Wie Frösche Fasnacht feiern

Dies & Das, Brauchtum & Geschichte

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Die Fasnachtszunft aus Inwil feiert Jubiläum. Zum ersten Mal mussten sie deswegen ihren Meister bei dreissig Grad vorstellen. Er hat’s überlebt.

  • Frösche am Umzug. Bild: Christian Herbert Hildebrand (fotozug.ch)
    Frösche am Umzug. Bild: Christian Herbert Hildebrand (fotozug.ch)
Zug – Dieser Artikel ist in der Januar/Februar-Ausgabe 2020 des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Artikeln.

Als die letzten Bomben des Zweiten Weltkriegs noch auf der anderen Seite des Planeten explodierten, atmeten die Schweizer im Herzen Europas bereits auf. Endlich Frieden, endlich Ordnung, endlich wieder Zukunft. Und weil Kriegsangst in guter Gesellschaft schneller vergessen geht, tat sich eine kleine Gruppe aus dem kleinen Weiler, der Inwil damals noch war, zusammen.
Am 1. August 1945, vor 75 Jahren, wurde die Fröschenzunft im Restaurant Ebel in Inwil gegründet. Im Jubiläumsjahr 2020 blickt die Fasnachtszunft zurück. Hansruedi Nussbaum, selber schon seit seiner Kindheit in der Fröschenzunft, erzählt aus der Zunftgeschichte.

Das Dorf wiederbeleben
Denn angefangen hat die Zunft ganz unfasnächtlich. Im Sommer 45 ging es um vieles. Um gutes Zusammensein, darum, mal wieder rauszukommen, Leute zu treffen, sozialen Kitt. Um «das Dorf wiederzubeleben», wie es Hansruedi Nussbaum nennt. Aber es ging nicht um Fasnacht. Denn die war noch nicht wirklich erfunden. «Es war am Anfang wohl eher so stammtischmässig», meint Nussbaum, wenn er sich die ersten Runden im Restaurant Ebel vorstellt.

Churchill, Stalin und Roosevelt
Am 3. März 1946 um 13.00 Uhr ging es los. Die Ebeler Fasnächtler, wie sie damals noch hiessen, zogen von Inwil nach Baar mit drei verschiedenen Wagen. Die «Sujets» darauf: politisch und gezeichnet von Krieg und Frieden der Zeit. Ein Wagen hiess «Friedensgeige», der andere führte ein «Atomauto» mit sich. Der dritte trug die drei grossen Staatsgestalten der Zeit mit sich, Stalin, Roosevelt und Churchill wurden durch die Strassen Baars kutschiert.
Der Umzug damals, 1946, muss einen Nerv getroffen haben. Ein Jahr später wurde die Baarer Räbefasnacht gegründet. Noch heute ist sie eine Hochburg der Zuger Fasnachtskultur.

Trotz Wirtestreik und Seuchen
Die Frösche werkeln seither fleissig wie Bienen von Anfang Januar bis zur fünften Jahreszeit an drei  Wagen für den Fasnachtsumzug. Die Themen der Frosch-Fasnächtler sind oft politisch. «Oder was unter dem Jahr sonst Lustiges passiert ist», sagt Hansruedi Nussbaum. Er selber war als Bauchef ebenfalls einige Jahre für die Sujets verantwortlich. «Das ist der Höhepunkt für viele Zünftler im Jahr», Woche für Woche an den Wagen zu bauen. Unter der Woche am Mittwoch, sonst am Samstagnachmittag. Genauso wichtig sei das gemütliche Sitzenbleiben nach der Arbeit, noch etwas trinken, etwas essen. Zweimal in der Geschichte der Zunft war die ­ganze Arbeit vergebens. Einmal wurde wegen Maul- und Klauen-Seuche die Fasnacht abgesagt, einmal 1957 wegen des Wirtestreiks: Die Restaurantbesitzer konnten sich mit der Fasnachtsgesellschaft nicht über einen Beitrag einigen. In beiden Fällen wurde die ganze Arbeit wieder zusammengeschlagen.
Beide Vorfälle konnten die Frösche aber nicht von ihrem Kurs abbringen. Rund 320 Leute seien heute in der Zunft engagiert, sagt Hansruedi Nussbaum, «Die Zunft bringt Inwil zusammen, es sind oft ganze Familien dabei.»

Froschgen ist stark in der Familie
Er selber ist ein gutes Beispiel, er hat das Froschgen im Stammbaum. Von ihm gibt es ein Foto, wie er als Vierjähriger in einem Bajass-Kostüm am Umzug mitläuft. Der erste Froschkönig, so hiess der Zunftmeister 1953 noch, war zwar direkt nicht verwandt, aber doch wohnte er unter dem gleichen Dach wie Hansruedi Nussbaums Grosseltern. Sein Vater war Zunftmeister beim 25. Jubiläum, Hansruedi  Nussbaum selber war Zunftmeister beim 50-Jahr- und seine Schwester war erste Zunftmeisterin am 70-Jahr-Jubiläum der Frösche. Eine Dynastie.
Das diesjährige Jubiläum  wird mit einem Buch gefeiert, das die Zunftgeschichte zusammenfasst. Es sei wunderbar, darin zu stöbern, sagt Hansruedi Nussbaum. Auch die Inthronisation wird in dem Jahr in einem etwas grösseren Rahmen gefeiert, Platz für 400 Personen bietet das Zelt in dem Jahr. Ausserdem wurde der diesjährige Zunftmeister bereits im Sommer bekanntgegeben statt, wie das traditionell gemacht wird, an der Versammlung am 7. Dezember. Aber die Bekanntgabe bei dreissig Grad musste sein: Sonst hätte der Zunftmeister keinen Platz in dem Jubiläumsbuch bekommen.

Zusammensitzen, wie die Gründer es wollten
In der Zeit habe sich die Zunft sicher auch verändert, sagt Nussbaum. Abläufe verändern sich, neue Leute bringen neue Ideen, «wie es in jedem Verein auch ist». Und doch bleiben viele Rituale und Traditionen gleich. Die Zunftmeisterwahl beispielsweise, oder die Insignien dieses höchsten Frosches und seine Inthronisation. «An solchen Ritualen hält man gerne fest», sagt Nussbaum. Sie seien wichtig, für das Zusammensein, das Zusammenleben, ganz im Sinne der Gründer. Damit es die Zunft auch in 25 Jahren oder mehr noch gibt.

(Text: Lionel Hausheer)