Diebe, Bettler: Vorurteile gegen Roma

Literatur & Gesellschaft

,

Der Direktor der Roma Foundation Stéphane Laederich erzählt in der Bibliothek Zug von seinem Kampf um Gleichstellung und Respekt für die Roma in der Schweiz und in Europa.

  • Im Rahmen von «Living Library» spricht Stéphane Laederich, Direktor der Roma Fondation Zürich, in der Bibliothek Zug über die Diskriminierung der Roma. (Bild Mathias Blattmann)
    Im Rahmen von «Living Library» spricht Stéphane Laederich, Direktor der Roma Fondation Zürich, in der Bibliothek Zug über die Diskriminierung der Roma. (Bild Mathias Blattmann)

Zug – «Erkennt man die Roma nicht vom Sehen, dann riecht man sie.» Aussagen wie diese sind es, welche dazu führen, dass die meisten Schweizer Roma ihre Herkunft verleugnen. «Die Roma Foundation klagt gerichtlich gegen solche Aussagen. In diesem Fall haben wir jedoch verloren», erzählt Stéphane Laederich, Direktor der Stiftung. In der Schweiz richte sich eine solche Äusserung nicht gegen das Antirassismusgesetz, sei also erlaubt. «Für mich ist das unbegreiflich.»

Laederich wird im Rahmen der Veranstaltung «Living Library» am 25. März in der Bibliothek Zug über seine Arbeit für die Roma berichten. Dies ist ein Projekt des kantonalen Sozialamtes Zug und der Bibliothek Zug im Rahmen der «Aktionswoche gegen Rassismus».

Respektlosigkeiten gehören zum Alltag

Die Eltern eines begabten kosovarischen Jungen hätten sich an die Roma Foundation gewandt, weil ihm seine Lehrerin trotz Bestnoten den Übertritt ins Gymnasium mit den Worten verweigert habe: «Um am Feuer zu tanzen, brauchst du keine gute Ausbildung.» Leider sei dies kein Einzelfall, hält der 62-Jährige kopfschüttelnd fest.

«Es geht einfach nicht, dass die grösste europäische Transnationalität so respektlos behandelt wird.» Den Ausdruck «Zigeuner» stellt Stéphane Laederich gleich mit dem abschätzigen N-Wort für People of Colour. «Er darf nicht mehr ­verwendet werden. Auch ‹Fahrende› ist nicht korrekt. Es sind Roma.»

Vorurteile besonders tief verankert

Die Roma Foundation wurde vor 30 Jahren gegründet und setzt sich vor allem für die Rechte der Roma in der Schweiz und in Europa ein. Sie leistet aber auch Aufklärungsarbeit an Schulen, bei Journalisten sowie Politikerinnen und arbeitet mit anderen europäischen Organisationen zum Schutz von Minderheiten zusammen.

«Mit ausdauernder Lobbyarbeit versuchen wir in sachlichem Ton, das Bild, das die Menschen von den Roma haben, zu verändern.» Das bräuchte aber Zeit und erfordere viel Geduld. «Die Arbeit kann frustrierend sein. Andererseits ist es wichtig, gerade in der heutigen Zeit, in der viel neuer Rassismus entsteht, nicht aufzugeben.»

In der Schweiz sei es besonders schwierig. Die Stereotypen und Vorurteile seien tief verankert. «Die Schweizer haben ein Bild der Roma als fahrendes, bettelndes, stehlendes Volk von Analphabeten. Dies, obschon die meisten Roma sesshafte, gebildete, ehrbare Bürgerinnen und Bürger sind.» Von den 100000 Roma in der Schweiz seien nur etwa 1000 fahrend.

Nicht als Minderheit ­anerkannt

Zusätzlich würden zirka 3000 aus Frankreich, Italien und Deutschland jedes Jahr durch die Schweiz ziehen und Nischenarbeiten wie das Reinigen von Webstühlen ausführen, also keineswegs stehlen. «Das ist jener kleine Teil der Roma, der vor allem wahrgenommen wird.»

In der Schweiz seien die Roma noch immer nicht als Minderheit anerkannt. «2017 hat Bundesrat Alain Berset die Jenischen und die Sinti als Minderheiten anerkannt, nicht jedoch die Roma. Sie gelten als Ausländer.» Wenn sie im Rahmenabkommen zum Schutz der Schweizer Minderheiten anerkannt würden, hätte dies eine positive Signalwirkung, ist Laederich überzeugt: «Es würde bedeuten, dass die Roma wirklich hierher gehören. Die meisten von ihnen leben ja sowieso schon seit Generationen in der Schweiz.»

Selbst fühlt sich Stéphane Laederich als europäischer Bürger. Er wuchs im Elsass auf und arbeitete in Frankreich, den USA und der Schweiz als Mathematiker, Physiker und IT-Finanzspezialist. Er schrieb zwei Bücher über die Geschichte und Sprache der Roma, ein weiteres ist in Arbeit. Seine Romaidentität, die vor allem durch seine Mutter geprägt wurde, nahm zeit seines Lebens einen wichtigen Stellenwert ein. (Text von Cornelia Bisch)

Hinweis Der Anlass «Living Library» findet am 25. März in der Bibliothek Zug statt. Es nehmen eine Konvertitin, ein Roma, ein trockener Alkoholiker sowie zwei Flüchtlinge aus Eritrea und dem Kongo teil. Gesprächsbeginn ist jeweils um 13.30, 14.10, 14.50 und 15.30 Uhr. Die Reservation der gewünschten Person und Gesprächszeit erfolgt per E-Mail an: bibliothek@stadtzug.ch. Die Teilnahme ist kostenlos.