Zwei Frauen auf Reisen

Literatur & Gesellschaft

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Gerade richtig zur Ferienzeit präsentieren wir in einem dritten Teil persönliche Buchtipps von Mitarbeitenden der Zuger Bibliotheken. Eishockey-Fans, Reiselustige und sogar Schlechtgelaunte kommen auf ihre Kosten.

  • Nicole Röllin verspürt Fernweh. (Bild PD)
    Nicole Röllin verspürt Fernweh. (Bild PD)

Menzingen – Dieser Artikel ist in der Ausgabe Juli/August 2021 des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Büchertipps.

Nicole Röllin, Bibliothek Menzingen

Margery kann sich noch sehr gut an den Tag erinnern als ihr Vater Reverend Benson ihr in einem Naturkundebuch die seltensten Tiere zeigte, darunter auch der goldene Käfer von Neukaledonien. Weil ihr Vater sich kurz darauf das Leben nimmt, hat sich diese Erinnerung in Margerys Gedächtnis eingebrannt.
Mit ihrer vom Verlust gezeichneten, apathischen Mutter zieht sie zu den zwei ledigen Schwestern ihres Vaters. Sie wächst unbemerkt und eher lieblos auf, ihre Begeisterung für Käfer liess sie aber nicht mehr los. Als Jugendliche wird Margery die Assistentin eines älteren Professors für Naturkunde, sie ist ihm ergeben und himmelt ihn an, bis es zu einem enttäuschenden Bruch kommt.

Hinein ins grosse Abenteuer
Danach arbeitet Margery pflichtbewusst aber ohne grosse Begeisterung als Hauswirtschaftslehrerin an einer Londoner Schule. Bis zu jenem Tag, an dem ihr eine von Schülern gezeichnete Karikatur über sich selbst in die Hände fällt. Wie Schuppen fällt es ihr von den Augen, sie vergeudet ihr Leben, sinn- und freudlos. Aus einem Impuls heraus rennt sie aus der Schule, rein in ein freies Leben, das nach Abenteuer riecht. Ihr ist absolut klar, sie muss nach Neukaledonien, sie muss den goldenen Käfer finden.
Sie schaltet eine Anzeige in der Zeitung, um den passende Assistenten für ihre Expedition zu finden. Das Schicksal aber führt sie mit Enid Pretty zusammen, einer liederlichen Person, klein, aufreizend und völlig unpassend gekleidet mit einer ausserdem offensichtlichen Rechtschreibschwäche. Die schwatzhafte Enid ist nicht gerade das, was sich Margery als seriöse Begleitung für ihr Vorhaben vorgestellt hatte.
So machen sich die beiden Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, auf die abenteuerliche Reise ans andere Ende der Welt. Jede der beiden mit so manchem Geheimnis im Gepäck und grossen Träumen, die bald zum Greifen nah sind.

Persönlicher Eindruck
Dieser Roman lässt den Leser oft schmunzeln, berührt aber auch tief. Es ist eine wahnwitzige Geschichte, die bald Fahrt aufnimmt und einem nicht mehr loslässt. Besonders gefallen hat mir die originelle Schreibweise und die Dynamik der Geschichte. Gerade jetzt, wo es mit dem Reisen schwierig ist, war es für mich ein Genuss, mit diesen beiden sympathischen Damen in den Südpazifik zu reisen.

«Miss Bensons Reise» von Rachel Joyce
Roman, Fischer Krüger, 2020, 480 Seiten