Anlaufstelle für Suchende.

«Die Gesellschaft scheint oberflächlicher zu werden und hat ganz andere Werte als früher. Und das prägt leider auch das Bild der Kirche», gibt Burri zu bedenken. Bieler pflichtet bei und hält dagegen: «In schnelllebigen Zeiten wie diesen braucht es eine gewisse Ruhe, um wieder etwas mehr zu sich selber zu finden und in die Tiefe zu gehen.»

Da zeige die Kirche gerne auf, was es für Wege gibt, Halt und Erdung zu gewinnen. Und dabei sei der Dialog zwischen Kirchen und Gesellschaft einer der wichtigsten Aspekte, fügt Burri an und bedauert das nicht zu leugnende Defizit, dass die Kirchen gegenwärtig näher an einem Schattendasein sind als an der Position einer präsenten, von der Gesellschaft wahrgenommenen Institution. «Da müssen wir uns selber an der Nase nehmen und aktiv werden», gibt sich Burri selbstkritisch. «Wir wollen und sollen uns präsentieren, öffnen, aktiv hinausgehen und aufzeigen, was wir sind, was wir nicht sind und was wir der Gesellschaft für Dienste erweisen.» Die «Lange Nacht der Kirchen» ist aus Sicht der beiden eine grosse Chance, genau das zu tun.

Man ist erwartungsvoll: «Eine Veranstaltung dieser Grösse ist für uns etwas ganz Neues», sagt Manuel Bieler. «Und wir sind sehr gespannt auf die Reaktionen der Leute und wie alles bei ihnen ankommt.» Wenn sich die Aktion bewährt, will der Kanton Zug auch beim nächsten Mal wieder dabei sein. Das wissen die beiden Verantwortlichen jetzt schon. (Andreas Faessler)

Hinweis: Informationen unter www.langenachtderkirchen.ch. Dort sind die Veranstaltungen nach Kanton aufgelistet.