In Neuheim gibt’s Geschichte zum Anfassen

Brauchtum & Geschichte

,

Am Samstag hatte das Zuger Depot für Technikgeschichte seine Tore geöffnet. Die Ausstellung offenbarte hautnahe Einblicke in die technischen Errungenschaften der letzten 100 Jahre im Kanton Zug.

Neuheim – Kinder klettern begeistert in die Feuerwehrautos, eine Familie nimmt auf den Tram-Holzsitzen des «Elefanten» Platz, ältere Herren stehen neben Armeegeschützen und tauschen Geschichten aus ihrer Militärzeit aus, einige Leuten lassen sich auf den Festbänken sitzend bereits eine Bratwurst schmecken – und auch das Wetter ist prächtig am diesjährigen Tag der offenen Tore im Technik-Depot in Neuheim.

«Wir sind froh, dass wir hier im ehemaligen Zeughaus so viele wichtige Exponate der Zuger Technikgeschichte der Öffentlichkeit zugänglich machen können», erklärt Lorenz Strickler. Er ist einer der Gründungsväter des Depots und seine Begeisterung ist ansteckend. Auf dem Rundgang durch das dreistöckige Gebäude kennt Strickler die Hintergründe zu den Exponaten und erzählt Anekdoten. So erinnert er sich, wie einst ein Kalb von Oberägeri im Gepäckanhänger des Busses nach Zug zum Metzger mitfuhr. «So etwas ist heute unvorstellbar», sagt er. Oder einmal sollte er einen Korb voll roher Eier von Menzingen zum Kolonialladen seiner Tante nach Zug bringen. «Als ich aus dem Tram am Kolinplatz ausstieg, schlug ich mit dem Korb am Tram an. Die Hälfte der Eier ging dabei zu Bruch, doch die Tante hat’s verziehen.» Aber nicht nur die grossen Exponate sind beeindruckend; auch kleinere Geräte wie die Apparaturen zum Messen des Wasserstands von Reservoirs finden sich in der Ausstellung. Diese hat das Vereinsmitglied Toni Iten in stundenlanger Kleinarbeit auseinandergebaut, gereinigt und wieder zusammengesetzt.

Der im Jahr 2009 gegründete Verein wird von fünf Organisationen getragen und zählt etwa 50 aktive Mitglieder, die mit viel Herzblut die Erinnerung an die technischen Errungenschaften in Zug wachhalten wollen. Entstanden ist dabei nicht ein typisches Museum oder Lager, sondern ein Ort, der lebt. «Hier wird gewerkelt und der Besucher kann die Dinge anfassen», sagt Bernhard Stadlin, auch er ein Initiator der Sammlung. «Die Ausstellung ist eine interdisziplinäre Mischung der Industrie- und Militärgeschichte oder der Entwicklung des öffentlichen Verkehrs im Kanton Zug.» In der Schweiz gäbe es viele Bestrebungen, Kunst, Architektur oder das bäuerliche Erbe zu bewahren und auszustellen. «Aber die Technik- und Industriegeschichte kommen oft zu kurz», meint Stadlin. So wüssten die wenigsten, mit welcher Präzision zum Beispiel das Getriebe des in der Schweiz gebauten Entpannungspanzers 65/88 arbeitet. «Es ist sehr beeindruckend, wie genau mit dem Panzer Kranarbeiten durchgeführt werden können.»

Seit kurzem ist der Neuheimer Thomas Lötscher Präsident des Vereins. Er möchte nach der Aufbau- und Wachstumsphase der vergangenen Jahre Schwerpunkte setzten; das Depot sei an seine Kapazitätsgrenze gelangt und es stelle sich die Frage, wie sich der Verein weiterentwickelt. Wichtig sei auch, das Know-how breiter zu verteilen. «Viele der aktiven Mitglieder sind Pensionäre. So ist es wünschenswert, auch jüngere Mitglieder für die Sache zu begeistern.»

Die Ausstellung lässt Erinnerungen wach werden

Begeistert sind an diesem Samstag die etwa 700 Besucher. «Es ist toll, was hier alles gesammelt wurde. Speziell den Bezug zu Zug finde ich wichtig», sagt der Hünenberger Gian-Luca Franchini. Josef Schuler aus Luzern erinnert sich: «Ich selbst bin schon vor 50 Jahren Lastwagen gefahren. Die Exponate hier erinnern mich an diese Zeiten.» Und auch Agnes Bokane aus Zug schwärmt: «Unsere Kinder lieben es, in die Feuerwehrautos einzusteigen, aber auch die Papis sind Feuer und Flamme.» (Johannes Bösel)