Dunkle Familiengeheimnisse

Literatur & Gesellschaft

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Gerade richtig zur Ferienzeit präsentieren wir in einem dritten Teil persönliche Buchtipps von Mitarbeitenden der Zuger Bibliotheken. Eishockey-Fans, Reiselustige und sogar Schlechtgelaunte kommen auf ihre Kosten.

  • Roman um ein verschollenes Kunstwerk. (Bild PD)
    Roman um ein verschollenes Kunstwerk. (Bild PD)
Hünenberg – Dieser Artikel ist in der Ausgabe Juli/August 2021 des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Büchertipps.

Cornelia Neuner, Bibliothek Hünenberg

Anna Schröder, sonst als Sachbuchautorin und freie Redakteurin tätig, hat mit diesem Debüt einen gelungenen Roman geschrieben.
Sie erzählt eine faszinierende Geschichte von einer Familie mit vielen Geheimnissen, von einem verschwundenen Vermeer, der auf Raubkunstlisten als «Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid» geführt wird, und von jungen Frauen, die als Mütter nicht glücklich werden können – über vier Generationen hinweg.

Ein bewegender und fesselnder Debütroman
Wir erfahren von Hannah, einer orientierungslosen Studentin, die in ihren Doktorvater verliebt ist. Sie kümmert sich um ihre einzige Verwandte Evelyn. Ihre Grossmutter lebt in einer Altersresidenz, ist wortkarg, zynisch und in sich gekehrt. Auch als ein Brief aus Israel von einem Restitutionsbüro eintrifft und sie als alleinige Erbin eines verschollenen Gemäldes bezeichnet, scheint sie nicht interessiert und will nichts von ihrer Vergangenheit preisgeben.
Hannah stellt Nachforschungen an und deckt so Stück für Stück Teile ihrer Familiengeschichte auf: Sie erfährt vom Leid ihrer Urgrossmutter zur Zeit der Judenverfolgung, vom Aufwachsen ihrer Grossmutter in fremder Obhut und vom Schicksal ihrer sehr früh verstorbenen Mutter.
Die Personen werden mit Ecken und Kanten beschrieben und wirken authentisch. Man kann mit ihnen fühlen und ihr Handeln begreifen. Durch steten Wechsel zwischen den Zeitebenen erzeugt Schröder eine packende Spannung. Die Themen von Schuld und Verrat, Judenverfolgung, Beziehung zwischen Mutter und Kind ­beschreibt sie mit einer sprachlichen Leichtigkeit. Die Lektüre regt zum Denken an, macht das Lesen jedoch auch zum Genuss.
Wer spannende Familiengeschichten mit his­torischem Hintergrund liebt, dem sei dieser ­Roman bestens empfohlen.

«Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid» von Alena Schröder
Roman, dtv München, 2021, 366 Seiten