Zwischen Schwarz und Weiss
Film & Multimedia
Der Zuger Regisseur Andres Brütsch wirft in seinem neuen Film ein Licht auf die Sängerin und Tänzerin Othella Dallas. Eine gute Gelegenheit, auch ihn vorzustellen.
Zug – «I’m tired of being good.» Ich bin es müde, gut zu sein, so singt Othella Dallas. Othella Dallas, geboren in Saint Louis, Missouri, am 26. September 1925. Tänzerin bei der ersten «Black Company» am Broadway. Seit den Fünfzigern auch Sängerin und in der Schweiz zu Hause. Mit bald 90 Jahren immer noch Leiterin einer Tanzschule in Basel.
Was ist Glück?
Ist diese Frau so vital, weil sie es irgendwann – oder womöglich auch schon bald in ihrem Leben – leid war, gut zu sein? Weil sie ihren Weg gegangen ist und an sich gedacht hat? «What is luck?» Was ist Glück? – So hat der Zuger Regisseur Andres Brütsch seine Dokumentation über die schwarze Sängerin und Tänzerin betitelt. Der Titel habe sich ergeben, so Brütsch. Othella selbst sage im Film: «I’m a lucky lady» – sie sei glücklich. Andres Brütsch stellt die Frage in den Raum: «Hat sie Glück oder macht sie ihr Glück?»
Lässt man sich auf die Dokumentation ein, weiss man: Hier ist jemand konsequent seinen Träumen gefolgt und hat es geschafft, sie zu verwirklichen. Der Film ist auch eine Gratulation zu Othella Dallas’ 90. Geburtstag. Und der 26. September ist nicht nur ein wichtiges Datum im Leben der Porträtierten – er stellt auch einen Meilenstein in der Laufbahn des Filmers dar: An diesem Tag im Jahr 2004 nahm das Stadtzürcher Stimmvolk die Vorlage für die Errichtung der Zürcher Filmstiftung an.
Andres Brütsch hatte für diese Stiftung gekämpft, war von 2002 bis 2005 Präsident des Vereins Zürich für den Film. Acht Jahre habe er die Stiftung quasi präsidiert, dann sei er ausgestiegen. Skeptisch sei er geworden. «Kultur ist undemokratisch», findet der Regisseur und meint damit, der Kreative bringe sich besser selber hoch. Wie Othella, die von sich selbst sagte: «I pulled myself up by my bootstraps», sie habe sich an ihren Stiefelriemen hochgezogen. «Othella ist ein Erlebnis», betont Andres Brütsch mit einem Lachen im Gesicht.
Othella. In Brütschs Dokumentation zieht sie einen von Beginn an in den Bann und lässt einen nicht mehr los. Klug scheint sie zu sein, gefühlvoll und energiegeladen. Und so schön – und das mit beinahe 90 Jahren. Sie singt mit kräftiger Stimme, beispielsweise beim Festival da Jazz in St. Moritz. Sie spricht nachdenklich, trotzig oder fröhlich. Sie ist jung. «Man kann mich nicht ändern», sagt sie zum filmenden Gegenüber.
Dieses Gegenüber hat eine ganz ähnliche Einstellung. Denn der Zuger Andres Brütsch sagt von sich: «Ich bin reduziert demokratisch unterwegs.» Der 64-Jährige, der 2007 mit seinem Dokumentarfilm «Eine Winterreise» über die erste Schweizer Bundesrätin Elisabeth Kopp einen grossen Erfolg feierte, hat die Doku über Othella Dallas im Alleingang gedreht und aus eigener Tasche bezahlt. «Meine Kamera und ich», sagt der Regisseur mit fröhlicher Miene. Andres Brütsch ist sich sicher, dass die Zweisamkeit beim Filmen für Authentizität sorgte: «Othella hat die Kamera einfach vergessen.»
Man müsse der Person, die man porträtiere, zuschauen, ihr Vertrauen gewinnen und – sie respektieren. Der Filmemacher fragt: «Wo ist die Wahrheit?» Und antwortet: «Nicht immer dort, wo sie zu sein scheint, sondern dazwischen, in den Zusammenhängen.» Zwischen Schwarz und Weiss eben.
Andres Brütsch, Dokufilmer mit Einfühlungsvermögen, hat beim Werbefilm das Handwerk gelernt. «Sehr gut», wie der Regisseur betont, der Preise in New York gewonnen hat, in Cannes. In den USA und der Schweiz hat er seine Firma «Topic Film» für Werbe- und Dokufilme aufgebaut. «Der Film ist mein Leben», sagt der Zuger, «Musik, Geschichten, Bilder, Rhythmus – das ist es, immer.»
Konsequent der Nase nach
Der Sohn des Zuger Architekten Hanns Anton Brütsch wusste ziemlich früh, dass er zum Film wollte. «Ich konnte gut schreiben, zeichnen, Musik machen – aber jedes Talent war für sich allein nicht gross genug. Alle zusammen waren genau richtig für die Filmbranche.» Mit Thomas Hürlimann hat er das Klassenzimmer geteilt und gewusst: Schriftsteller wird der andere. Mit seinen Freunden hat er Super-8-Filme gedreht. Jung, frei und konsequent auf dem Weg – ganz wie Othella Dallas. (Susanne Holz)
Hinweis«What is luck?» feiert am Mittwoch, 23. September, 20.15 Uhr, Vorpremiere im Kino Seehof in Zug. Othella Dallas ist anwesend. Am 26. September ist der Film in Zürich zu sehen, inklusive Konzert. Am 27. September in Basel.